Die Stadt Tübingen war in Sachen saubere Luft schon schneller als die Bundesregierung. Die Zeitung Politico  hatte gerade am Dienstag, 13. Februar einen bisher unveröffentlichten Brief der Bundesregierung an Brüssel veröffentlicht mit dem die Bundesregierung einer Brüsseler Klage vor dem Europäischen Gerichtshof durch die EU-Kommission wegen dauernder Übertretung der Grenzwerte der

Mit großer Freude ..., Boris Palmer , bild manfred grohe
Mit großer Freude …, Boris Palmer , bild manfred grohe

Luftverschmutzung zuvor kommen wollte. (Wir, U+E, haben berichtet) Darin heißt es, so berichtet Politico, der  Brief lag der Redaktion vor:  „In Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim gilt womöglich bald freie Fahrt für freie Öffi-Nutzer. In diesen fünf Städten sollen die Maßnahmen für sauberere Luft getestet werden, die die Bundesregierung der Kommission verspricht, bevor die erfolgreichen dann bundesweit ausgerollt werden“. (Wir, U+E, haben berichtet)

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer reagierte sofort nach Bekanntwerden des Schreibens am 14. Februar,  und richtete seinerseits an Schreiben an die Bundesregierung: „…mit großer Überraschung und Freude habe ich von Ihrem Brief an die EU‐Kommission erfahren, in dem Sie vorschlagen, modellhaft den kostenlosen Nahverkehr in Luftreinhalte‐Kommunen zu testen.Tübingen ist eine Luftreinhalte‐Kommune und ich möchte Sie darum bitten, Tübingen in diese Überlegungen mit einzubeziehen, denn wir haben etwas anzubieten, das keine andere Stadt in Deutschland derzeit vorliegen hat: ein fertiges, vom Gemeinderat intensiv diskutiertes Konzept für kostenlosen Nahverkehr.

In der Regierungspressekonferenz in Berlin, die  am gleichen Tag stattfand wie Palmer sein Schreiben abgeschickt hatte, verwies denn auch der Sprecher von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, Stephan Haufe, gleich darauf: „Es gibt mit Tübingen eine Stadt in Deutschland, die am Samstag einen Gratis-ÖPNV hat …“

Palmer  listete in seinem Schreiben bereits stolz die Erkenntnisse auf, die  Berlin erst  noch mit  sogenannten „Modellregionen“ gewinnen will, wie der Sprecher von Barbara Hendricks, Haufe,   in der Regierungspressekonferenz  äußerte. Palmer dagegen:   „Die Eckpunkte des Konzeptes sehen wie folgt aus: Für einen kostenlosen Nahverkehr in Tübingen müssten Fahrgeldeinnahmen von rund 9 Millionen Euro pro Jahr ersetzt werden. Durch die Beseitigung der Zutrittsbarriere Fahrpreis rechnen wir mit einem Drittel mehr Fahrgästen. Tübingen hat heute schon einen sehr gut ausgebauten ÖPNV, der 20 Millionen Fahrgäste pro Jahr transportiert.

Mit dem Bus in die Stadt...? Bild U +E
Mit dem Bus in die Stadt…? Hier Düsseldorf:Bild U +E

Mit dem ticketfreien Nahverkehr rechnen wir mit ca. 7 Millionen zusätzlichen Fahrgästen im ersten Jahr. Entsprechend sehen wir vor, die Kapazität des Busverkehrs um ein Drittel auszubauen. Das ist kurzfristig möglich, weil Tübingen nur Busse im Nahverkehr einsetzt. Die Mehrkosten hierfür belaufen sich auf rund 6 Millionen Euro. Dafür könnten wir eine Mobilitätsgarantie im Stadtgebiet einführen: maximal 300 Meter zur nächsten Bushaltestelle und dort mindestens alle halbe Stunde ein Bus.“

Das Tübinger –Konzept ist auch weiter durchgetaktet: „Auf den Hauptlinien im Stadtgebiet könnten wir vom heute üblichen 15‐Minuten‐Takt auf einen Zehn‐Minuten‐Takt verdichten. Der Qualitätssprung würde weitere Fahrgäste anlocken.

Kostenloser Nahverkehr als billigste Möglichkeit

Palmer gibt sich in seinem Schreiben an die Bundesregierung überzeugt, „…, dass der kostenlose Nahverkehr die billigste Möglichkeit ist, Autofahrten in unseren Städten zu vermeiden. Denn der kostenfreie Zutritt kostet gar nichts, das ist nur eine Umfinanzierung, weg von den Nutzern, hin zur solidarischen Förderung wie bei der Schule oder der Universität.“

Mehrkosten entstehen, laut Palmer,  nur, wenn tatsächlich wesentlich mehr Menschen den Bus nutzten.

„Auch der Gemeinderat der Universitätsstadt Tübingen hat sich mehrheitlich positiv zu einem solchen Vorhaben positioniert“, stellt Palmer in seinem Schreiben fest und verweist darauf, dass  „ …der Gemeinderat beschlossen hat, mit der nächsten Kommunalwahl eine Bürgerbefragung zu diesem Thema durchzuführen.“

Trotzdem die billigiste Möglichkeit ...
Trotzdem die billigiste Möglichkeit …

Außerdem habe der Gemeinderat 200.000 Euro bereitgestellt für die kostenlose Busnutzung an Samstagen im Tübinger Stadtgebiet. „Dieses neue Angebot haben wir am vergangenen Samstag im Beisein von Verkehrsminister Winfried Hermann gestartet.“ Bisher hat Tübingen allerdings an zwei Samstagen den kostenlosen ÖPNV getestet. Echte, in jeder Hinsicht belastbare  Ergebnisse liegen also noch nicht vor.

Palmer verweist in seinem Schreiben aber auch auf die rechtliche Lage: „Bislang fehlt uns allerdings die Rechtsgrundlage für die Finanzierung durch eine Nahverkehrsabgabe. Sollte der Bund hier nun handeln wollen, so stünde mit der Universitätsstadt Tübingen eine politisch und sachlich bestens vorbereitete Kommune für eine schnelle Umsetzung zur Verfügung. Dies umso mehr, wenn für die Modellkommunen auch ein besonderer Bundeszuschuss zur Verfügung gestellt werden könnte.“