Interview mit Remo Klinger, Anwalt der Deutschen Umwelthilfe, der vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig das Urteil erstritten hat, dass Städte zur Senkung der Stickoxid-Belastung als letztes Mittel Fahrverbote für Dieselautos verhängen dürfen. Viele Menschen zahlten bisher mit ihrem Leben, weil „…es der Automobilindustrie offenkundig egal war, welche gesundheitlichen Folgen ihre Produkte hatten “,  betont Prof. Dr. Remo Klinger, der Anwalt der Deuten Umwelthilfe (DUH) in unserem Interview mit ihm. Klinger hat in unserem Interview auch darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in bestimmten Fällen aber bereits entschieden habe, dass die Beweislastumkehr gelte. Es könnte also auch dazu kommen, dass die Automobbilwirtschaft beweisen muss, dass sie nicht für die Todesfälle verantwortlich ist, die bisher aufgelistet werden.   Denn: Nicht eingehaltene Abgaswerte  kosten jedes Jahr weltweit 38.000 Menschen das Leben – 11.500 davon in Europa, berichtete auch das deutsche Ärzteblatt. Jetzt  kommt es sicherlich erst einmal nur  zu Fahrverboten.

Erstritt vor Gericht ein Urteil das für die Automobilindustrie Geschichte schreibt, ...; Anwalt Prof. Dr. Remo Klinger(rechts) mit Jürgen Resch ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH)
Erstritt vor Gericht ein Urteil, das für die Automobilindustrie Geschichte schreibt, …; Anwalt Prof. Dr. Remo Klinger(rechts) mit Jürgen Resch, er  ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), bild duh

Klinger hat erst kürzlich ein Urteil vorm Bundesverwaltungsgericht Leipzig erstritten nachdem Dieselfahrer ihre Autos sauberer machen müssen. Die durften bisher auch nur fahren, weil Teile der Automobilwirtschaft bei den Abgaswerten geschummelt, getrickst und getäuscht hat.

Neben denen, die bereits mit ihrem Leben gezahlt haben, zahlen  nun auch noch   in jedem Fall die Dieselfahrer? Oder wie wird und muss es weitergehen? Das und einiges mehr haben wir Anwalt Remo Klinger im Interview gefragt. Wir haben auch gefragt, ob der Fall es Bauern aus Peru einen Hinweis geben könnte wie die Haftungsfrage von Konzernen  der den RWE-Konzern verklagt hat, weil die Emissionen seiner Kohlekraftwerke zum Schmelzen eines Gletschers beigetragen haben sollen, dessen Schmelzwasser zum Überlaufen eines Gletschersees beitragen und das Haus des Bauers in unmittelbarer Nähe bedrohen.  „Klimaschäden können eine Unternehmenshaftung begründen”, hatte   die Anwältin des Bauern,  Roda Verheyen (Hamburg), nachdem das Oberlandesgericht Hamm die Klage zugelassen hat und in die Beweisaufnahme eintritt.

Hier unsere Fragen und die Antworten von Prof. Dr. Remo Klinger:

Frage: “Der Gesundheitsschutz genießt einen hohen Wert in der Verfassung”, hatten Sie, Herr Klinger, als Anwalt der der Deutschen Umwelthilfe (DUH) noch  am Vormittag in Leipzig, noch bevor das Bundesverwaltungsgericht  das Urteil in Sachen Diesel-Fahrverbote erteilt hatte, laut Stern-Bericht geäußert. Ist aus Ihrer Sicht nun mit dem gefällten Urteil des Gerichts dem Gesundheitsschutz Genüge getan?

Klinger: Mit dem Urteil steht den Behörden nunmehr endlich ein Instrument zur Verfügung, mit dem sie die Grenzwerte schnellstmöglich einhalten können. Das Urteil allein macht die Luft aber nicht so sauber, wie es die Grenzwerte verlangen. Wenn ich mir die Äußerungen nahezu aller Spitzenpolitiker nach dem Urteil anhöre, denkt man offenbar immer noch, man könne zunächst alle möglichen anderen mittel- oder langfristig wirkenden Maßnahmen ausprobieren, bevor man, als letztes Mittel, zu Fahrverboten greift. Das Gegenteil ist der Fall. Andere Maßnahmen sind nur noch zulässig, wenn mit ihnen der Grenzwert schneller eingehalten werden kann als mit Fahrverboten. Welche anderen

... Dieselfahrverbote ... und dann...? Ist das alles?
…Dieselfahrverbote … und dann…? Ist das alles?

Maßnahmen tatsächlich schneller wirken sollen, hat mir noch keiner erklären können. Insofern gehe ich davon aus, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, um das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umzusetzen. Erst dann ist dem Gesundheitsschutz Genüge getan.

Frage: Ist es nicht vielmehr so, dass vor allem die Automobilindustrie mit Schummeln, Täuschen und Tricksereien Vorsorge getroffen haben, um den Patienten, den Dieselfahrern und denen, die die Emissionen einatmen und womöglich sogar tödliche Krankheiten dadurch erleiden, zuvor noch eine teure Medizin zu verkaufen.: Nämlich, teure Umrüstungen und neue Dieselautos?!

Klinger: Selbstverständlich kann es nicht darum gehen, relativ neue Autos verschrotten oder auf anderen Märkten verkaufen zu lassen. Wo es technisch möglich ist, müssen die Autos in der Hardware so nachgerüstet werden, dass sie ebenso geringe Realemissionen haben wie durch den Grenzwert längst vorgesehen. Die dazu nötigen Kosten hat die Automobilindustrie zu tragen. Rechtlich ist dies auch möglich. Denn die Verwendung von Abschalteinrichtungen ist grundsätzlich unzulässig. Ich kenne keinen unabhängigen Juristen, der nicht von der Automobilindustrie bezahlt wird, der die Auffassung vertritt, das die bisher bekannten Abschalteinrichtungen, etwa aus Gründen des Motorschutzes, gerechtfertigt sind. Wenn das Kraftfahrt-Bundesamt in dieser Frage endlich zu einer sachlich zutreffenden Auffassung gelangt, muss es keine bloßen Software-Updates anordnen, sondern die Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Automobilindustrie verfügen. Und dies nicht nur bei VW, sondern bei allen Hersteller, die abschalten, von Opel bis Daimler. Damit wäre auch geregelt, dass die Autohalter diese Kosten nicht zu tragen haben.

Frage: Schon länger ist bekannt, dass Stickoxidemissionen zu schweren Krankheiten und  sogar zum Tod führen können. Dennoch  haben Teile vor allem der deutschen Automobilindustrie  es aus Kostengründen gescheut, die Autos entsprechend umzurüsten oder nachzurüsten. Sie haben sogar die Abgaswerte manipuliert, um Kosten zu sparen und höhere  Gewinne zu erzielen. Mord aus niederen Beweggründen, aus  Habgier?

 Wir brauchen den Umkehrbeweisbeschluss...: Die
Wir brauchen die Beweislastumkehr … : Die Autoindustrie muss beweisen, dass …Prof. Remo Klinger

Klinger: Mit dem Wort „Mord“ sollten wir vorsichtig umgehen. Uns fehlen sonst die Begriffe für andere Fälle. Sie werden daher Verständnis dafür haben, dass ich als Jurist diese Wortwahl nicht teile. Gleichwohl ist es vollkommen zutreffend, wenn Sie beschreiben, dass es der Automobilindustrie offenkundig egal war, welche gesundheitlichen Folgen ihre Produkte hatten. Allein dies ist ein Skandal. Noch größer wird der Skandal jedoch, wenn man bedenkt, dass die zum Schutz von Leben und Gesundheit berufenen Behörden noch nicht einmal nach Bekanntwerden des Problems ernsthaft einschritten und sich stattdessen immer noch so verhielten als seien sie die Marketingabteilung eine Aktiengesellschaft. Bis heute hat dieses Verhalten im politischen Raum keine Konsequenzen gehabt.

Frage: Das Oberlandesgericht Hamm  Bauern aus Peru. Wir haben immer wieder über den Fall des Bauern aus Perus berichtet. Der hat das RWE verklagt es trage mit den Emissionen seiner Kohlekraftwerke zur Gletscherschmelze nahe seines Hauses in Peru bei und der Gletschersee drohe sein Haus zu überschwemmen. Das Oberlandesgericht Hamm hat im Verfahren jetzt unmissverständlich klargestellt: Große Emittenten können für Folgen des Klimawandels zur Verantwortung gezogen werden. „Klimaschäden können eine Unternehmenshaftung begründen”, hatte seine Anwältin Roda Verheyen (Hamburg) unmissverständlich geäußert. Ein Beispiel für die rechtliche Lage bei Dieselgate?

Klinger: Sie sprechen die Frage an, ob ein durch Stickstoffdioxid belasteter Anwohner einer Hauptverkehrsstraße, der unter gesundheitlichen Problemen, etwa Asthma, leidet, einen Schadensersatzanspruch gegenüber einem Automobilunternehmen durchsetzen könnte. Dies wäre die mit dem peruanischen Bauern vergleichbare Konstellation. Auch darüber habe ich mir Gedanken gemacht. Die wesentliche rechtliche Schwierigkeit besteht sicherlich in der Beweisbarkeit der Kausalität. Das heisst also, der Kläger muss beweisen, dass seine Erkrankung unmittelbar auf die Stickoxide derjenigen Autos zurückzuführen sind, deren Hersteller er verklagt. Dieser Beweis ist naturgemäß schwieriger als der durch den peruanischen Bauern zu führende Beweis. Asthmaerkrankungen sind zwar erwiesenermaßen auf Stickstoffdioxidbelastungen zurückführbar. Sie sind es aber nicht monokausal, nicht allein. Es könne noch andere Ursachen zu der Erkrankung geführt haben. Gleichwohl: Der BGH hat bereits entschieden, dass jedenfalls dann, wenn Unternehmen Immissionsschutzvorschriften nicht eingehalten haben, eine Beweislastumkehr gilt.

…In diesem Fall hätte der Autohersteller zu beweisen, dass die Erkrankung nicht auf die Stickstoffdioxidbelastung zurückgeht. Volkswagen hat erwiesenermaßen gegen Immissionsschutzvorschriften verstoßen. Ein solches Verfahren ist also sehr wohl denkbar, wenngleich es bisher noch nicht entschieden wurde.