Sitz des Bundeskartellamtes in Bonn
Sitz des Bundeskartellamtes in Bonn

Neunzehn Städte und Gemeinden im Rhein-Sieg-Kreis haben bereits Stadtwerke neu gegründet oder wollen das noch unter Umständen tun. Lesen Sie welches Damoklesschwert möglicherweise über ihnen schwebt:

„Es gibt eine neue Gründerzeit in Deutschland“, schreibt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung in seinem Artikel vom 15.Dezember mit dem Titel: Strom-Krimi. Unter dem Motto ‚Rekommunalisierung der Daseinsvorsorge‘ würden Stadtwerke neu- und wiedergegründet. Wie schwer das den Kommunen gemacht wird beschreibt Prantl auch: ‚Kartellbehörden verhindern, dass Kommunen die Energieversorgung wieder selbst übernehmen.
Viele Kommunen hatten ihre Strom-, Gas- und Wasserversorgung in den 1990er Jahren an private Unternehmen abgegeben. Die Strom- und Gaskonzessionen werden in der Regel für 20 Jahre vergeben. Bis zum Jahr 2016 laufen somit bundesweit über zweitausend Konzessionen aus. Sie müssen also neu vergeben werden.
Bundeskartellamt: Das Bundeskartellamt erschwert durch entsprechende Vorgaben, dass die Konzessionen bei den Kommunen verbleiben oder an sie gehen. Gemäß dieser Vorgaben dürfen die Städte und gemeinde bei der Vergabe der Konzessionen nicht Kriterien wie regionale Wertschöpfung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Bürgerbeteiligung und -nähe, Synergien bei der Bewirtschaftung und Auswirkungen auf den kommunalen Etat bei der Vergabe berücksichtigen. Weil dies viele Kommunen bisher dennoch so gehandhabt haben sind bundesweit mehr als hundert Gerichtsverfahren anhängig. Die Schwarzwaldgemeinde Titisee-Neustadt hat nun das Bundesverfas-sungsgericht angerufen.

 

Titisee-Neustadt klagt in Karlsruhe

Es geht um die Strom-und Gasnetze in der Gemeinde

Titisee-neustadt
Titisee-neustadt

Viele Städte und Gemeinden wollen ihre Bürger wieder selbst mit Energie versorgen. Dazu müssten sie allerdings das Gas- oder Stromnetz von privaten Unternehmen zurückkaufen und sich um die Konzessionen bewerben wie jeder private Energieversorger. Das ist ihnen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung gesetzlich erlaubt.

Allerdings haben immer weniger Kommunen eine Chance, sie zu bekommen. Denn das Bundeskartellamt macht derart rigide Vorgaben für die Erteilung der Konzessionen, “dass eine Rekommunalisierung nahezu unmöglich wird”, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem Rathaus der Schwarzwald-Gemeinde Titisee-Neustadt. Die Stadt wehrt sich gegen diese Praxis des Bundeskartell-amtes.

Bürgermeister Armin Hinterseh will die Bürger selbst mit Energie versorgen
Bürgermeister Armin Hinterseh will die Bürger selbst mit Energie versorgen

Bürgermeister Armin Hinterseh (CDU) hat beim Bundes-verfassungsgericht Kommunalverfassungsbeschwerde eingereicht.
Das Gericht soll klären, ob die kartellrechtliche Ausrichtung der Konzessionsvergabe rechtens ist. Wird die Beschwerde angenommen und darüber entschieden, hat das bundesweite Auswirkungen. “Wenn das Bundesverfassungsgericht uns Recht geben sollte, ist das kartellrechtliche Regime bundesweit außer Kraft gesetzt”, erklärt Rechtsanwalt Professor Dominik Kupfer aus Freiburg, der die Stadt juristisch vertritt. Das Kartellamt schütze mit seinen Vorgaben, die im Fachjargon “kartellrechtliches Regime” genannt werden, die etablierten Netzbetreiber. Es zementiere die bestehenden Verhältnisse, sagt Kupfer.
Der Städtetag unterstützt die Klage – das Interesse, dass diese Fragen geklärt werden, ist groß. Erst vor wenigen Tagen hat auch die Hauptstadt Berlin mit der Vergabe ihres Gasnetzes Schiffbruch erlitten.
Grund für die strengen Vorgaben ist die Befürchtung des Kartellamts, die Kommunen könnten die Konzessionen zum eigenen Vorteil nutzen. Dem will das Kartellamt offensichtlich einen Riegel vorschieben. Damit überschreitet es aber laut Bürgermeister Hinterseh ihre Kompetenzen. Denn laut Energiewirtschaftsgesetz wird den Kommunen durchaus das Recht eingeräumt, Strom- und Gasnetze zu betreiben. “Dem Kartellamt steht es nicht zu, das Gesetz auszuhebeln”, sagt Hinterseh.
In seiner Stadt hat der Gemeinderat 2011 die Stromkonzession an die Energieversorgung Titisee-Neustadt GmbH (Evtn) vergeben, Das kommunale Versorgungsunternehmen gehört zu 60 Prozent der Stadt gehört, zu 30 Prozent den Elektrizitätswerken Schönau eG (EWS) und zu zehn Prozent der lokalen Bürgergenossenschaft. “Die Evtn ist ein bürgerschaftliches Bilderbuch-Projekt”, heißt es in der Mitteilung. Das zähle aber in den Vergabe-Richtlinien des Kartellamts nicht.
Nach der Vergabe hat die Stadt das Stromnetz vom vorherigen Betreiber “Energiedienst” zurückgekauft – und wurde von diesem beim Kartellamt angezeigt. Das verlangte von der Stadt, die Vergabe zu wiederholen und drohte ein Bußgeld in Millionenhöhe an. Davor schrecken bundesweit viele Kommunen zurück – und blicken nun auf Titisee.

 16.12.14 Wappen Titisee -NeustadtDie Gemeinde Titisee-Neustadt hatte mit der Gesellschaft evtn 2011 die eigene Energieversorgung gegründet. Sechzig Prozent gehören der Stadt, dreißig Prozent den Elektrizitätswerken Schönau und zehn Prozent einer lokalen Bürgergenossenschaft. Die EWS ist ebenfalls aus einer Bürgerinitiative entstanden und, schreibt die Süddeutsche Zeitung zählt “heute zu den größten unabhängigen  Ökostrom – und Gasanbietern.Wir geben hier die aktuelle Pressemitteilung  der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) zu den Auseinandersetzungen  wieder. Unten angehängt, die Kontaktdaten

“Titisee-Neustadtruft das
Bundesverfassungsgericht an
Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) begrüßen die Beschwerde der Stadt Titisee-Neustadt beim Bundesverfassungsgericht. Die Kommunalverfas-sungsbeschwerde hat das Ziel,die Gemeinden bei der Vergabe von Strom-
und Wassernetzen in die Lage zu versetzen, von ihrem grundgesetzlich
verbrieftenRecht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln,wieder Gebrauch machen zu können.(Artikel 28, Absatz 2 des Grundgesetzes) Bis 2010 konnten die demokratisch gewählten Gemeinderäte über Konzessions- Vergaben frei entscheiden; heute wird durch eine Verordnung des Bundeskartellamtes dieses verfassungsrechtliche gemeindliche
Fundamentalrecht außer Kraft gesetzt. Die Stadt Titisee-Neustadt ist da- von unmittelbar betroffen.
Die Gemeinde hatte im Vorfeld der Neuvergabe der Stromnetz-Konzession
die Energieversorgung Titisee-Neustadt (evtn) gegründet, an der die EWS mit 30% und die lokale Bürgergenossenschaft PRO VITA mit 10% betei-
ligt sind. Die evtn gewann 2011 das Konzessionsverfahren und hat –nach
dem Kauf der Versorgungsanlagen vom Altkonzessionär –am 01.05.2012 den Netzbetrieb und die Versorgung der Gemeinde aufgenommen. Das Bundeskartellamt leitete aber im gleichen Jahr ein Verfahren gegen die Konzessionsvergabe ein, weil „die Kriterien zu kommunalfreundlich”
gewesen seien. Das Kartellamt will so erreichen, die Gemeinde zur Rück-abwicklung des Stromnetzkaufs und zu einem neuen Vergabeverfahren zu zwingen – was weitreichende wirtschaftliche Folgen für die Gemeinde und ihre Bürgerinnen und Bürger hat. Dabei beruft sich das Bundeskartellamt auf ihren eigenen Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkon-zessionen. „Dieser Leitfaden“, so Dr. Michael Sladek, Vorstand der Netz kauf EWS eG, „ist am Gesetzgeber vorbei entstanden und gibt Auswahl-16.12.14 Karte Titisee-Neustadt
kriterien vor, die den Altkonzessionär –und damit mei- stens die großen vier
Energiekonzerne –klar bevorzugen. So dürfen Kriterien wie Bürgerbeteiligung, Bür- gernähe, ökologische Energieversorgung, Schaffung von Arbeitsplätzen oder regionale Wertschöpfung bei der Konzessionsvergabe nicht berücksichtigt werden, obgleich gerade diese für die Gemeinde von zentraler Bedeutung sind. In der Vergabepraxis ist durch dieses ‚kartell-
rechtliche Regime’jede echte Rekommunalisierung verhindert worden, weil
die Altkonzessionäre, sprich Konzerne,weiter beteiligt sind und faktisch
das Sagen haben! Das zeigen alle Konzessionsvergaben der letzten zwei
Jahre in Deutschland.“ Die Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Titisee- Neustadtsoll nun prüfen, ob behördliche Verfügungen, die am Gesetzgeber vorbei entstanden sind, grundgesetzlich verbriefte Rechte der Gemeinden faktisch außer Kraft setzen können.”
Kontakt:
Elektrizitätswerke Schönau Vertriebs GmbH Dr. Michael Sladek E-Mail: presse@ews-schoenau.de Fon: +49 7673/8885-525 oder -546 Internet:
http://www.ews-schoenau.d