EU-Energie-Kommissar Miguel Arias Canete
EU-Energie-Kommissar Miguel Arias Canete: Wir setzen zunächst den Aktionsplan zur Energieunion um …

Die Europäische Union sieht sich weiter nicht in der Lage das in seinen Auswirkungen skandalös unterschiedliche Haftungsrecht für atomare Unfälle in den Mitgliedsstaaten zeitnah anzupassen.

„Im Augenblick konzentriert sich die Europäische Kommission auf die Umsetzung des Aktionsplans zur Energieunion“, – ließ uns EU-Energiekommissar Miguel Arias Cañete durch eine Sprecherin übermitteln. Und weiter: „ Im Anschluss an eine öffentliche Konsultation zum Atomhaftungsrecht hat die Europäische Kommission Anfang 2014 eine Stakeholder-Konferenz zum Thema organisiert. Zum einen stellte sie hier die wesentlichen Ergebnisse der Konsultation, zum anderen die Empfehlungen einer Expertengruppe an die Kommission in den Bereichen Forderungs-Management (claim management), Versicherungen, einen von Betreibern finanzierten Topf und anderen finanzielle Garantien, und der Höhe von Entschädigungszahlen usw. vor.“
In der Erklärung der Sprecherin heißt es weiter: „Sowohl die Konsultation als auch die Konferenz haben gezeigt, dass weitere vorbereitende Arbeiten im Bereich des Atomhaftungsrecht notwendig sind. Insbesondere geht es hier um die Themen Kapazität der Versicherungs- und Finanzmärkte und um die Auswirkungen der gestiegenen Sicherheitsanforderungen, die die Umsetzung der neuen Richtlinie zur Nuklearsicherheit vom Juli 2014 mit sich bringt.“

Cañete packt das heiße Eisen Atomhaftungsrecht nicht an

Cañetes Statement, übermittelt durch seine Sprecherin, belegt, dass sich seit Günther Oettingers Wechsel vom Energie-Kommissar zum Kommissar für Digitales in Brüssel bei der dringend notwendigen Angleichung des Atom-Haftungsrechts in der Europäischen Union nichts weiter getan hat.

Obwohl Cañete zugleich mitteilen lässt, dass es bei der Umsetzung des Aktionsplans „…zum Teil ja auch um Fragen geht, die das Thema Atomenergie betreffen“, klammert er offensichtlich das heiße Thema Atom-Haftungsrecht aus. Damit bleibt offen wie sich der Kommissar eine „Europäische Energieunion“ vorstellt.
Derzeit ist die Haftung der Atomkraftwerksbetreiber bei einem Atomunfall in Europa noch immer skandalös unterschiedlich geregelt, so dass der Steuerzahler im Ernstfall erheblich zur Kasse gebeten wird. Günther Oettinger hatte im Interview mit Umwelt und Energie-Report, er war da noch für Energie zuständig, Anfang Oktober vergangenen Jahres festgestellt, „dass noch mehr getan werden muss.“

Oettinger: Protokolle ratifizieren

EU-Kommisar Günther Oettinger: Wenn die bisherigen rechtlichen Abmachungen von allen Mitgliedsländern unterzeichnet würden, stünde wesentlich mehr geld zur Verfügung
EU-Kommisar Günther Oettinger: Wenn die bisherigen rechtlichen Abmachungen von allen Mitgliedsländern unterzeichnet würden, stünde wesentlich mehr geld zur Verfügung

Oettinger erklärte im Interview weiter, würden die Mitgliedsstaaten schon mal die Änderungsproto- kolle ratifizieren, die bereits festgeschrieben sind, „ würde dies … unmittelbar dazu führen, dass in den meisten Mitgliedstaaten für Schadensersatzzahlungen wesentlich höhere Beträge verfügbar sind.“
Bereits im Juni vergangenen Jahres fragten wir die atompolitische Sprecherin der Fraktion der GRÜNEN im Bundestag im Interview: „ Atomkraftwerke in Frankreich sind bis jetzt lediglich bis zu 90 Mio Euro versichert. Kann man so in einem gemeinsamen Europa verantwortlich Energiepolitik betreiben?“

Uhl erklärte uns daraufhin: „Die Betreiber-Haftung in Frankreich ist in der Tat skandalös niedrig. EDF, immerhin der größte Energiekonzern Europas, muss nach einem Atomunfall zur Opferentschädigung nur einmal kurz in die Portokasse greifen und ist dann aus dem Schneider. Aufgrund der Abkommen kommt noch ein wenig staatliche Entschädigung hinzu, aber für den Großteil der Schäden eines massiven Atomunfalls haben Betroffene keinen Anspruch auf Entschädigung. Das bisherige Atomhaftungsregime dient nicht dem Schutz der Opfer, sondern dem der AKW-Betreiber.“

Sylvia Kotting-Uhl: Die Betreiberhaftung für atomare Unfälle ist in Frankreich skandalös niedrig
Sylvia Kotting-Uhl: Die Betreiberhaftung für atomare Unfälle ist in Frankreich skandalös niedrig

Wer zahlt für Schäden?

Wir wollten aber auch noch konkret wissen, wie es denn aussehe, wenn in dem dicht bei Freiburg liegenden an einem Rhein-Seitenarm positionierten französischen Atom-Kraftwerk Fessenheim ein Gau zum Beispiel durch Überflutung passierte.

Bei Westwind würden die Schäden dann im dicht besiedelten Deutschland binnen kurzer Zeit weit höher sein als die in Fukushima. „Wer zahlt?“, haben wir Kotting-Uhl weiter gefragt.

Die atompolitische Sprecherin der Grünen blieb die Antwort nicht schuldig. „In diesem konkreten Fall würde sich nach den geltenden Regeln die Gesamtsumme zur Opferentschädigung aus drei Tranchen zusammensetzen. Der Betreiber von Fessenheim, EDF, muss insgesamt mit rund 91Millionen Euro haften.

Mit weiteren rund 10Millionen Euro muss der französische Staat einstehen. Rund 240Millionen Euro kämen aus einem Pool aller Staaten, die wie Frankreich neben dem Pariser Übereinkommen zur Atomhaftung auch das sogenannte Brüsseler Zusatzübereinkommen unterzeichnet haben. Insgesamt gäbe es rund 340Millionen Euro zur Opferentschädigung. Das zu erwartende Schadensausmaß liegt aber im dreistelligen Milliardenbereich, also um den Faktor tausend höher. Das heißt, die Opfer eines Atomunfalls haben nur einen Anspruch auf Entschädigung im Promillebereich. Daran muss sich dringend etwas ändern.“

Bei einer Atomkatastrophe wie  Fukushima …

Wir haben es bei dieser Nachfrage nicht belassen. Denn, das Thema ist ja eng verknüpft mit einem anderen, den Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber für die Entsorgung des angefallenen Atommülls und dem Rückbau der Atommeiler.

Deshalb fragten wir die Sprecherin der Grünen auch: „Bei einer Atom-Katastrophe wie in Fukushima würde nach deutschem Recht wohl zunächst der Betreiber des AKW’s mit seinem Vermögen haften müssen. Die Energie-Konzerne haben für den13.02.15 Bild Atomkraftwerk
Rückbau der stillgelegten und der noch still zu legenden AKW’s Rückstellungen gemacht. Dies sind auch Vermögensteile die in der Bilanz auftauchen. Würde das bedeuten, dass bei einem Atomunfall durch das Heranziehen des Konzernvermögens zur teilweisen Begleichung des Schadens dann auch die Rückstellungen für die Altlasten aufgebraucht würden?“

Wir wollen die Gelder in einem Fonds gesichert wissen

Die atompolitische Sprecherin Sylvia Kotting-Uhl bestätigte: Ja, das könne passieren. „Auch aus diesem Grund – vor allem aber aufgrund des Insolvenzrisikos der Konzerne“, so Sylvia Kotting-Uhl, „wollen wir die Rückstellungen der AKW-Betreiber in einem öffentlich-rechtlich verwalteten Fonds gesichert wissen.

Es darf nicht sein, dass die Gesellschaft nach den Milliarden-Kosten eines Atomunfalls auch noch auf den Milliarden-Kosten für den Abriss der AKW und die Entsorgung des Atommülls sitzen bleibt.“
Die Bestätigung, dass es so kommen könnte, lieferte inzwischen eine Kurzstudie der Hochschule Ruhr West (HRW), die die GRÜNEN-Fraktion im Bundestag in Auftrag gegeben hatten. 38 Milliarden Euro stehen danach in den Bilanzen der AKW-Betreiber als Verbindlichkeiten für Rückbau und Endlagerung. Doch das Geld ist, wie die Studie belegt, angelegt – zumeist in Kraftwerken.

Claudia Kempfert: Gelder in Milliardenhöhe fehlen ...
Claudia Kempfert: Gelder in Milliardenhöhe fehlen …

Für die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zeigt auch diese, »dass selbst die Kosten des Rückbaus der Atomkraftwerke sowie der Endlagerung des Atommülls weit höher sein können, als die Rückstellungen der Energiekonzerne abdecken«. Diejenigen, die die Studie für die Grünen-Fraktion durchgeführt hatten, haben auch wissen wollen, ob die Konzerne denn zumindest genügend Geld flüssig machen könnten, um ihre Rückstellungen auf einen externen Fonds übertragen zu können. Das Ergebnis war: Auch da fehlen Milliardensummen.
Die Grüne Sylvia Kotting-Uhl, sieht deshalb einen dringenden Handlungsbedarf. Ähnlich wie Kemfert fordert sie: »Im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hilft nur eins: Es muss endlich ein öffentlich-rechtlicher Fonds mit Nachschusspflicht für die Konzerne her.«

Haftung in Frankreich “skandalös niedrig”

Die atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion hatte uns im Interview zuvor ja aber auch bestätigt, dass die Betreiber-Haftung vor allem in Frankreich „skandalös niedrig“ sei. Wir wollten deshalb von der französischen Energieministerin Segolene Royal wissen wie Sie das unzureichende Haftungsrecht in der Europäischen Union bewertet.

Und stellten ihr  Fragen wie die: „ Der Reaktorunfall von Fukushima, der letztendlich zum Ausstieg der Deutschen aus der Nutzung der Atomkraft geführt hat, hat auch die Frage nach der Angemessenheit der bestehenden Haftungsregelungen wieder aufgeworfen.“ Und weiter haben wir gefragt, Günther Oettinger habe im Interview mit Umwelt-Energie-Report erklärt, gemeinsame Konsultationen im Januar des Jahres hätten gezeigt, dass noch mehr getan werden müsse. „Wie ist Ihre Sicht dazu?“

Hier noch mal dieselbe Frage in französicher Sprache, so wie wir sie Royal übermittelt haben:

Französische Energieministerin Segolene Royal : Keine Antworten auf kritische Fragen
Französische Energieministerin Segolene Royal : Keine Antworten auf kritische Fragen

Question: L’accident de réacteur de Fukushima, qui a mené finalement vers la sortie des Allemands de l’utilisation de l’énergie nucléaire, a soulevé de nouveau dans le cadre des tests de stress européens pour des centrales atomiques aussi la question sur la proportion des réglementations de responsabilité existantes. Pour ces questions dans l’union européenne Kommisar compétents, Günther Oettinger, a expliqué dans l’interview avec le reportage d’énergie d’environnement, les consultations communes en janvier de l’année auraient montré qu’encore plus doit être fait. Comment est-ce que votre vue est en plus ?“
Weitere Fragen an die Ministerin …
Frage: „Mit dem Änderungsprotokoll vom Februar 2004 zum Pariser Übereinkommen sollte festgelegt werden, dass Betreiber von Atomkraftwerken- und –Anlagen auch für Schäden haften die durch eine Naturkatastrophe entstehen wie sie in Fukushima Auslöser des Atomdesasters war. Das Änderungsprotokoll ist seit zehn Jahren nicht ratifiziert worden. Mit dem Änderungsprotokoll wurden auch die Haftungsgrenzen insgesamt erhöht. Die Kosten des Atomstroms würden steigen. Können Sie uns erklären warum Frankreich bisher zurückhaltend war und die Änderung nicht ratifiziert hat? Auch diese Frage noch mal in französischer Sprache:
Question: Avec le procès-verbal de modification du février 2004 à l’accord parisien devait être fixé que des exploitants des centrales atomiques et placements d’énergie nucléaire aussi pour des dommages portent responsabilité par une catastrophe de nature naissent comme ils dans Fukushima au déclencheur du désastre atomique était. Le procès-verbal de modification n’a pas été ratifié depuis dix ans. Avec le procès-verbal de modification, les frontières de responsabilité étaient aussi en tout augmentées. Les frais du courant atomique monteraient. Pouvez-vous nous expliquer pourquoi la France était réservée jusqu’à présent et n’a pas ratifié la modification ?

Und weiter wollten wir von der Ministerin wissen:

Französische Energieministerin Segolene Royal: Lächeln ist auch eine Antwort
Französische Energieministerin Segolene Royal: Immer nur lächeln ist auch eine Antwort

Frage: “Bisher regelt weder das Pariser noch das Wiener Übereinkommen einheitlich die Haftungsobergrenzen noch wo die Geschädigten ihre Schäden geltend machen können. Ist es nicht an der Zeit in der Europäischen Union hier für mehr Einheitlichkeit und Transparenz zu sorgen. Ist alles andere nicht eine Missachtung der Bürger der Union?”

Question: Jusqu’à présent, ni le Parisien ni l’accord viennois ne règle homogène les plafonds de responsabilité encore où les victimes ses dommages peuvent faire valoir. Si ce n’est pas à s’occuper au temps à l’Union européenne ici de plus d’unité et transparence. N’est tout pas autre un mépris des citoyens de l’union ?

In einer weiteren Frage haben wir ihr vorgehalten:

Frage: Das Institut de Radioprotection et de Surete Nucleaire (IRSN) hat die Schäden durch ein mit dem nuklearen Ereignis in Fukushima vergleichbaren Fall in Frankreich im Februar 2013 auf etwa 430 Mrd.€ geschätzt. Deutschland hat bisher eine Haftungsobergrenze durch einen gemeinsamen Fonds der Atomkraftwerksbetreiber bis zu 2,5 Mrd €. Die Obergrenze Frankreichs liegt bei etwa 90 Mio €. Müsste diese Summe in einem gemeinschaftlichen Europa nicht dringend angepasst werden?

Question: L’institut du Radioprotection et de Surete Nucleaire (IRSN) a estimé les dommages par l’un avec l’événement nucléaire dans Fukushima le cas comparable en France en février 2013 à quelques 430 milliards de €. Jusqu’à présent, l’Allemagne a un plafond de responsabilité par un fonds commun des exploitants de centrale atomique jusqu’à 2,5 milliards de €. Le plafond de la France se trouve à environ 90 millions de €. Est-ce que cette somme devrait être adaptée d’urgence dans l’Europe commune ?

Wir haben auf unsere Fragen von der französischen Energieministerin keine Antworten erhalten. Ihre Pressesprecherin, die sich erst bei uns telefonisch meldete, nachdem wir erklärt hatten wir würden das Verhalten der Ministerin nicht nur in Berlin bei der Bundesregierung , sondern auch bei den französischen Pressekollegen bekannt machen, erklärte uns sie stehe jeden Tag bei dem Kabinettschef der Ministerin „auf der Matte“ und frage wo die Antworten für das Interview blieben. Aber sie erhalte sie nicht. Lesen Sie dazu auch die Interviews mit Oettinger und Sylvia Kotting-Uhl:

Oettinger: Notfallpläne für den Winter und “Atom-Fan Oettinger ist da eine Fehlbesetzung”