Es gibt mindestens sechs Gründe, die für den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 sprechen. Das erklärte laut der von Moskau gesteuerten Nachrichten-Agentur „Sputnik-news“ am vergangenen Donnerstag, 09.November,  Alexander Frolow, Leiter des Instituts für nationale Energiewirtschaft, dem russischen Portal „rueconomics“.  So viel russisches Gas wie noch nie habe die EU im letzten Jahr importiert. Und in diesem Jahr werde der Rekord höchstwahrscheinlich noch übertroffen, betonte der Experte. Seit zwei Jahren nehme der Import russischen Gases in die EU beständig zu.

Ausgerechnet angesichts dieser Entwicklung, so Frolow,  erklärte nun  die EU-Führung, Nord-Stream 2 zu bauen, sei sinnlos: Das vorhandene Gasnetz reiche aus, zumal Flüssiggas-Lieferungen wettbewerbsfähiger würden. Überdies solle der Transit russischen Gases über ukrainisches Gebiet gefördert werden. Außerdem werde der Gasverbrauch in der EU zukünftig stabil bleiben, sodass Europa auf den Ausbau der Ostseepipeline verzichten könne – so argumentiert die EU-Kommission laut dem Portal.

Doch, „wenn sich die Lage weiter so entwickelt, steigt der Gasexport auf über 200 Milliarden Kubikmeter an“, sagte Branchenkenner Frolow. Hoffnung macht sich Moskau ganz offensichtlich auch aufgrund der vorgezeichneten Dekarbonisierung, die auch in Deutschland ihre Spuren hinterlassen wird, wenn erst weitere Kohlekraftwerke stillgelegt werden müssen. Aus diesem Grund nämlich stützt Frolow  seine Prognose auf den Kohleausstieg nicht nur Deutschlands, sondern auch anderer  EU-Länder. Er verweist aber zunächst darauf, dass allein in Deutschland heute bis zu 44 Prozent des Stroms in Kohlekraftwerken erzeugt würden. Frolow unterschlägt allerdings dabei, dass der Kohlestrom in den EU-Ländern durch Erneuerbare ersetzt wird.

Mit Überzeugung, aber auch mit schönen Bildern hat Moskau bisher für seinen Gasgiganten Gazprom und dessen Gaspipeline Nord-Stream 2 geworben…, Bild Sputnik

Deshalb erklärt er auch : Ob die Zunahme des Gasimports aus Russland aber eine langfristige Entwicklung sei, könne nicht prognostiziert werden. „Hier sei an die Prognosen renommierter Energiekonzerne Anfang der 2000er Jahre erinnert. Sie haben durchweg vorhergesagt, der Gasverbrauch in Europa werde nur steigen. Und sie alle lagen falsch damit. Die Entwicklung erneuerbarer Energien hatte eingesetzt, der Gasverbrauch ging insgesamt zurück. Das ist ein Beleg dafür, dass Prognosen für die nächsten zwei Jahre nicht nachprüfbar sind.“

Was man jedoch wisse: „Die Gasförderungen in der EU geht zurück. Selbst wenn der Verbrauch dann auch sinken sollte, muss immer noch mehr Gas auf den Außenmärkten eingekauft werden“, so der Experte – und dies sei eben ein weiterer Grund, warum die EU Nord Stream 2 brauche.

Was die Flüssiggas-Lieferungen anbelangt, sagte der Branchenanalyst Folgendes: „Auf dem Höhepunkt der Prognosen über zunehmenden Gasverbrauch in Europa, sind dort nicht nur zahlreiche Gaskraftwerke entstanden, sondern auch eine Menge Flüssiggas-Terminals. Rein technisch könnte die EU heute schon russischen Gas durch LNG ersetzen. Aber sie macht es nicht, weil Flüssiggas unterm Strich teurer ist.“

Ein weiteres Argument für den Bau der geplanten Gaspipeline Nord-Stream 2 liefere nicht zuletzt die EU-Kommission selbst, erklärte der Experte und spekuliert dabei: „Alle Kommissionsmitglieder werden bis 2019 ihre Ämter niederlegen.“ Was dann, nach 2019 mit der Gasversorgung Europas geschehe, werde zum Probleme ihrer Nachkommen. Die amtierenden Politiker aber – und dies sei eine Tatsache – seien nicht daran interessiert, „die Lage nach 2019 zu Europas Gunsten zu bewerten“, so Frolow.

Sein Fazit: Offensichtlich tue die EU-Kommission so, als verstünde sie nicht, wofür Nord Stream 2 gebaut werden solle. „Sie glauben wohl, die Pipeline werde zusätzlich zum bestehenden Transitnetz verlegt. tatsächlich aber ist sie notwendig, um Europäern jene technischen Risiken zu nehmen, die mit dem Transit durch die Ukraine einhergehen.“

Das ukrainische Gasnetz sei unterfinanziert, betont der Experte. Gazproms Vorschläge zur Modernisierung des Netzes hatte die ukrainische Führung Mitte der 2000er Jahre abgelehnt. Indes würden die Gasleitungen immer älter und verschlissener, „weil zu wenig investiert wird.“