Atomzentrale Tihange
Atomzentrale Tihange

Die belgischen Atomkraftwerke bereiten der Industrie und dem Staat immer wieder größte Sorgen. Erneut drohen im Winter Stromengpässe. Derzeit sind gleich drei von sieben Atommeilern an den beiden Standorten in Doel und in Tihange abgeschaltet. 

Seit Tagen beherrscht der mögliche Blackout die Titelseiten und Kommentare der Zeitungen. “Wann geht bei uns das Licht aus?”, fragt De Standaard sogar auf Seite eins. Und La Libre Belgique fragt: “Werden wir im Winter im Dunkeln sitzen?”
Der möglicherweise durch einen Sabotageakt stillgelegte Atomreaktor Doel 4 wird nicht vor Ende des Jahres wieder hochgefahren werden können. Das erklärte Betreiber Electrabel. Weil die Meiler Tihange 2 und Doel 3 ebenfalls außer Betrieb sind, produziert damit die Hälfte der belgischen Kernreaktoren keinen Strom mehr. Zudem sollte eigentlich ab September bis zum Jahresende der Atommeiler Tihange 1 wegen routinemäßigen Unterhaltsarbeiten vom Netz genommen werden. Doch nun kündigte der belgische Energieproduzent und Kernkraftwerks-betreiber Electrabel an, die geplante Generalüberholung des Meilers anzupassen, damit dieser für die kalten Wintertage doch wieder im Einsatz ist.

Kerzenlicht statt von Atom-Strom gespeiste Lampen
Kerzenlicht statt von Atom-Strom gespeiste Lampen

Der Verband der industriellen Energie-Großabnehmer Belgiens  fordert inzwischen eine vom Staat garantierte Energieversorgung und Notfallpläne für eine mögliche Stromknappheit im Winter. Der Verband gab in einer Pressemitteilung bekannt, dass die ihm angeschlossenen Unternehmen strukturelle Lösungen und eine vom Staat garantierte Energieversorgung fordern. Die Industrie im Land sei auf eine durchgehende Produktion zu wettbewerbsfähigen Strompreisen angewiesen, hieß es dazu.
Mit einer ähnlichen Lage mussten sich alle  Beteiligten bereits vor zwei Jahren auseinandersetzen. Da waren es nur zwei Atomreaktoren die abgeschaltet bleiben sollten. Trotzdem schlossen die Verantwortlichen Strom-Engpässe an kalten Winterabenden nicht aus. Im schlimmsten Fall plante der Netzbetreiber Elia damals sogar, den Strom in ländlichen Gebieten für ein bis zwei Stunden ganz abzuschalten. Davon würden ostbelgische Gemeinden betroffen sein, hatte eine Sprecherin des belgischen Stromnetzbetreibers Elia verkündet. Vorab wurden alle Bürger  schon mal gemahnt, weniger Strom zu verbrauchen.
Nach Meinung der einzigen deutschsprachigen Zeitung GrenzEcho hat die Atomlobby ihren letzten Trumpf nun verspielt. Jahrelang habe sie gegen den beabsichtigten Ausstieg aus der Kernenergie mit dem Argument mobil gemacht, Atomkraft sei im Gegensatz zu “sauberen” Alternativen ein zuverlässiger Stromlieferant. Spätestens mit der Abschaltung von Doel 4 ziehe diese Erklärung aber nicht mehr, stellt die Zeitung fest. Auf der Verliererseite, schreibt das Blatt, befinde sich jedoch auch die Politik. Sie vergfüge ganz offenbar über keine  klare, langfristige Strategie.