29.01.15 Strommasten

Das Bundeskartellamt hat heute durch Beschluss festgestellt, dass die Gemeinde Titisee-Neustadt bei der Vergabe ihrer Wegerechte für Strom- und Gasnetze missbräuchlich gehandelt hat und ihr aufgegeben, das Auswahlverfahren neu und diskriminierungsfrei durchzuführen. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden geben wir hier  die Mitteilung des Amtes zum Verfahren im original wieder.

Kartellsamtspräsident Andreas Mundt :Titisee-Neustadt hat ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht,
Kartellsamtspräsident Andreas Mundt :Titisee-Neustadt hat ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht,

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Im Sinne aller Verbraucher sollten Gemeinden für den Betrieb der Netze den Anbieter auswählen, der das beste Angebot macht. Das kann auch das eigene Stadtwerk sein, aber es muss die Konzession in einem diskriminie- rungsfreien Auswahlverfahren erwerben.

Aufgrund von auslaufenden Verträgen aus den 90er Jahren stehen in den nächsten Jahren bundesweit mehrere tausend Neuvergaben der Konzessionen von Strom- und Gasnetzen an. Dabei ist ein Trend zur Rekommunalisierung zu beobachten. In einzelnen Fällen versuchen Gemeinden, kommunale Eigenbetriebe bei der Vergabeentscheidung zu bevorzugen. Die gesetzlichen Kriterien, die bei einer Neuvergabe beachtet werden müssen, schließen eine solche Privilegierung jedoch aus.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes werden Gemeinden bei der Vergabe von Wegerechten unternehmerisch tätig und haben als alleiniger In- haber der Wegerechte eine marktbeherrschende Stellung. Die Einräumung der Wegerechte, die alle 20 Jahre neu vergeben werden müssen, ist Vorausset- zung für den Betrieb des Strom- und Gasnetzes.

Nach Ansicht des Bundeskartellamtes hat die Gemeinde Titisee-Neustadt ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie ein diskriminierendes Auswahlverfahren durchgeführt, einen bestimmten Bieter einseitig ohne sachlichen Grund bevorzugt, unzulässige und rechtswidrige Auswahlkriterien verwendet sowie gegen den Geheimwettbewerb und das Nebenleistungsverbot verstoßen hat.

Andreas Mundt: „Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Urteilen 2013 und 2014 geklärt, welche Auswahlkriterien zulässig sind und welche Grundsätze für das Auswahlverfahren gelten. Und er hat auch festgestellt, dass darin kein Verstoß gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes liegt.“

Die Gemeinde Titisee-Neustadt hatte eine Aussetzung des Verfahrens beantragt, weil sie bezüglich den Regularien der Konzessionsvergabe eine Kommunalverfassungsbeschwerde eingelegt hat. Da aber der Bundesgerichtshof und alle Oberzivil- und Oberverwaltungsgerichte, die sich mit solchen Konzessionsvergaben befasst haben, eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ausdrücklich verneint haben und das Bundesverfassungsgericht eine Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Heiligenhafen 2013 gar nicht zur Entscheidung angenommen hat, hat das Bundeskartellamt eine Verfahrensaussetzung abgelehnt.

Mit diesem Abschluss durch Untersagungsverfügung ist beim Bundeskartellamt im Bereich der Konzessionsvergabe nur noch das Missbrauchsverfahren gegen das Land Berlin anhängig. Da die grundlegenden Rahmenbedingungen für die Auswahl durch die Rechtsprechung des BGH geklärt sind, erhält das Bundeskartellamt insoweit so gut wie keine neuen Beschwerden mehr.

Die Gemeinde Titisee-Neustadt kann gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes Beschwerde beim OLG Düsseldorf einlegen.

Für den Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (bne) begrüßte Geschäftsführer Robert Buschdie heutige Entscheidung des Bundeskartell- amtes zur Vergabe von Wegerechten für Strom- und Gasnetze.

“Das Bundeskartellamt hat heute erneut klargestellt, dass Städte und Gemeinden Eigenbetriebe bei der Vergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze nicht bevorzugen dürfen. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (bne) begrüßt diese Entscheidung: ‘Die effizienteste Lösung für die Verbraucher kann nur gefunden werden, wenn es einen fairen und transparenten Wettbewerb gibt, ohne Bevorzugung Einzelner’, stellt  Busch in seiner verlautbarung fest.

Netz-Zersplitterung gefährdet Energiewende
Busch erklärt in seiner Mitteilung weiter: Der Wunsch vieler Kommunen, über die Netze Energiewende zu gestalten und gleichzeitig die Haushaltskassen aufzubessern, erweist sich häufig als unrealistisch: Schon heute sinken die Einnahmen aus dem Netzgeschäft bei gleichbleibenden Kosten im Zuge zurückgehender Energieverbräuche kontinuierlich oder aber sie werden zur Finanzierung anderer defizitärer Bereiche missbraucht, wie in jüngster Zeit die Pleite der Stadtwerke Gera gezeigt hat. „Zudem ist auch aus Energiewendesicht eine weitere Zersplitterung der Netzstruktur mit schon jetzt über 1600 Betreibern für Strom und Gas nicht sinnvoll. Klein- und Kleinstunternehmen sind mit den technischen Anforderungen, die eine wachsende Einspeisung von erneuerbaren Energien an sie stellt, überfordert“, so Busch. Der bne hat ausdrücklich nichts gegen kommunales Eigentum an den Netzen. Um aber Lösungen wie etwa eine intelligente und flexible Steuerung von Erzeugung und Verbrauch zu gewährleisten, ist ein Zusammenschluss der Verteilnetze zu nicht mehr als 40 regionalen Verbünden unerlässlich.

Der Verband sieht sich auch durch die aktuelle Evaluation der Bundesnetzagentur zur Anreizregulierung bestätigt. Darin verweist die Behörde explizit auf Vorteile für Verteilnetzbetreiber bei der Regulierung und sieht darin eine materielle Besserstellung der kleinen Netzbetreiber. „Diese Sonderregeln verhindern auch nach Ansicht der Bundesnetzagentur effiziente Netzzusammenschlüsse, die wir für eine erfolgreiche Energiewende brauchen“, so Busch. Der bne hat dazu mit dem bne-Flexmarkt ein Konzept vorgelegt, welches unter anderem ein effizientes Management von Angebot und Nachfrage in regionalen Netzclustern ermöglicht.