Im Interview die Sprecherin der Grünen für Klimapolitik, Annalena  Baerbock , die wir zum 10-Punkte Fahrplan ihrer Partei zum Ausstieg aus der Kohle  befragt haben.

Annalena Baerbock MdB, Buendnis 90/Die Grünen im Bundestag: Das Papier trägt auch ihre Handschrift ...
Annalena Baerbock MdB, Buendnis 90/Die Grünen im Bundestag: Ein Spaziergang wird das nicht …

 Innerhalb von 20 Jahren soll Deutschland nach diesem Fahrplan sämtliche Kohlekraftwerke abschalten . Als Vorbild dazu soll der Ausstieg aus der Atomenergie dienen.  (Wir berichteten: Die Grünen: ‘Klar ist: Kohle hat keine Zukunft’, s. unten)

Frage: Schon vor Jahrzehnten gab es immer wieder Konzepte aus dem mit hohen Risiken behafteten Betrieb von Atommeilern auszusteigen. Nicht mal der Super-Gau von Nicht mal der Super-Gau von Tschernobyl 1986, für dessen Bewältigung immer noch Milliardengelder aufgebracht werden müssen, hat den endgültigen Anstoß gegeben. Erst der von Fukushima 2011 brachte die Wende. Die GRÜNEN wollen nun aus

Ein Atomunfall, ein Gau ... wäre für den ganzen Westen verheerend; bild U&E
Nicht der Gau von Tschernobyl, erst der Super-Gau von Fukushima führte in Deutschland zum ruckartigen Ausstieg aus der Atomenergie …  ; bild U&E

der Nutzung der Kohle aussteigen und haben dazu einen ausführlichen Fahrplan vorgelegt. Super-Gaus wie bei der Atomenergie gibt es bei der Kohle nicht. Haben Sie dennoch Hoffnung, dass der Plan der GRÜNEN  umgesetzt wird?

Baerbock:  Der Kohleausstieg ist der logische Schritt

nach dem Atomausstieg bei der Energiewende. Aber in der Tat: Die große Schwierigkeit bei der Klimakrise ist, dass wir die Folgen von zu viel CO2 in der Atmosphäre nicht unmittelbar sehen oder spüren.

Das durch den Klimawandel mitverursachte Schmelzen der Gletscher ist zu weit weg. Und nicht jeder bringt den Meeresspiegelanstieg gleich mit dem Kohlekraftwerk in Verbindung. Allerdings kommen aufgrund der Zunahme der Extremwetterereignisse auch bei uns, wie zuletzt der Tornado über Hamburg oder die katastrophalen Überschwemmungen in Süddeutschland, ja auch schon Fragen auf, wie das noch weitergehen soll. Und die Klimakrise ist bei Umfragen über die Sorgen und Ängste der Bevölkerung immer mit auf den vorderen Plätzen. Daher glaube ich, dass die Gesellschaft insgesamt dem Kohleausstieg relativ positiv gegenübersteht.

25.03.16 Pfeil für TextAber ein Selbstläufer wird der Kohleausstieg dennoch nicht…

Schließlich geht es um einen lang gewachsenen Industriezweig, um viel Geld, um Strompreise und auch um Arbeitsplätze.

Und diesen Gegenwind muss man aushalten. Die derzeitige schwarz-rote Bundesregierung ist dazu, auch aus ideologischen Gründen, nicht bereit. Für den Kohleausstieg braucht es daher uns Grüne in der Regierung.

Frage: Die Grünen regieren in verschiedenen Landesregierungen mit wie in NRW oder führen wie in Baden-Württemberg. In NRW wird in riesigen Tagebauen Braunkohle abgebaut. Johannes Remmel, Umweltminister der GRÜNEN dort, hat erst Anfang Juli

NRW-Umweltminister Johannes Remmel und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Sie kämpfen nun nicht nur gegen die belgischen Pannenreaktoren Doel und Tihange. Sie müssen gemeinsam auch den Ausstieg aus der Kohle bewältigen.
NRW-Umweltminister Johannes Remmel und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Sie kämpfen zur Zeit  nicht nur gegen die belgischen Pannenreaktoren Doel und Tihange. Sie müssen künftig gemeinsam auch den Ausstieg aus der Kohle bewältigen.

erklärt: „Wir nennen kein Schlussdatum für die Braunkohle“. Zeitgleich hatte NRW-Staatskanzleichef Lersch-Mense (SPD) erklärt, in welchem Zeitraum die weiterhin bestehenden Braunkohlevorräte von 3,3 Milliarden Tonnen abgebaut und verstromt würden, müsse der Betreiber RWE anhand der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheiden. Wird die Entscheidung den Konzernen überlassen, ob sie die Kohle im Boden lassen und wann sie die Förderung beenden wollen?

25.03.16 Pfeil für Text” Es wir ein harter Brocken für den Koalitionspartner …”

Baerbock: Die Energieversorgung ist ja eine gesamtdeutsche Aufgabe, daher müssen die zentralen Weichen für den Kohleausstieg ähnlich wie beim Atomausstieg vor allem auf Bundesebene gestellt werden.

Etwa durch eine Änderung des Bundesberggesetzes, um neue Braunkohletagebaue zu verbieten, das Abschalten von Kraftwerken, aber auch den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien, was ja Grundvoraussetzung für ein Ende der Kohle ist. Nichts desto trotz gilt es bis dahin alle Möglichkeiten auch auf Landesebene zu nutzen. Und da hat die Grüne Regierungsbeteiligung in NRW zum Beispiel dafür gesorgt, dass der Tagebau Garzweiler verkleinert wird, ein harter Brocken für den SPD Koalitionspartner, während in Brandenburg, wo ich herkomme, die SPD und Linke neue Tagebaue genehmigt haben.

Das zeigt, Politik kann und muss den Rahmen für den Kohleausstieg setzen. Denn es braucht für alle beteiligten Akteure, sei es die von Umsiedlung Betroffenen Menschen, die Arbeitnehmer als auch die Energiekonzerne, fossile wie erneuerbare, Planungssicherheit. Und zugleich muss Deutschland ja auch seine Klimaziele einhalten. Das geht nicht ohne einen konkreten Fahrplan zum Ausstieg.

Frage: In Baden-Württemberg soll mit Zustimmung der GRÜNEN, an ihrer Spitze GRÜNEN-Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Ausstieg aus der Kohlekraft, also dem klimaschädlichsten

Ministerpräsident Kretschmann
Ministerpräsident Kretschmann: Kohleausstieg bis Mitte des Jahrhunderts …

Energieträger, erst “Mitte des Jahrhunderts” vollbracht sein. In Ihrem Kohle-Ausstiegsplan planen Sie in zwanzig Jahren ausgestiegen zu sein. Zur Erinnerung: GREENPEACE hält einen Kohleausstieg Deutschlands schon 2025 für nötig, um noch im Rahmen des  1,5–Grad-Ziels zu bleiben. Führt der jetzt vorgelegte Ausstiegsplan nicht möglicherweise zu größeren Spannungen in der eigenen Partei?

25.03.16 Pfeil für TextBaerbock: Für diesen tiefgreifendem Umbau unseres Energiesystems gibt es keine Blaupause,

daher werden wir natürlich auch als Grüne Partei immer wieder intensiv über die Frage, was, wann, wie schnell durchsetzbar ist, diskutieren und ringen.

Und wir sind ja auch nicht alleine auf dem Spielfeld: da gibt es die Klimaziele, die Beschäftigten, die Unternehmen, die betroffenen Regionen und natürlich auch Koalitionspartner. Essentiell ist, jetzt den Kohleausstieg unumkehrbar einzuleiten. Wenn man aber nun allein darüber streitet, an welchem Tag ganz genau das letzte Kraftwerk vom Netz geht, begibt man sich aus meiner Sicht auf einen Nebenschauplatz. Da CO2 in der Luft kumuliert, ist es für das Klima nämlich vor allem wichtig, möglichst schnell die dreckigsten Kohleblöcke vom Netz zu nehmen und nur noch wenige länger laufen zu lassen, anstatt alle volle Pulle zu fahren, um dann am Ende einen früheren Endtag zu erreichen.

Entsprechend wollen wir mit unserem Vorschlag die CO2 Emissionen analog zu den Klimazielen drosseln, das heißt man muss dann an auch immer wieder überprüfen, ob man die Reduktion nicht doch noch weiter verschärfen muss, weil beispielsweise durch die jetzige Verweigerung der Regierung der Kohleausstieg zu spät begonnen wird. Genau das hat Greenpeace mit seinem Gutachten zu den 1,5 Grad, ja auch deutlich gemacht: Wenn wir jetzt nicht zügig deutlich reduzieren, dann wird es in ein paar Jahren zu einem ziemlich harten Schnitt kommen müssen.

Kein Spaziergang …

09.11.15 Flyer Paris WeltklimakonferenzFrage: Sind die Pariser Klimaziele mit Ihrem Ausstiegsplan aus der Kohle überhaupt noch zu erreichen?

25.03.16 Pfeil für TextBaerbock: Ja, aber das ist kein Spaziergang. Wie gesagt, CO2 reichert sich in der Luft an. Wenn wir das in Paris vereinbarte Ziel, die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad, zu begrenzen einhalten wollen, und das müssen wir, um unseren Kindern nicht einen zerstörten Planeten zu hinterlassen, dann gilt es jetzt, unverzüglich die dreckigsten Blöcke vom Netz zu nehmen. Zugleich muss der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen wieder absolute Priorität haben. Denn raus aus der Kohle heißt ja auch 100 Prozent erneuerbare Energien.

Lesen Sie dazu auch unseren Bericht: Die Grünen: ‘Klar ist: Kohle hat keine Zukunft