Die Botschafter der EU-Länder haben sich auf neue Wirtschaftssanktionen gegen Russland verständigt. Nun wird auch die Energie mit einbezogen. Der neue Maßnahmenkatalog der Europäischen Union muss noch von den Regierungen der 28 Mitgliedsländer förmlich gebilligt werden. Dies wird heute noch  erwartet.

Die Botschafter der 28 europäischen Mitgliedsstaaten beschlossen neue Sanktionen gegen Moskau
Die Botschafter der 28 europäischen Mitgliedsstaaten beschlossen neue Sanktionen gegen Moskau

Die Beschlüsse werden dann veröffentlicht und haben damit Geltung. Gemäß der neuen Beschlüsse können Russische Banken mit einer staatlichen Beteiligung von mehr als 50 Prozent keine neuen Wertpapiere in der EU verkaufen. Darüber hinaus gilt ein Exportstopp für Hochtechnologie-Geräte, vor allem im Bereich der Ölförderung. Die Maßnahmen sollen auf ein Jahr begrenzt werden, eine erste Überprüfung soll den Angaben zufolge nach drei Monaten erfolgen.
Mit dem Stopp der Lieferungen von Spitzentechnologie zur Förderung oder Erschließung von Erdölfeldern in der Tiefsee und in der Arktis werden nach Schätzungen der EU-Kommission jährliche russische Exporte in Höhe von 150 Millionen Euro betroffen. Allerdings könnte diese Maßnahme auch deutsche Unternehmen treffen. Zusammen mit einer Tochter des russischen Erdölproduzenten Lukoil betreibt die BASF-Tochter Wintershall  das Gemeinschaftsunternehmen Wolgodeminoil zur Förderung von Erdöl. Wingas hält daran 50 Prozent. Der deutsche Energie-Konzern Eon hat seit 2007 rund sechs Milliarden Euro in Russland ausgegeben und betreibt dort inzwischen mehrere Strom-Kraftwerke.
Die neuen Maßnahmen der EU sollen, so wurde in Brüssel deutlich, Russland, hier vor allem  Kreml-Chef Wladimir Putin, zweierlei spüren lassen: Zum einen sitze das Land zwar auf riesigen Schätzen in Form von Gas- und Ölvorräten, andererseits könne aber seine Wirtschaft ohne Hochtechnologielieferungen aus dem Westen erheblich weniger daraus machen als es ansonsten der Rohstoff-Reichtum des Landes möglich machen würde. Komplizierte Liebesbeziehung

Günther Oettinger: Wollte den Bereich der Energie ursprünglich aus den Sanktionen heraushalten
Günther Oettinger: Wollte den Bereich der Energie ursprünglich aus den Sanktionen heraushalten

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hatte noch vor Beginn der Beratungen über neue Sanktionen dafür plädiert den Energiebereich nach Möglichkeit auszuklammern. In einem Interview mit dem ZdF hatte er erneut erklärt, er werde weiter den Kurs verfolgen, “dass Energieprodukte außerhalb von Sanktionslisten bleiben sollten. Zugleich hatte er aber auch von den russischen Partnern gefordert Energie in keiner Form, weder über Lieferstopps noch über Gaspreiserhöhungen, als Instrument der Politik einzusetzen. Dies hatte er zuvor auch im Interview mit Umwelt-Energie-Report betont. Oettinger: Notfallpläne für den Winter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor schon die deutsche Energiewirtschaft aufgefordert, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu reduzieren. „Es wird eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben“, verkündete sie nach einem Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper. Die Europäische Union sei stark von russischem Öl und Gas abhängig, dabei sei die Abhängigkeit Deutschlands „längst nicht die höchste“.
Deutschland bezieht 36 Prozent seiner Öleinfuhren und 35 Prozent seiner Gaseinfuhren aus Russland. Große Sorgen besonders um seine Gasver-sorgung macht sich nun nach der neuen Eskalation der Sanktionsspirale Italien. Die italienische Regierung hatte sich viel von einer geplanten russischen Pipeline, der South Stream, versprochen, eine von Russland geplante Pipeline durch das Schwarze Meer. Deren Ausbau ist zur Zeit aber aus rechtlichen Gründen noch gestoppt. Gas-Pipelines sollen nicht den gleichen Eigentümern gehören wie das Gas, das durch durch die Pipeline fließt. Die russische Gazprom will aber bisher Beides in der Hand haben. Daher gibt  es bisher noch kein grünes Licht zum Bau. Die Struktur des Projekts und die Eigentumsverhältnisse müssen sich nach Auffasung der EU-Kommission ändern.Die Realisierung kann deshalb noch mehrere Jahre dauern. EU-Kommissar Günther Oettinger weist  darauf hin, dass mit der neuen Pipeline auch kein Gas aus neuen Quellen, also außerhalb Russlands käme, sondern die Abhängigkeit vom Russen-Gas nur weiter zementiert werde. Lesen Sie dazu auch: Kohle, Öl und Gas- Russland ist wichtigster Versorger
Einige Zahlen zum Energie-Geschäft zwischen Russland und Europa: 290 Milliarden Dollar hat Russland 2012 durch Ölexporte eingenommen. Bis 2012 hat Russland 80 Prozent des für Europa bestimmten Erdgases durch Pipelines in der Ukraine geschickt. Seit der Inbetriebnahme der Nordstream- Pipeline, die von Russland direkt durch die Ostsee nach Deutschland führt, und der Jamal-Pipeline, die durch Weißrussland und Polen nach Deutschland verlegt wurde, liegt der Anteil noch bei etwa 50 Prozent.
Der Versuch der EU, mit den Pipelines auch die Abhängigkeit vom russischen Gas zu reduzieren, ist mit der aus wirtschaftlichen Gründen nicht gebauten Nabucco-Pipeline gescheitert. Damit sollte Gas aus dem Kaspischen Meer in Aserbaidschan nach Südeuropa gelenkt werden. Die Erfüllung von Merkels Wunsch nach weniger Abhängigkeit vom Russen-Gas und –Öl wird noch länger auf sich warten lassen.

Bereits auf der Sanktionsliste der USA: Der weltgrößte, börsennotierte russische Ölkonzern Rosneft
Bereits auf der Sanktionsliste der USA: Der weltgrößte, börsennotierte russische Ölkonzern Rosneft

Zuvor hatten die USA schon russische Energieunternehmen auf ihre Sanktionsliste gegen Russland gesetzt die zugleich wichtige Handelspartner für  deutsche Energieunternehmen sind. Das russische Unternehmen Novatek ist wichtigster Handelspartner  des drittgrößten deutschen  Energiekonzerns EnBW. Mit Novatek hat das badenwürttembergische  Unternehmen einen Zehn-Jahres-Liefervertrag in Höhe von sechs Milliarden Euro abgeschlossen. Der Vertrag sichert EnBW ein Drittel seines Gasbedarfs. Das nichtstaatliche russische Unternehmen  fördert selbst und vermarktet auch Erdgas von Gazprom in den Westen.
Novatek könnte nun wichtige westliche Banken als Vorfinanzierer für den Pipelinebau,verlieren.So soll eine US-Bank die Finanzierung der Gasför-derung von Novatek auf der sibirischen Jamal-Halbinsel zurückgezogen haben. Noch ist nicht sicher, ob der Energiekonzern deswegen seine Preise gegenüber westlichen Handelspartnern wie EnBW anheben wird. Sollte das eintreten, würde sich das   naturgemäß auch  auf die Verbraucherpreise auswirken.
Wegen der gezielten Sanktionen gegen russische Banken könnte auch der weltgrösste börsennotierte russische Ölkonzern Rosneft bekommen. Die Gesamtchulden des Unternehmens betragen  etwa 91 Mrd. $ . Ein Teil davon, 26 Mrd $ sind bis Ende 2015 fällig. Der Konzern muss zudem eine Vielzahl an Investitionen stemmen. In Erwartung weiterer Sanktionen hat sich der Konzern in weiser Voraussicht  edoch schon vor der Ukraine-Krise begonnen, sich aus westlichen und asiatischen Quellen Vorauszahlungen auf Erdöllieferungen zu sichern. Unsicher bleibt, ob die insgesamt ausreichen können.