Die EU-Kommission will alle Fragen allein regeln, die mit dem möglichen Bau der Pipeline Nord Stream 2 verbunden sind, schreibt die russische Zeitung “Nesawissimaja Gaseta” bereits am Montag, 13. November,  und wurde mit dem Bericht von der von Moskau gesteuerten Nachrichten-Agentur Sputnik-news zitiert. Die Zeitung bezieht sich mit ihrem Bericht auf  polnische Medien die berichteten EU-Ratspräsident Donald Tusk habe die EU-Spitzenpolitiker aufgerufen, die Arbeit für ein Verbot dieses Projekts zu intensivieren. Allerdings hätten noch nicht alle seinen Brief erhalten, sodass der

Viel kritischer gegenüber dem Projekt …; Norbert Röttgen

Wortlaut,  der der Zeitung wohl vorgelegen hat,  noch nicht veröffentlicht werden konnte. „Nesawissimaja Gaseta” zufolge habe vor allem Deutschland bis zuletzt das neue Projekt des russischen Energieriesen Gazprom unterstützt. Aber nach der jüngsten Bundestagswahl und angesichts der  Jamaika- Koalitionsverhandlungen sehen die Nord-Stream-2-Perspektiven eher nebulös aus, zitiert  Sputnik aus dem Bericht. Dabei warteten die europäischen Teilnehmer dieses Projekts ausgerechnet auf Berlins Wort.

In Berlin gibt es aber offenbar keine einheitliche Meinung zu dieser Frage mehr,  bilanziert  Nesawissimaja Gaseta. Vor allem wechsele die SPD, die bisher der größte Verfechter von Nord Stream 2 gewesen sei, nach der Bundestagswahl im September in die Opposition. Die Zeitung zitierte auch den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, der sich überzeugt zeigte, dass die neue Bundesregierung viel kritischer gegenüber diesem Projekt eingestellt sein werde.

Im Bericht heißt es weiter,  dass die SPD „der absolute Diener“ von Nord Stream 2 gewesen sei, habe seinerseits der Abgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne) gegenüber der „Financial Times“ erklärt und versicherte, dass seine Partei bei den Koalitionsgesprächen gegen dieses Projekt auftreten werde. Das „Handelsblatt“ stellte angesichts dessen fest, es sei immer noch unklar, wie die „Jamaika“-Koalition in Bezug auf die potenzielle Pipeline vorgehen werde, da es in der CDU/CSU und der FDP sowohl Anhänger als auch Kritiker dieses Projekts gebe.

Unklar was die Jamaika-Koalition machen wird …; Reinhard Bütikofer

Die Nord-Stream-2-Debatte spitzte sich auch nach der jüngsten Erklärung der EU-Kommission wieder zu, dass das sogenannte „Dritte Energiepaket“ novelliert werden müsste, ausgerechnet um den Bau bzw. Betrieb des neuen Nord-Stream-Strangs zu kontrollieren. Im Sinne der aktuellen Fassung des „Dritten Energiepakets“ hat Brüssel keine Möglichkeit, den Pipelinebau in der Ostsee zu beeinflussen, weil seine Vollmachten nur auf dem Festland gelten, während im Neutralgewässer das UN-Seerechtsübereinkommen gilt und im Territorialgewässer die jeweiligen Länder (gegebenenfalls vor allem Russland und Deutschland) dafür zuständig sind.

Auch Frankreich, Österreich und die Niederlande waren bisher für das Projekt, auch weil ihre Energiekonzerne sich daran beteiligen. Polen und die baltischen Länder bestehen dagegen darauf, dass es sich bei Nord Stream 2 vor allem um ein politisches Projekt handele, das die Energiesicherheit der EU gefährde. Außerdem würde dann die Ukraine einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen wegen des ausfallenden Gastransits verlieren.

Die EU-Kommission hatte noch Anfang dieses Jahres versucht, die Zustimmung der Mitgliedsländer der EU einzuholen, um mit Gazprom über die Modalitäten des Nord-Stream-2-Abkommens zu verhandeln. Berlin gab damals jedoch klar zu verstehen, dass sich Brüssel nicht in diese Frage einmischen sollte. Jetzt aber hat sich die Kräftebilanz in der Bundesrepublik verändert.

Die Situation wird auch durch die Position Dänemarks erschwert, in dessen Parlament aktuell ein Gesetz behandelt wird, dem zufolge die Regierung bei der Zustimmung internationaler Wirtschaftsprojekte Rücksicht auf deren potenzielle Gefahr für die nationale Außenpolitik und Sicherheit nehmen sollte. Das Gesetz wird höchstwahrscheinlich gebilligt, was gewisse Probleme für Gazprom hervorrufen könnte. Der Finanzdirektor der Nord Stream 2 AG, Paul Corcoran, schloss angesichts dessen nicht aus, dass der Weg der neuen Pipeline verändert werden müsste.

Sollte die EU-Kommission am Ende des Tages ihre Initiative durchsetzen, würden sich Gazproms Investitionen in den neuen Nord-Stream-Strang erst später als geplant rentieren. Aber die vollständige Unterstellung des Projekts dem Dritten Energiepaket sei unwahrscheinlich, vermutete Alexander Basykin (Heads Consulting). Viel gefährlicher für Nord Stream 2 sind nach seiner Auffassung die neuen antirussischen Sanktionen der USA, die internationalen Unternehmen die Beteiligung an russischen Großprojekten untersagen.