Ein nichtöffentlicher Brief sorgt für Wirbel hinter den Kulissen …; Bundesaußenminister Sigmar Gabriel

Ein Coup des amtierenden Bundesaußenminister Sigmar Gabriel: Während die Weltklimakonferenz in Bonn nach Wegen sucht den Klimawandel zu stoppen: Da warnt der amtierende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) – in welcher Funktion ist noch nicht klar – in einem  Brief an EU-Präsident Juncker vor dem Widerstand Deutschlands gegen zu scharfe Abgasvorschriften. Die Autobranche sei eine Schlüsselindustrie für Deutschland und weltweit Garant für Arbeitsplätze und Wachstum, heißt es in dem Schreiben, das inzwischen für Wirbel sorgt und auch in der Bundespressekonferenz am Mittwoch, 08. November, für intensivste Nachfragen sorgte wie man gleich lesen kann.  

Und dennoch, trotz des Gabriel-Briefes, erklärte der EU-Kommissar für Energie, Miguel Arias Cañete:  „Ich bin nicht unter Druck gesetzt worden, wir haben unsere Arbeit frei erledigt.“

Gabriel, der zuvor als Bundeswirtschaftsminister dem Kabinett angehörte,  hatte, in welcher Eigenschaft jetzt auch immer, an Juncker formuliert: „Mir ist es deshalb ein großes Anliegen, dass wir die Innovationskraft der Automobilindustrie nicht durch zu eng gestrickte EU-Gesetzgebung ersticken.“ Vom Außenministerium wurde signalisiert es sei kein öffentliches Schreiben und deswegen wollten sie selbst es nicht rausrücken. Obwohl es  schon da und dort vorlag.

Eine Absage erteilte Gabriel in dem Schreiben zudem Überlegungen, eine Quote für Elektro-Fahrzeuge einzuführen oder auch leichte Nutzfahrzeuge mit zu scharfen Reduktionszielen zu überlegen. Dieser Brief wurde publik zu einer Zeit in der die Teilnehmer an den Jamaika- Sondierungen auch in diesen Fragen nach gemeinsamen Positionen suchen und in Bonn die mehr als 20 000 Teilnehmer an der Weltklimakonferenz die Strategie festklopfen wollen wie der Klimawandel gestoppt werden kann.

In der Bundespressekonferenz erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert auf die Nachfrage  einer Journalistin wie die Bundeskanzlerin zu dem Thema stehe, ob sie

Solche Hypothesen fallen mir ja immer sehr schwer…; Steffen Seibert

generell die Notwendigkeit „ …eines wie auch immer gearteten neuen Reduktionsziels ‑ ich glaube, die genaue Größenordnung wird noch festgelegt ‑ für Neuwagen befürwortet.“ Das Hin und Her, das sich dort ergab, wurde auch teilweise vom Auswärtigen Amt  auf der eigenen Website veröffentlicht:

Antwort SEIBERT: Dazu kann ich Ihnen für die Bundeskanzlerin sagen, und ich bin überzeugt, dass das für alle Mitglieder der Bundesregierung gilt, dass wir die Auffassung haben: Eine wirksame Regelung für CO2-Grenzwerte bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen ist notwendig ‑ nur so können wir eine ausreichende Reduzierung von Treibhausgasen im Verkehr erreichen ‑, und wir wissen, welchen erheblichen Anteil dieser Faktor an unserer gesamten CO2-Bilanz hat. So können wir unsere Klimaziele in Deutschland und auf europäischer Ebene erfüllen. Was für uns alle auch gilt, ist, dass wir ehrgeizige Ziele wollen, die für die Industrie auch erreichbar sind. Heute ‑ ich glaube, in etwas weniger als einer Stunde ‑ wird die EU-Kommission ihren Vorschlag vorlegen. Sobald der vorliegt, wird die Bundesregierung ihn prüfen und darüber beraten.

Das war ein Brief des Außenministers …; Steffen Seibert, 2. v. links

Der Chefkorrespondent des Redaktionsnetzwerkes Deutschland, Dieter WONKA will wissen: Herr Seibert, der Außenminister hatte dem Kommissionspräsidenten einen Brief geschrieben. Kannte das Kanzleramt den vorher, wurde darunter ein grüner Haken gemacht, oder war das auf eigene Rechnung, und Sie haben es im Nachhinein erfahren?

SEIBERT betont: Das war ein Brief des Außenministers. Das, was für die Bundesregierung insgesamt zu sagen ist, habe ich hier gerade vorgetragen.

ZUSATZFRAGE von WONKA: Hätte der Außenminister, wenn wir in normalen Regierungszeiten und nicht in geschäftsführenden Übergangszeiten leben würden, das Kanzleramt um Information, Genehmigung bzw. Erlaubnis für seine Meinungsäußerung bitten müssen, oder ist das ein übliches Verfahren?

SEIBERT sibyllinisch: Solche Hypothesen fallen mir ja immer sehr schwer. Vielleicht hören wir dazu einfach das Auswärtige Amt.

Die stellvertretende Sprecherin des Amtes, Maria ADEBAHR (Auswärtiges Amt): Der

Weitere Spekulationen verbieten sich  …; Maria Adebahr

Bundesaußenminister hat sich in dieser konkreten Situation, in der in Brüssel eine Entscheidung, eine Beratung ansteht, so geäußert, wie er es getan hat. Ich glaube, weitere Spekulationen darüber, was gewesen wäre, wenn, verbieten sich da im Moment.

In dem Augenblick reagierte spontan die Sprecherin des Bundesumweltministeriums  LANGENBRUCH: Vielleicht kann ich dazu auch noch sagen, dass sich die Ministerin ja gestern über Reuters auch noch einmal zu dem Vorgang geäußert und einfach gesagt hat, dass dieser Brief und auch die Inhalte des Briefs nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt waren. Wir haben ja mit dem Pariser Klimaschutzabkommen ganz klare Vorgaben. Es muss eine Ambitionssteigerung im Verkehrssektor geben, der bislang noch nicht geliefert hat. Insofern warten wir einmal ab, was die Kommission heute liefern wird. Aber wir haben dazu eine grundsätzlich andere Auffassung als die, die Herr Gabriel gestern bekannt gegeben hat.

Ein anderer Journalistenkollege, Tilo Jung, von der Berliner Zeitung  will wissen: Frau Adebahr, warum mischt sich denn Herr Gabriel überhaupt darin ein?

ADEBAHR: Herr Gabriel hat das in seiner Funktion als Außenminister und Vizekanzler geschrieben, und das Auswärtige Amt ist auch für ein so wichtiges industriepolitisches Thema wie die Außenwirtschafts- und Exportförderung inhaltlich und auch in der Sache zuständig. Im Rahmen dieses Bereichs hat er das geschrieben.

JUNG will dann weiter wissen: Für die Außenwirtschaftsförderung usw. würden angemessene CO2-Ziele störend sein. So kann man das verstehen, ja?

Maria ADEBAHR vom Auswärtigen Amt dazu: Ich mache mir Ihre Wertung nicht zu eigen. Sie mögen Ihre Schlüsse ziehen. Der Außenminister hat sich so geäußert, wie Sie es gelesen haben. Dem habe ich im Moment nichts hinzuzufügen.

Friederike Langenbruch: Als Außenminister hat er seine Formulierung wohl nicht gemacht …; bild adv

Daraufhin greift Friederike LANGENBRUCH ein: Die Federführung bei diesem Thema hat auf jeden Fall das Umweltministerium.

Und auf die Frage : …ob das Außenministerium im Anschluss an solche gemeinsamen Positionen in Kenntnis gesetzt wird?, erklärt sie:

Die Ministerin hat ja gestern gegenüber Reuters gesagt, dass sie nicht versteht, in welcher Eigenschaft sich Außenminister Gabriel geäußert und solch einen Brief geschrieben hat. Als Außenminister hat er seine Formulierung wohl nicht gemacht und auch nicht den Brief geschrieben.

Hinsichtlich der Beratungen kann ich nur sagen, dass wir federführend sind und andere Ministerien mitberatend hinzugezogen werden. Ich müsste jetzt aber noch einmal danach fragen. Ich gehe davon aus, dass das Wirtschaftsministerium auf jeden Fall mitberatend ist, das Verkehrsministerium auch. Was das Außenministerium angeht, muss ich gerade ein Fragezeichen setzen. Das müssten wir gegebenenfalls nachreichen.

Dazu der Zuruf von Dieter  WONKA: Ich weiß ja, dass er nicht zuständig ist. Aber das will halt keiner sagen, das ist das Problem!