Der Gastransitvertrag mit dem russisches Gas durch die Ukraine in Richtung Europa genehmigt wird, endet Ende diesen Jahres. Einigen sich der russische Energieminister und die Spitzen des russischen Gasgiganten Gazprom nicht über eine Verlängerung des Vertrages sieht es düster aus für Europa.

Andrij Kobolew zeigt sich sehr skeptisch ...;
Andrij Kobolew zeigt sich sehr skeptisch …;bild Alexander Maximenko

Der Chef des ukrainischen Gaskonzerns Naftogaz, Andrij Kobolew zeigte sich in einem Interview mit dem Handelsblatt am vergangenen Donnerstag, 01. August, zumindest mehr als skeptisch. So erklärte er: „… russische Vertreter sind nicht einmal zu den technischen Vorbereitungen für das trilaterale Treffen – Russland, Ukraine, EU – im Januar nach Brüssel gekommen.“  Und zur Perspektive erklärte er weiter: „ Sie haben die nächste Sitzung um Monate verschoben und noch nicht einmal ein Treffen im September bestätigt.“ Selbst wenn das Treffen doch nocht stattfindet bleibt für die Verhandlungen nicht mehr viel Zeit.

Wir haben deshalb  dazu Fragen an das Bundeswirtschaftsministerium gerichtet (BMWI) , um die Einschätzung des Ministeriums von Wirtschaftsminister Peter Altmaier zu der zu erwartenden Lage zu erfahren. Altmaier selbst befindet sich im Urlaub.

Die Antworten des Hauses auf unsere Fragen wurden uns am Freitag, 02. August, von der Presseabteilung übermittelt.

Frage: EU-Mitglied Dänemark blockiert schon länger den weiteren Bau der Pipeline Nord-Stream 2. Sollte Kopenhagen  den Bau weiter verzögern, dann könnte es passieren, dass Nord-Stream 2 zum Jahresende nicht fertiggestellt ist. Dann fallen auch weitere Kosten an. Wer zahlt die? Am Ende auch die Verbraucher in Deutschland ?

Antwort BMWI: Nord Stream 2 wird von einem Konsortium privatwirtschaftlicher Unternehmer realisiert. Die betriebswirtschaftliche Kalkulation ist Sache der Unternehmen. Generell ist darauf hinzuweisen, dass Erdgas ein global gehandeltes Gut ist und sich die Preise nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage bestimmen.

Frage: Die meisten Experten gehen aber auch davon aus, dass die Pipeline bis Ende des Jahres nicht fertiggestellt ist und somit auch kein Gas liefern kann. Ende des Jahres endet aber auch der Gas-Transit durch die Ukraine. Verhandlungserfolge  hat es bisher nicht gegeben. Es könnte also – im schlimmsten Fall – dazu kommen, dass Europa ohne Gas dasteht?

Antwort: Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist sehr hoch und seit Jahren konstant zuverlässig. Wir haben eine diversifizierte Versorgungsstruktur, auch beim Gasbezug. Nach Deutschland importiertes Gas kommt u.a. aus Russland, den Niederlanden und Norwegen. Auch die Pipelinestruktur für den

Import nach Deutschland ist diversifiziert. Außerdem verfügt Deutschland über die größten Gasspeicherkapazitäten in der EU und ist im weltweiten Vergleich die Nummer 4. Die Speicherkapazität in Deutschland beläuft sich auf ein Arbeitsgasvolumen von ca. 24,6 Mrd. Kubikmeter. Damit kann

Wir brauchen einen gasvertrag ...; Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, bild Steffen Kugler
“…Wir brauchen einen Gasvertrag …”; Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, bild Steffen Kugler

theoretisch ca. ¼ des deutschen Jahresbedarfs (ca. 95 Mrd. Kubikmeter) gedeckt werden. Die Speicher sind momentan gut gefüllt.

Darüber hinaus wird durch die Energiewende der Anteil erneuerbarer Energien weiter ansteigen, während die Importabhängigkeit weiter sinken wird. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland lag im 1. Halbjahr 2019 bei über 44% (Quelle BDEW).

Frage: „Wir brauchen einen Gasvertrag“, hat Minister Altmaier immer wieder im Zusammenhang mit dem Gastransit durch die Ukraine gefordert. Wer kann denn da Druck ausüben? Und wer verhandelt denn da? Die gleiche Frage gilt im Zusammenhang mit Dänemark. Kann die neue EU-Kommission,  wie der russische Außenminister Sergej Lawrow beim Petersburger Dialog in Bonn gefordert hat, Druck auf das EU-Mitgliedsland üben, damit der Bau von Nord-Stream 2 weitergeführt werden kann?

Antwort: Wie wir Ihnen bereits mitgeteilt haben, haben nach unserer Kenntnis an den Verhandlungen zum Gastransit durch die Ukraine bisher auf russischer Seite Vertreter von Gazprom (Gazprom Export) und dem russischen Energieministerium, auf ukrainischer Seite Vertreter von Naftogaz und dem ukrainischen Außenministerium sowie Vizepräsident Maroš Šefčovič als Vertreter der Europäischen Kommission teilgenommen. Es bleibt abzuwarten, wer nach dem Regierungswechsel in der Ukraine an den Gesprächen teilnehmen wird. Im letzten Sommer hatte Bundeswirtschaftsminister Altmaier alle o.g. Parteien gemeinsam mit der EU-Kommission zu einem die Gespräche flankierenden Austausch in das BMWi eingeladen (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2018/20180717-altmaier-russisch-ukrainische-energiegespraeche-auf-ministerebene-in-berlin.html).

Soweit Sie die Genehmigungsverfahren zu Nord Stream 2 ansprechen, bitte ich um Verständnis darum, dass wir die Entscheidungen der Genehmigungsbehörden und die Genehmigungsverfahren nicht kommentieren.

Frage: Ähnliche, brisante  Lagen hatte es bereits 2006, 2009 und 2014 gegeben. Die EU-Kommission hat  deshalb 2014 einen Stresstest bei den Mitgliedsstaaten durchgeführt und Vorkehrungen für den Fall einer Unterbrechung der Gaslieferungen aus dem Osten im Herbst und Winter 2014/2015 getroffen und entsprechende Empfehlungen an den Rat und das EU-Parlament gegeben. Benötigen wir einen erneuten  Stresstest oder sind wir bestens auf eine Defizitlage beim Gas vorbereitet?

Antwort: Die Erkenntnisse aus dem Stresstest 2014 sind in die Verordnung (EU) 2017/1938 vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung eingeflossen. Bereits die Gassicherheitsverordnung EU Nr. 994/2010 sah die regelmäßige Erstellung von nationalen Risikoanalysen, nationalen Präventions- und Notfallplänen vor. Seit der neuen VO (EU) 2017/1938 ist vorgesehen diese Pläne  um eine internationale Komponente zu erweitern. Hierzu werden, in von der EU-Kommission zusammengestellten Risikogruppen, mögliche Risiken in den Ländern in der jeweiligen Risikogruppe evaluiert, Präventionsmaßnahmen entwickelt und im Notfall zu ergreifenden Maßnahmen definiert. Ebenso sind Krisenübungen in regelmäßigen Abstände vorgesehen.

.Stresstest der Kommission ...!
.Stresstest der Kommission …!

 Frage: Die EU-Kommission kommt in ihrem Stresstest von 2014 zu dem Ergebnis, dass im Falle der Gas-Lieferunterbrechung aus Russland LNG eingesetzt werden müsse. Also hätte dann  vor allem US-Präsident Donald Trump sein Ziel erreicht und würden wir in dem Fall verstärkt das schmutzige US-Frackinggas einsetzen? 

Antwort: LNG-Terminals sind grundsätzlich nicht auf den Bezug von Erdgas aus einem bestimmten Land ausgerichtet. Der europäische Markt ist offen für LNG-Importe. Hauptlieferanten für LNG in die EU sind derzeit Katar, Nigeria und Algerien. Auch US-amerikanisches, russisches und norwegisches LNG wird über europäische LNG-Importterminals importiert. Letztlich entscheiden im liberalisierten Markt die Händler nach Preisen von wo und auf welchem Weg – als LNG oder über eine Pipeline – Erdgas nach Deutschland und Europa gelangt.

Lesen Sie dazu auch unseren Bericht: USA …Ukraine …  Dänemark sie alle stemmen sich aktuell gegen die Fertigstellung von Nord-Stream 2 … und dann?