Staatsanwalt hält Skandal mit politischer Sprengkraft unter der Decke

 Die Hanauer Staatsanwaltschaft und der hessische General-staatsanwalt in Frankfurt bemühen sich krampfhaft mit allen Mitteln einen Skandal mit gewaltiger politischer Sprengkraft unter der Decke zu halten. Dazu haben sie inzwischen auch noch Hilfe vom Amtsgericht Hanau  erhalten. Dennoch könnte der Druck auf alle Beteiligten so groß werden, dass sie den Deckel nicht mehr auf dem Topf halten könnten unter dem es schon jetzt mächtig brodelt. Dann müsste womöglich  die jetzige Landesregierung, bereits in diesen Wochen, in denen sie sich noch im Amt befindet,   ihr Ziel, auch in der nächsten Wahlperiode weiter regieren zu können, begraben. 

Noch lehnen es Gericht und beide Staatsanwaltschaften  bisher strikt ab Einsicht in die Todesermittlungsakte des Atommanagers Hans Friedrich Holtz zu gewähren und den spektakulären Fall wieder aufzurollen. Umwelt- und Energie-Report setzt dagegen zur Zeit mit dem Frankfurter  Rechtswalt Matthias Seipel alle Hebel in Bewegung  Einblick in die Akte zu erhalten. Der Report hat deshalb schon vor einiger Zeit durch Matthias Seipel Klage beim Amtsgericht Hanau eingereicht. Das hat sich zwar für eine Ablehnung der Klage einseitig die Argumente der Staatsan-waltschaft Hanau in die Feder diktieren lassen, ohne uns, die Klägerseite dazu noch mal zu hören. Nun hat Seipel für den Report Beschwerde beim Landgericht Hanau eingereicht.

Nur durch Einblick in die Todesermittlungsakte können die mehr als dubiosen Umstände, unter denen der Manager in der Hanauer Untersuchungshaft ums Leben kam, endlich aufgeklärt werden. Laut Staatsanwaltschaft Hanau hatte Holtz Selbstmord begangen. Gegenwärtig werden immer mehr Fakten bekannt, die  eine andere Sprache sprechen.  Nur, wenn der Fall wieder aufgerollt wird,   kann festgestellt werden, ob und inwieweit   die Verbindungen zwischen Politik und Atomwirtschaft die Aufklärung dieses Falles beeinflusst haben.

Holtz war Ende der Achtziger der Hauptzeuge im größten deutschen Atomskandal. Dabei ging es schließlich um die Frage, ob Deutschland den Atomwaffensperrvertrag gebrochen hat. Der Manager wurde am 11. Dezember 1987 plötzlich verhaftet, nachdem man ihn seit Beginn der staatsanwalt-schaftlichen Ermittlungen rund ein halbes Jahr auf freiem Fuß belassen hatte. Vier Tage später, am 15. Dezember, wurde er mittags, nachdem er zuvor noch sein Mittagessen zu sich genommen hatte, angeblich mit aufgeschnittener Pulsader tot in seiner Haftzelle aufgefunden.

Hans Friedrich Holtz war bis dahin als Prokurist beim Atomunternehmen Transnuklear beschäftigt gewesen. Das Atomunternehmen hatte zuvor rund zehn Jahre lang falsch deklarierten sogenannten atomaren ‚Abfall‘, der allerdings mit angereichertem Uran und Plutonium vermischt worden war, zur Bearbeitung zum belgischen Atomzentrum Mol und über den Lübecker Hafen nach Schweden transportiert. Tonnen dieses atomaren ‚Abfalls‘ waren später nicht wieder aufzufinden oder auf dem Transportweg verschwunden. Schmiergelder in Millionenhöhe waren geflossen.

Zwei Manager, eine Sex-Nacht: 14 400,00 DM. Das Atomunternehmen Transnuklear zahlte promt
Zwei Manager, eine Sex-Nacht: 14 400,00 DM. Das Atomunternehmen Transnuklear zahlte promt

Die wichtigsten Strahlenschützer und Kerntechniker der Republik, denen das Atomgesetz wegen des hohen Risikos ihrer Tätigkeit besondere persönliche Zuverlässigkeit abverlangt, ließen sich zu fröhlichen Bordellnächsten einladen, genossen Transvestitenschauen und andere ungewöhnliche Bewirtungen für 500 Mark und mehr pro Nase”, schrieb der Spiegel. Es wurden Scheinkonten für Schwarzgelder bei Banken in der Schweiz angelegt. Zum Teil wurden die Gelder bei den gleichen Banken am Paradeplatz in Zürich eingezahlt bei denen die Hessen-CDU ihre Schwarzgelder geparkt hatte.

Banken am Züricher Paradeplatz

Holtz, der über die vielen Jahre umfassende Kenntnisse über die Wege des atomaren ,Abfalls‘ und der dunklen Geschäfte erworben hatte, hatte sich mit seinem damaligen Rechtsbeistand auf seinen bevorstehenden Prozess bestens vorbereitet. Es gab manch einen Manager in der Atomwirtschaft, vielleicht auch in der Politik, der seine Version der dunklen Geschäfte und Machen-schaften fürchten musste und dem an einem ewigen Schweigen des Atomma-nagers gelegen sein konnte.

Traurig war dagegen die Geliebte von Holtz, die am 15.Dezember zusammen mit dem Strafverteidiger von Holtz am Eingangstor des Untersuchungsge-fängnisses stand. Unterm Arm trug sie die frische Wäsche, die Holtz sich für den Tag von ihr gewünscht hatte. Die konnte sie dann wieder mitnehmen. Hans Friedrich Holtz habe sich die Pulsader aufgeschnitten, Selbstmord begangen, wurde ihr und dem Strafverteidiger mitgeteilt. Der damals Leitende Oberstaats-anwalt von Hanau, Albert Farwick, erklärte später gegenüber dem Bundestags-untersuchungsausschuss, der Schnitt durch die Pulsader am linken Arm von Holtz sei so professionell gewesen, so etwas habe er in seinem gesamten Dienstleben noch nicht gesehen.

An der Selbstmordversion, die Oberstaatsanwalt Albert Farwick, damals sehr schnell in Umlauf gebracht hatte, gibt es jedoch erhebliche Zweifel. Dies habe ich in meinem Buch NUCLEUS, das bereits vor einem Jahr im Buchhandel erschienen ist, und in dem ich auch den gesamten Atomskandal aufgearbeitet und die Spuren bis in die Gegenwart gezogen habe, ausführlich beschrieben. Ich habe darin bereits den Verdacht aufgeworfen, dass mit der vorschnellen Selbstmordversion der Staatsanwaltschaft die wahren Hintergründe und Zusammenhänge des Todes von Holtz gar nicht erst untersucht werden sollten.

Dieser Verdacht wird inzwischen durch zahlreiche Fakten verstärkt. Die Todesermittlungsakte von Holtz, in der normalerweise alle medizinischen und ermittlungstechnischen Fakten und Bilder zu den Todesumständen festgehalten werden, waren lange Zeit nicht aufzufinden.

Generalstaatsanwalt Blumensatt (links) mit Justizminister U. Hahn
Generalstaatsanwalt Blumensatt (links) mit Justizminister U. Hahn

Nach Veröffentlichung meines Buches NUCLEUS und nachdem ich schriftlich bei der Hanauer Staats-anwaltschaft und beim Generalstaatsanwalt in Frankfurt mit der Frage vorstellig geworden bin, ob ein Hauptzeuge eines so spektakulären Skandals in dieser Form einfach beerdigt werden, ja fast schon beseitigt werden könne, ist die Leiterin der Hanauer Staatsanwaltschaft, Frau Opitz, zusammen mit ihrer Stellvertreterin, von Hanau nach Wiesbaden gefahren, um dort im Hauptstaatsarchiv, dort lagern die gesamten vierzig Meter Akten des Atomverfahrens, nach der Todesermittlungsakte zu fahnden. Und, … sie wurden angeblich fündig. Die Akte hätte vorschriftsmäßig eigentlich in der Registratur der Hanauer Staatsanwaltschaft hängen müssen. Dort war sie aber trotz emsiger Suche nicht auffindbar. Dennoch, dass die Oberstaatsanwältin die Fahrt  nach Wiesbaden in einer arbeitsreichen Zeit, wie sie selbst äußerte, auf sich genommen hat, ist ihr hoch anzurechnen. Das zeigt aber auch wie wichtig ihr der Fall ist.

"Unüblich, aber gut", kommentierte der ehemalige Justizminister der Grünen, Rupert von Plottnitz, die Suche der Hanauer Staatsanwältinnen nach der Todesermittlungsakte von Holtz in Wiesbaden.
“Unüblich, aber gut”, kommentierte der ehemalige Justizminister der Grünen, Rupert von Plottnitz, die Suche der Hanauer Staatsanwältinnen nach der Todesermittlungsakte von Holtz in Wiesbaden.

Diese Sicht teilt auch der frühere hessische Justizminister der Grünen, Rupert von Plottnitz, mit dem ich über diesen Fall korrespondiert habe. “Ungewöhnlich”, kommentierte  er.

Die Oberstaatsanwältin  musste auch dem Generalstaatsanwalt über ihr Rechercheergebnis Bericht erstatten.

Hinter einer  dieser  Knasttüren starb der Atommanager H. -F. Holtz auf dubiose Weise
Hinter einer dieser Knasttüren starb der Atommanager H. -F. Holtz auf dubiose Weise

Aber auch mir hat Frau Opitz einen eigenen Bericht zur Akte zukommen lassen. Der aber wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Danach steht fest, Holtz ist nicht obduziert worden. Dies geschieht in der Regel  vor allem bei Todesfällen in der Untersuchungshaft. Vor allem sollen so die Vollzugs-beamten von jedem Verdacht befreit werden. Es wurde aber auch in der Zelle nichts auf Fremdspuren unter-sucht. Der Notarzt hat lediglich den Tod von Holtz festgestellt. Er hat dann zwar auch noch eine eigene Inter-pretation der merkwürdigen Haltung in der Holtz auf einem Stuhl saß gewagt. Sein Erklärungsversuch ist aber durch keine zusätzlichen Untersuchungen untermauert worden. Der Atommanager hatte das eine Bein einer langen Anstaltsunterhose angeblich um sein Kinn geschlungen. Das andere soll er selbst um das Fensterkreuz des höher gelegenen Fensters gebunden haben.  Und anschließend hat er sich, so der Arzt, dann auf einen Stuhl gesetzt. -Es lohnt sich dies einmal selbst auszuprobieren. Dies tut man jedoch besser nur in Gegenwart einer Person die einem gut gesonnen ist. Sonst könnte man sich unfreiwillig noch strangulieren.

18.09.13 Holz in der Zelle zweiHoltz hat sich bei dieser Prozedur aber nicht stranguliert. Das steht, so die Aussage der jetzigen Staatsanwaltschaft,  fest. Dies alles soll Holtz in der Zeit zwischen Mittagessen und anschließendem Freigang, der ca eine Stunde später stattfinden sollte, inszeniert haben. Laut Interpretation des Mediziners hat sich Holtz mit dem merkwürdigen Unterhoseneinsatz lediglich fixieren wollen, um den langen Schnitt durch die Pulsader durchführen  zu können und, wenn das  Blut dann ausflösse, nicht umzufallen. Eine wirklich weit hergeholte Interpretation. Eine Fabel.

Holtz wurde, mit seinem Stuhl in einer großen Blutlache sitzend, aufgefunden.  In der Lache fand man eine Rasierklinge. Unfassbar: Die Klinge wurde ebenfalls nicht auf Fingerspuren untersucht. Auch das hat die Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigt. Woher kam denn überhaupt die Rasierklinge? Holtz war Trockenrasierer. Im Bericht der Oberstaatsanwältin Opitz an mich erklärt sie , dass es in jeder Zelle eine Ausstattung für Nassrasierer gegeben habe. Dies habe ich durch einen Anruf beim damaligen Anstaltsleiter überprüft. Er hat dieser Version heftig widersprochen.

Der damals Leitende Oberstaatsanwalt, Albert Farwick, hatte gegenüber dem Bundestagsuntersuchungsausschuss in Bonn auch noch erklärt Holtz habe einen Abschiedsbrief hinterlassen. Der, liest man den durch, lässt erhebliche Zweifel daran aufkommen, ob es denn überhaupt ein Abschiedsbrief ist. Darüber hinaus tauchen Fragen beim Datum auf. Daran wurde eindeutig manipuliert. Von wem?

Anwalt Seipel fordert Akteneinsicht
Anwalt Seipel fordert Akteneinsicht

Dies ist auch eine der Fragen, die der Frankfurter Anwalt, Matthias Seipel, den ich inzwischen, angesichts der mit vielen Paragrafen unterfütterten Abwehrhaltung der Staatsanwalt-schaften in Hanau und Frankfurt,  eingeschaltet habe, an das Landgericht Hanau gerichtet hat. Nachdem die Staatsanwalt-schaft Hanau im Verbund mit der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt, bei der die Sache immer  ganz oben angesiedelt war, unseren Antrag auf Akteneinsicht verweigert hat, hat Seipel Hoffnung gesehen über das Landgericht Hanau doch noch zum Erfolg zu kommen. Denn, dass mein Antrag auf Akteneinsicht in das Todesermittlungsverfahren von der Hanauer Staatsanwaltschaft mit sehr durchsichtigen juristischen Argumenten abgeschmettert wurde, hat uns erst richtig stutzig gemacht. Angesichts der vorgetragenen Argumente kommt verstärkt der Gedanke auf, hier soll partout verhindert werden, dass Kenntnisse in die Öffentlichkeit kommen, die möglicherweise einen erneuten Skandal mit den oben beschriebenen politischen Folgen hervorrufen.

Ausriß Akteneinsicht  kreis

Vor allem die Weigerung des Generalstaatsanwaltes Akteneinsicht zu gewähren wirkt verstörend. Dies vor allem angesichts der Bekundungen die man von vorherigen schwarz-gelben Landesregierungen aus Hessen zu hören bekommen hat. Der ‚General‘ unterliegt ja der politischen Weisung des hessischen Justizministers in Wiesbaden. Zu Zeiten des Atomskandals war das Vater Koch, dessen Sohn wollte den CDU-eigenen Parteispendenskandal „brutalst-möglich“ aufklären. Diese ‚Aufklärungs’- Masche lief zur ziemlich gleichen Zeit wie in Sachen Atomskandal ermittelt wurde. Und es kamen dabei auch erstaunliche Zusammenhänge zu Tage. Die Hessen CDU hatte, wie bereits betont, Millionen am Fiskus vor bei auf Konten in der Schweiz gebunkert . Dies hatte sie zum Teil bei den gleichen Banken getan, bei denen das Atomunter-nehmen, bei dem Holtz als Prokurist beschäftigt gewesen war, Schwarzgelder auf Scheinkonten eingezahlt hatte. Gab es da gar Verwicklungen, Zusammenhänge?

Damals, auch das wurde später bekannt, waren Gelder an die CDU geflossen, die dem Unternehmen zugeordnet wurden, das fast alle deutschen Atomkraftwerke gebaut hatte. Schon Holtz hatte in seinen Vernehmungen beim Landeskrimi-nalamt zu seiner eigenen und zur Entlastung seines Unternehmens Trans-nuklear angegeben, das, was in seinem Atomunternehmen an Schmiergeldern geflossen sei, sei doch von anderen Unternehmen der Atomindustrie noch weit übertroffen worden.

Ministerpräsident Volker Bouffier zog damals die Strippen im Fall Hans-Friedrich Holtz
Ministerpräsident Volker Bouffier zog damals die Strippen im Fall Hans-Friedrich Holtz

Volker Bouffier, der heutige noch Ministerpräsident des Landes Hessen, war damals Staatssekretär im Justizministerium unter Vater Koch. Er zog die Strippen bei den staatsan-waltschaftlichen Ermittlungen. Die Staatsanwälte, auch der damalige Generalstaats-anwalt, mussten regelmäßig vor und nach jeden Ermittlungsschritt bei ihm am Tisch erscheinen. Dort saßen auch Abteilungsleiter aus dem Justizministerium und der Staatskanzlei mit am Tisch. Sie wurden später gar Bundesrichter. Es erstaunt, dass sie sich alle  mit so dünnen Angaben, wie der Hauptzeuge im größten deutschen Atomskandal in der Untersuchungshaft ums Leben gekommen ist, zufrieden gegeben haben sollen.

Um die Brisanz der Ereignisse und die politischen Hintergründe noch besser zu verstehen, lohnt es, sich auch das ZDF-Interview mit dem Buch-Autor von NUCLEUS, Dieter Kassing und das mit dem damaligen hessischen Reaktorischerheitsminister Karl Heinz Weimar anzusehen)

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