Laut Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung darf Erdgas im Übergang zwar noch genutzt werden. Spätestens ab 2045 soll damit aber Schluss sein. Das bedeutet: In den kommenden zwei Jahrzehnten müssen fossile Moleküle zügig durch klimaneutrale ersetzt werden, erinnerte noch mal  der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW)  am vergangenen Dienstag, 30. November. Die Erinnerung ist sicherlich in Richtung der neuen Ampel-Koalition gemeint, damit sie gar nicht umhin kommt zu wissen was auf sie zukommt.

„Das öffentliche Augenmerk richtet sich momentan vor allem auf Wasserstoff...!" Dr. Frank Graf, bild dvgw
„Das öffentliche Augenmerk richtet sich momentan vor allem auf Wasserstoff…!” Dr. Frank Graf, bild dvgw

Denn, so führt der DVGW in  seinem Statement weiter an, vier Fünftel unseres Energieverbrauchs werden derzeit von Molekülen gedeckt und lediglich 20 Prozent durch Strom – auch wenn dieser mittlerweile zur Hälfte erneuerbar ist. Gasförmige Energieträger sind deshalb aus Sicht des Verbandes, entscheidend für das Erreichen der Klimaneutralität und für eine nachhaltig gesicherte Energieversorgung. Und dann kommt es schließlich doch worauf der Verband mit seinen Erinnerungen abzielt: „Dass dies gelingen kann und wo die „grünen“ Moleküle herkommen, zeigen aktuelle Ergebnisse des DVGW-Projekts „Roadmap Gas 2050“. Demnach bestehen große europaweite Erzeugungspotenziale für erneuerbares Methan und auch Wasserstoff ! Lesen Sie dazu auch unseren heutigen Bericht zu den EU-Wasserstoff-Projekten, s. unten.

„Das öffentliche Augenmerk richtet sich momentan vor allem auf Wasserstoff. Das Spektrum klimafreundlicher Gase ist jedoch größer und vielfältiger. Unsere Daten zeigen, dass beispielsweise in Schweden und Finnland große Mengen an erneuerbarem Methan aus Biomasse produziert werden können“, betont  Frank Graf, Bereichsleiter Gastechnologie der DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut. Wissenschaftler seines Instituts haben gemeinsam mit der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH und dem Gas- und Wärme-Institut Essen berechnet, dass bis zur Jahrhundertmitte rund 160 Terawattstunden (TWh) im Jahr aus den skandinavischen und baltischen Ländern nach Deutschland importiert werden können. Zusammen mit dem schnell erschließbaren Biomethanpotenzial in Deutschland wären das 340 TWh – etwa ein Drittel des hiesigen Gasbedarfs. „Hinzu kommen die großen Ressourcen für grünen Wasserstoff in Europa. Bis 2050 könnten zwischen 3.300 und 3.900 TWh zur Verfügung stehen. Das ist etwa das 1,5-fache des aktuellen jährlichen Endenergieverbrauchs in Deutschland“, bilanziert  Graf weiter.

Aus Sicht von Frank Gröschl, Leiter Technologie und Innovationsmanagement beim DVGW belegen  „…die Berechnungen anschaulich, dass die Gasversorgung in der Lage ist, klimaneutral zu werden. Bereits heute können die bestehenden Infrastrukturen erneuerbare Gase wie Biomethan – und beigemischt auch Wasserstoff – transportieren, und mit verhältnismäßig wenig Aufwand für reinen Wasserstoff fit gemacht werden. Jetzt müssen aber die Potenziale in Europa und der Welt genutzt sowie Erzeugungskapazitäten zügig aufgebaut werden“, fordert Gröschl.

Eine vielversprechende Alternative sei zudem grüner Wasserstoff aus Nordafrika. Die Produktionsmöglichkeiten in dieser Region überstiegen den erwarteten europäischen Bedarf um ein Vielfaches.. Der Import von grünem Wasserstoff aus Nordafrika sei hierbei die günstigste und der von skandinavischem Methan aus holzartiger Biomasse die teuerste Option. Zum Vergleich: Für das Jahr 2022 werden Erdgaspreise um acht Eurocent pro Kilowattstunde prognostiziert, führt  Frank Graf,der bereits erwähnte  Bereichsleiter Gastechnologie der DVGW-Forschungsstelle zu finanziellen Erwägungen an.

Lesen Sie dazu auch unseren heutigen Bericht: EU: Mit 750 Projekten in die Wasserstoff-Zukunft?