Putin- dreht er den Gashahn auf oder zu?

Ist er so stark wie er sich fühlt?
Ist er so stark wie er sich fühlt?

Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen in die EU.  Marschieren die Russen doch noch in die Ost-Ukraine ein und drehen Europa zudem auch noch den Gashahn zu. Wäre das der Energie-Gau?  Die BASF-Tochter Wintershall stellt in einer erst kürzlich veröffentlichten Faktensammlung zu ihrem langjährigen Engagement in Russland fest: „Ohne Russland ist die jetzige und vor allem die künftige Versorgung Deutschlands und Europas mit Gas nicht zu gewährleisten.“

Wintershall ist das einzige deutsche Unternehmen das seit Begin des Jahrtausends Erdgas in Russland, genauer gesagt in Sibirien, fördert. Deutschland bezieht mehr als ein Drittel seines Gasverbrauchs aus russischen Erdgasfeldern. Ähnlich hoch ist der Bezug für ganz Europa, wobei einzelne Länder unterschiedlich abhängig sind. Um nur einige zu nennen: Ungarn bezieht mehr als 80Prozent, die Slowakei fast 92 und Bulgarien gar 98 Prozent seiner Erdgaslieferungen aus Russland. Immerhin 40 Prozent der russischen Erdgaslieferungen fließen durch die von Unruhen geschüttelten Ukraine, die bisher ihre Gasrechnung gegenüber der russischen Gazprom bisher nicht gezahlt hat. Der russische Gazprom-Chef Alex Miller hat im Beisein von Regierungschef Alexander Medwedjew für den 3. Juni angedroht den Gashahn zuzudrehen, sollte Kiew bis dahin nicht die Gas-Rechnung in Höhe von rund 3,5 Mrd Dollar für Lieferungen von Gazprom an die Ukraine gezahlt haben.

19.05.14 Sitz Gazprom
Der Sitz des Unternehmens Gazprom

Gazprom ist das weltweit größte Erdgasförderunternehmen. Mit 110 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung ist das Unternehmen eines der größten in Europas. Die Aktiengesellschaft, an der der russische Staat 50 Prozent der Anteile und eine Aktie besitzt, und auch im Aufsichtsrat die Mehrheit der Sitze hält, beschäftigt rund 445.000 Mitarbeiter und ist damit der größte Arbeitgeber des Landes. Der Unter-nehmenssitz befindet sich in Moskau.
Deutschlands und auch Europas Abhängigkeit von diesem Erdgasriesen kann nicht von heute auf morgen beendet werden. Dazu hat man sich in der Vergangenheit viel zu sehr darauf verlassen, dass schon alles gut gehen wird. Dass Gazprom immer lie-fert, auch wenn’s mal kritisch wird. Hat also die heftig genossene und von Gazprom willfährig angebotene Droge Russen-Gas das klare Denken der Verantwortlichen in den Spitzenetagen der Industrie und der Politik in Deutschland, ja in Europa vernebelt? Und, tauchte in ihrem Gedanken-Nebel dann doch mal, vielleicht noch ein wenig verschwommen zwar, dafür in umso bedrohlicheren Bildern hin und wieder die Erkenntnis auf: Wir haben zu viel von der Droge genommen und dabei verkehrte Entscheidungen getroffen? Wenn ja, dann wurden diese bedrohlichen Vorstellungen beiseite gewischt von den Bildern der Milliarden Rubel die für die Gas-lieferungen in russischen Schatullen verschwanden. Darauf würde doch in Moskau niemand verzichten wollen, war man sich wohl sicher.

Kanzler Kohl stellte die Weichen für mehr sowjetisches Erdgas

Dass er so oder ähnlich vernebelt gedacht und gehandelt haben müsse, wirft Christoph Schwennicke, er ist Chefredakteur des Magazins CICERO, ein Blatt, das laut eigener Beschreibung für politische Kultur stehen soll, überraschenderweise vor allem einem aus der Schar der Spitzenpolitiker, die berauscht von der Russen-Droge Erdgas gewesen sein könnten, ganz dezidiert vor. In einem Essay knöpft er sich Exkanzler Gerhard Schröder vor und wirft ihm vor Deutschland schweren Schaden zugefügt zu haben. In einer Mischung aus geostrategischer Naivität, Senti-mentalität und persönlicher Eingenommenheit habe er während seiner Kanzlerzeit die energiepolitische Zukunft seines Landes in die Hände von Wladimir Putins Russland gelegt. Ein Vorwurf jedoch, der, wenn man ihn näher prüft und sich vor allem die Schar der anderen Kanzler ansieht, die wie Helmut Schmidt, Helmut Kohl oder Angela Merkel dafür gesorgt haben, dass Russen-Gas möglichst ohne Begren-zung der Menge durch deutsche Erdgas-Röhren, von bundesdeutschen Firmen produziert, ins Land strömen konnte, so viel wiegt wie die Feder eines Kanarien-vogels auf der Kartoffelwaage. Kohl hat bei seiner Visite im Kreml, im Juli1983, also noch vor der Zeit von Schröder, nicht nur die Weichen für die verstärkten Erdgasbe-züge aus Moskau gestellt er verhandelte da, sehr zum Missvergnügen der USA, auch mit dem neuen Staatschef Juri Andropow über andere Energie-Großprojekte.
Erstmals im Jahr 2006, zu Kanzler Schröders Zeit und auch 2009, Angela Merkel führte da bereits die Regierungsgeschäfte, hat es aufgrund von Zahlungsschwierig-keiten der Ukraine gegenüber Gazprom Engpässe bei der Erdgas-Lieferung aus Moskau gegeben. An der Abhängigkeit vom Moskauer good will wurde zu keiner Zeit etwas geändert.
Die gegenwärtigen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in der Ukraine reizen aber nicht nur Chefredakteure sich auch mal in dem Zusammenhang mit dem strategischen Thema Russen-Gas zu befassen. Auch Bosse an deutschen Vor-standstischen, Stammtischpolitiker und solche aus allen Parteien an Regierungs-tischen versuchen in aller Offenheit, vor allem aber hinter verschlossenen Türen, durch die dennoch immer wieder auch Alarmrufe, Warnungen und Beruhigungsver-suche gleichermaßen nach draußen dringen, die strategischen Winkelzüge von Russlands Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin in diesem. Zusammenhang zu deuten.

„Dann kann es so was wie eine Eiszeit geben“

Edmund Stoiber , Ex-Kanzlerkandidat und vormaliger bayerischer Ministerpräsident, noch bis Oktober des Jahres verfolgt er im Zentrum der europäischen, politischen Meinungsbildung, in Brüssel, mit Akribie den Abbau von Bürokratievorschriften, be-stätigte in einem Interview mit der BILD- Zeitung in aller Offenheit diesen Eindruck, dass eben Niemand nichts Genaues über Putins Absichten weiß. Sicher ist man sich nur, dass sie im Moment nichts Gutes bedeuten.
Gefragt, ob er eine Invasion der Ost-Ukraine durch die Russen für wahrscheinlich halte, gab Stoiber die aufschlussreiche Antwort: „Das ist die spannende Frage im Moment.“ Sicherer war er sich da schon bei der Frage, ob es einen neuen ‚Kalten Krieg‘ geben könne. Stoiber folgerte: Wenn die Konfrontation Russlands weiter gehe und es auch weitere Sanktionen seitens des Westens gebe: „Dann kann es so was wie eine Eiszeit geben.“
Auch von der Eiszeit versteht Stoiber etwas. Er war seinerzeit, Anfang der Achtziger, Leiter der Staatskanzlei von Ministerpräsident Franz-Josef Strauß. Der hätte es gern gesehen, wenn Deutschland in der Zeit des Kalten – Krieges über Atomwaffen verfügt hätte, um dem Osten, den Sowjets, Paroli bieten zu können.
Die Einschätzung, dass es wieder zu ähnlichen politisch kühlen Lagen kommen könne , wie zur Zeit von Strauß, teilt auch die Energie-Expertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert.   In der Sendung von plusminus im Ersten, am zweiten April, äußerte sie die Befürchtung, „dass wir in eine politisch schwierige Situation kommen, in der Russland Energie als politische Waffe einsetzt. Nicht nur gegen die Ukraine, vielleicht sogar direkt gegen Europa.“ Die Rohstoffabhängigkeit von Russland stuft Kemfert als Risiko ein.

„Mehr Abhängigkeit oder mehr Frieden?“

Um die gegenwärtige Entwicklung besser einschätzen zu können, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Denn, in ähnlichem Zusammenhang tauchte bereits vor rund dreißig Jahren das Thema Russen-Gas, tauchten auch die heute wieder heftig diskutierten Fragen und Probleme dazu auf. Einschätzungen und Antworten auf gezielte Fragen, die damals dazu von sowjetischen Spitzenpolitikern gegeben wurden, haben bei näherem Hinsehen heute noch weitestgehend Gültigkeit.

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Im Jahr 1981, zum Start eines weiteren Vertrages mit den Sowjets über noch mehr Erdgaslieferungen, überschrieb das Fachmagazin Bonner Energie-Report (BER) in seinem Blatt sogar noch eine Geschichte mit dem damals gängigen Bonmot: „Entweder sie liefern oder sie kommen.“ Aber auch damals schon stellte das Blatt auf dem Titel einer Sonderausgabe die Frage: „Sowjet-Gas, mehr Abhängigkeit oder mehr Frieden?

Es ging um Polen. Massive Streiks hatten im ganzen Land für massive Unruhen gesorgt. Das Kriegsrecht wurde ausgerufen. Die Frage: Würde der Kreml, würde Staatschef Leonid Breschnew und wenig später Nachfolger Juri Andropow, zuvor KGB-Gewaltiger, die in Polen stationierten Militäreinheiten in Marsch setzen, beherrschte die öffentliche Diskussion. Bundeskanzler Helmut Schmidt orakelte seinerzeit: „… wenn es nicht gelingt, in Polen gewaltfrei zur Lösung zu kommen, wenn das nicht gelingt, ändert sich die Welt, auch für uns. Es ändert sich die Lage in Europa … Ich möchte nicht der voreilige Bote von Unheil sein, das vielleicht- und so hoffen wir doch alle – gar nicht eintritt.“ Das Unheil ist dann nicht eingetreten, aber auch damals vermochte niemand die weiteren politischen Entwicklungen richtig einschätzen.

Putin: Kohl erklärte ein Europa ohne Russland kann er sich nicht vorstellen!

Brüssel mischt sich zu sehr in die Weltpolitik ein
Brüssel mischt sich zu sehr in die Weltpolitik ein

Zu der Zeit, unmittelbar vor Kohls Visite beim sowjetischen Staatschef Juri Andropow im Kreml, habe ich im Kreml für den Bonner Energie-Report ein Interview mit. Kostandow gemacht. (klicken Sie auf die Titelseite Kanzler-Visite im Kreml, dort finden Sie das gesamte Interview und mehr). Kostandow, bemühte sich im Interview, die aufgeregten Gemüter in Deutschland zu beruhigen die befürchteten Moskau würde nicht nur in Polen einmarschieren, sondern auch den Europäern und damit auch Deutschland, den Gashahn zudrehen können. Er wies im Interview daraufhin: „… dass die Amerikaner ihre Partner einschüchtern: Treibt keinen handel mit den Russen, kauft nicht ihr Gas, sie können jederzeit den Hahn zudrehen.“ Er schloss seine Antwort mit dem Hinweis: „Übrigens sehen in uns bundesdeutsche Fir-men zuverlässige Partner, die nie ihr Wort gebrochen haben.“ Und er betonte: „Eine Zuspitzung der internationalen Lage verhindert die normale Zusammenarbeit, während eine Verbesserung der Wirtschaftsverbindung die Entwicklung der politischen Beziehungen wohltuende beeinflusst.“

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Der sowjetische Wirtschaftsminister beklagte aber auch bereits damals im Interview: „Die Amerikaner begannen gleich nach dem Krieg, rund um das sowjetische Territorium ihre Militärstützpunkte einzurichten. Hunderte befinden sich heute in der Nähe der sowjetischen Grenzen.“ Hat dieser Druck auf Moskau seit dieser Zeit nicht noch zugenommen?
Übrigens: Wir waren uns damals in der Redaktion ziemlich sicher, dass Kostandows Antworten auf meine Fragen, die ich zuvor schon einreichen musste, auf höchster politischer Ebene vorher besprochen worden sind.
Nicht uninteressant am Rande: Während seines Besuchs in Moskau traf Kohl auch mit dem Shootingstar der damaligen jungen Demokratiebewegung in der Sowjetunion, dem Bürgermeister von St. Petersburg, Anatolij Sobtschak, zusammen. Er war vor allem der Entdecker, Förderer und Lehrer von Russlands neuen Herrschern wie Putin und Medwedjew. Putin erklärt dazu in einem im Jahr 2000 erschienenen Buch mit dem Titel „Aus erster Hand“, Gespräche mit Wladimir Putin, Kohl habe mit Sobtschak etwa dreißig Minuten gesprochen. Er selbst habe übersetzt. Er könne sich zwar nicht mehr an alles erinnern, aber für ihn sei es besonders angenehm gewesen als Kohl betont habe, „dass er sich ein Europa ohne Russland nicht vorstellen könne.“

In der Zeit des ‚Kalten Krieges‘ zeigten sich Europa und der Osten aber nicht nur die kalte Schulter. Bundeskanzler Helmut Schmidt bestätigte denn auch zur gleichen Zeit damals: „Der Handel ist eine wichtige Brücke zur Verbesserung des Verständnisses und der Zusammenarbeit zwischen Ost und West in Europa.“ Dies hätten Kostandows Worte sein können.Helmut Schmidt hat nur ein wenig anders formuliert.
Worum ging es aber im Einzelnen, in der Sache? Noch während der Polenunruhen liefen die Verhandlungen zwischen Bonn und Moskau über weitere Gasbezüge aus der Sowjetunion. Deutsche Firmen sollten den Sowjets erneut Erdgas-Röhren liefern, im Gegenzug würde noch mehr sowjetisches Gas aus Sibirien nach Europa strö-men. So funktionierte das Geschäft seit 1970, auch in der Zeit des Kalten -Krieges, relativ reibungslos. Knapp zwanzig Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs kamen damals bereits aus der Sowjetunion. Die Laufzeit der Verträge betrug 20 Jahre, sie ging bis zum Jahr 2000. Weitere Verträge sollten Anfang der Achtziger, zu Beginn von Kohls Kanzlerzeit, nun hinzu kommen. Auch deshalb der Besuch bei Andropow im Kreml.

Deutsch-russische Geschäfte – Reizthema in Washington

Doch die USA, Präsident Reagan, versuchten das Geschäft mit den Sowjets, das in der Folge noch auf weitere Großprojekte wie zum Beispiel die Kohlehydrierung ausgedehnt werden sollte, zu torpedieren. Die Titelgeschichte des BER zum Kohl-Besuch in Moskau „Sibirien: Kohleveredlung mit deutscher Technologie“, bei dem es um die Realisierung dieser Großprojekte ging, wurde groß aufgemacht in der New York Times wiedergegeben. (Klicken Sie auch auf die Titelseite Gestern: Ente Heute: fetter Braten)

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Dieser Bericht der New York Times landete am Sonntagmorgen auf dem Tisch von US-Präsident Ronald Reagan und soll ihm nach unseren Informationen das Frühstück verdorben haben. Kostandow bestätigte im Interview mit mir, dass eine Periode , vergleichbar mit der Zeit des Kalten- Krieges eingetreten sei. Wörtlich erklärte er: „Die Quelle dieser Verschlechterung der Lage ist die Politik der Washingtoner Administration, deren Vertreter die Träger von Großmachtambitionen sind, den Stärkekult in den internationalen Beziehungen predigen und den Anspruch darauf erheben, die Welt nach eigenem Gutdenken zu verändern. Ein Ergebnis dessen war auch die Hinwendung der Vereinigten Staaten zur Erreichung der militärischen Überlegenheit über die UdSSR, zum „Kalten krieg“ und zu wirtschaftlichen Sanktionen. Ein Beispiel aus einem Bereich …wäre der Hinweis auf das Gas-Röhren-Abkommen, gegen das die Administration Reagan eine umfassende Diskriminierungskampagne entfesselt hat. Diskriminierend war diese Kampagne nicht nur uns gegenüber, sondern auch in Bezug auf die Verbündeten der USA.“

Die Geschäfte mit Sowjets wurden also damals bereits zum echten Reizthema zwischen Bonn und Washington. Schon damals wollten die USA verhindern, dass Technik des Westens die Sowjets stärkten. Um die Stimmung zwischen Bonn und Washington noch ein wenig zu verdeutlichen sei hier der damalige USA-Wirtschaftsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Steger, zitiert. Auf eine Interview-Frage des bereits erwähnten, seinerzeit bundesweit erscheinenden Magazins Bonner Energie-Report (BER), welche Maßnahmen denn die Amerikaner überhaupt hätten solche Geschäfte zu unterbinden, erklärte er, es gäbe eine Reihe von Ansatzpunkten. „Der empfindlichste wäre natürlich der, dass sie so weit gehen würden und mit dem Rückzug amerikanischer Truppen drohen oder ihre Präsenz in Berlin in frage stellen würden.“

Moskau reichert Uran für deutsche Atomkraftwerke an

Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff konstatierte gegenüber dem Energie-Report: „ Ich halte nichts von übertriebenen Berührungsängsten im Ost-West-Handel.“ Lambsdorff deckte mit dieser Aussage im Übrigen auch das Uran-Geschäft mit den Sowjets ab. Immerhin wurden in Moskau auch rund 55 Prozent des jährlich von deutschen Atomkraftwerken benötigten Urans angereichert.
Im Interview mit der Wirtschaftswoche präzisierte er deshalb: „Für uns sind es die Vereinigten Staaten von Amerika von denen wir Eingriffe in die souveränen Rechte anderer Regierungen nicht wünschen.“ Die Zitate und Schilderungen belegen wie kritisch die Verbündeten in Übersee die Ausdehnung des Handels mit den ‚Soww-jets‘ wie der erste Bundeskanzler der Republik mit rheinischem Akzent so unvergess-lich formulierte, beäugten. Bezogen auf das Sowjet-Gasgeschäft erklärte Lambsdorff: „ … es geht um westeuropäische, nicht nur um die deutsche Versorgung mit dem ‚Russengas‘, und das ist auch eine wesentliche Voraussetzung für das positive Echo, das die Verhandlungen deutscher Bankiers und Unternehmer in der Sowjetunion bei uns finden.“

Man hielt sich für gewappnet

Zudem glaubte man sich gegenüber eventuell doch möglichen Unregelmäßigkeiten der sowjetischen Lieferungen durch inzwischen angelegte Gasspeicher auf deut-schem Boden und auch durch das Umsteigen auf Öl gewappnet. Weil natürlich ein Risiko „Zero“ gleichwohl auf dieser Welt nie besteht, schrieb der ZDF-Reakteur Horst Wünsche in einem Beitrag für den BER, Wünsche hatte da bereits mehrere Reisen in die sibirische Tundra- und Eiswüste zu den Gasexplorationsfeldern hinter sich, nicht nur Gasspeicher sollten die Abhängigkeit vom Russen-Gas mindern.
Flüssiggas sollte deshalb zunehmend eine wichtige Rolle für unsere Gasversorgung spielen. Die deutsche Ruhrgas hatte sich schon seit 1972 technisch auf die Anlandung von Flüssiggas vorbereitet.
Mit der BP-Tochter Gelsenberg hatte sie eine Flüssiggas-Terminal-Gesellschaft (DFTG) in Wilhelmshaven gegründet. Bis zu den Polen-Unruhen Anfang der Achtziger hatte die Gesellschaft bereits mehr als 65 Millionen D-Mark für das Projekt aufgewandt und auch ein Grundstück am Jadebusen im Norden von Wilhelmshaven dazu gekauft. Die wichtigsten Genehmigungen waren bis zu dem Zeitpunkt erteilt. Es fehlten nur noch Detailgenehmigungen hieß es. Doch bis heute ist das Anlandungsterminal für Flüssiggas noch nicht realisiert. Das Grundstück der DFTG am Jadebusen liegt inzwischen verwildert brach. Deutschland könnte seine Abhängigkeit vom russischen Erdgas deutlich verringern – wenn denn endlich ein Hafen entstünde , um Flüssiggas anzulanden, schrieb jetzt die Süddeutsche Zeitung in einem Beitrag. Doch, wollte sich die Gesellschaft jetzt sofort entschließen das Projekt zu realisieren, müsste mit einer Bauzeit von mindestens drei Jahren gerechnet werden.
Nach dem Zerfall des Sowjetreiches wuchsen auch die deutsch-russischen Geschäf-te noch mal weiter an. Dies hatte Kostandow bereits Jahre zuvor prognostiziert. Auf meine Frage damals, während des Interviews im Kreml: „Was erwarten Sie vom Besuch des Bundeskanzlers Helmut Kohl in der UdSSR?“, Kohls Besuch wurde für Ende Mai 83 erwartet, antwortete der sowjetische Wirtschaftsminister: „ … unter anderem den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen.“

Der Westen hat schwere Fehler gemacht

Blickt man heute zurück und vergleicht die Probleme, die damals im Verhältnis zur Sowjetunion auftauchten, mit denen der Gegenwart, so wird deutlich, dass sie fast immer gleichen Ursprungs sind. Kostandow hat schon damals gewarnt: „ Die Amerikaner begannen gleich nach dem Krieg, rund um das sowjetische Territorium ihre Militärstützpunkte einzurichten. Hunderte befinden sich heute in der Nähe der sowjetischen Grenzen.“
Und, rückt heute nicht Europa, und damit auch Deutschland , im Verbund mit der NATO den Russen immer stärker auf den Pelz? US-Vizepräsident Biden sagt bei einem Besuch in Kiew der Ukraine Hilfe fürs Militär zu. Die Bild-Zeitung kann unwidersprochen schreiben: Agenten von CIA und FBI beraten Kiew im Auftrag der US-Regierung.
Harte Worte fand Ex- Kanzler Helmut Schmidt zum undiplomatischen Vorgehen der EU gegenüber Moskau. Er übte scharfe Kritik an der EU-Kommission. Brüssel mische sich zu sehr in die Weltpolitik ein, „… obwohl die meisten Kommissare davon kaum etwas verstehen”. Und: „Das jüngste Beispiel ist der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern”, sagte Schmidt mit Blick auf das Assoziierungsabkommen zwischen Brüssel und Kiew. „Sie stellen die Ukraine vor die scheinbare Wahl, sich zwischen West und Ost entscheiden zu müssen.”
Schmidt verurteilte in diesem Zusammenhang auch den Versuch, Georgien enger an die EU zu binden: „Zur Erinnerung“, mahnte er „Georgien liegt außerhalb Europas. Das ist Größenwahnsinn, wir haben dort nichts zu suchen!”

Putin vor dem deutschen Bundestag

Bereits am 25.September 2000, knapp vierzehn Tage nach dem Terror-Anschlag auf das World Trade Center in New York, erklärte Wladimir Putin in einer mit viel Beifall bedachten Rede vor dem Deutschen Bundestag: „Heute müssen wir mit Bestimmtheit und endgültig erklären: Der Kalte Krieg ist vorbei. Wir sind auf eine enge Handels- und Wirtschaftszusammenarbeit eingestellt. Wir haben die Absicht, in unmittelbarer Zukunft zum Mitglied der Welthandelsorganisation zu werden. Wir rechnen damit, dass uns die internationalen und die europäischen Organisationen dabei unterstützen. Ich bin überzeugt: Wir schlagen heute eine neue Seite in der Geschichte unserer bilateralen Beziehungen auf und wir leisten damit unseren gemeinsamen Beitrag zum Aufbau des europäischen Hauses.“
Der Westen sollte nun endlich damit anfangen!