BDEW-Chefin Hildegard Müller: Auch für den kommenden Winter sind wir mit Erdgas gut gerüstet ...
BDEW-Chefin Hildegard Müller: Auch für den kommenden Winter sind wir mit Erdgas gut gerüstet …

Von morgen bis Donnerstag findet im Hotel InterConti- nental in Berlin der BDEW Kongress zu aktuellen Energie-Themen statt. Welche geopolitischen Entwicklungen bestimmen die Realitäten der Energie- und Wasserwirt- schaft von morgen? ist eine zentrale Frage im größeren Themenkreis des Kongresses.
Umwelt und Energie-Report hat im Vorfeld Fragen an die BDEW-Spitze gestellt und wissen wollen wie es um die Gasversorgung Europas bestellt ist, wenn Moskau die Turkish-Pipeline baut und von Europa erwartet, dass es dort ab 2019 das russische Erdgas abholt. Denn der russische Gasgigant Gazprom will sein Gas ab 2019 nicht mehr durch die unsichere Ukraine in Richtung Westen leiten. Auf diese und weitere Fragen, die wir in der Folge veröffentlichen, haben wir von der BDEW-Spitze Antworten erbeten.

Erhalten haben wir eine „Gesamtschau“ wie die BDEW- Spitze die gegenwärtige und künftige Gasversorgungssi- cherheit Deutschlands sieht.
Die Darstellung verblüfft uns insofern  weil sie eine Versorgungs- lage betrachtet, die den vormaligen für Energie zuständigen EU-Kommissiar Günther Oettinger im Oktover vergangenen jahres im Interview mit Umwelt und Energie-Report zu der Feststellung veranlasste: Angesichts der gegenwärtigen Ereignisse in der Ukraine „muss dringend gehandelt werden“, um eine Energiekrise zu verhindern.

EU-Kommisar Günther Oettinger: Es muss dringend gehandelt werden
EU-Kommisar Günther Oettinger: Es muss dringend gehandelt werden

So gelte es vor allem die Energieabhängigkeit zu verringern. Die EU plant, so Oettinger im Interview , in diesem Zusammenhang Stress- tests durchzuführen mit denen wunde Punkte im europäischen Energie- system identifiziert werden sollen.
Obwohl seit dieser Zeit viele Absichten verkündet wurden, faktisch hat sich dennoch nicht viel verändert. Und trotzdem gibt sich der BDEW bei Betrachtung der künftigen Lage im Winter gelassen.

Richtig, auf dem Petersburger Wirtschaftsforum haben zwar Gazprom und mehrere europäische Unternehmen Absichtser- klärungen unterzeichnet. Sie wollen die Ostsee -Pipeline Nordstream um zwei weitere Stränge erweitern. Und weiter: Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und Kreml-Chef Wladimir Putin wollen die Türkische Pipeline durch Griechenland bis nach Italien verlängern. Doch gibt es  bisher nur Absichtserklä- rungen oder Memoranden. Außerdem: Frühestens 2019/2020 können diese Pipelines fertiggestellt sein mit denen die Ukraine umgangen werden könnte. Und dennoch, obwohl es bis dahin noch fast fünf Jahre sind, gibt sich der BDEW gelassen?
Hier zunächst unsere Fragen an die BDEW-Spitze:

Alexander  Nowak : Wir verhandeln derzeit mit der Türkei über das Pipelineabkommen für Turkish Stream
Alexander Nowak : Wir verhandeln derzeit mit der Türkei über das Pipelineabkommen für Turkish Stream

Frage: Bisher haben der russische Energie- minister Alexander Nowak und auch der Chef des russischen Staatskonzerns Gaz- prom, Alejei Miller, immer wieder betont, dass nach 2019 kein Gas mehr durch die Ukraine in Richtung Westen geliefert werde. Gazprom-Chef Alexej Miller: Für Europa „gibt es keine anderen Varianten zur Beseitigung der Risiken bei den Gastransitlieferungen durch die Ukraine, als die neue Gasleitung Türkischer Strom.“ Moskau beginnt bereits mit dem Bau der Pipeline. Nowak und Miller erwarten, dass die EU-Staaten, inklusive Deutschland also, das Gas dort in der Türkei abholen. Der Bau einer entsprechenden Pipeline ist sicher bis dahin nicht fertig zustellen. Bleibt es dann kalt in Deutschland und anderen EU-Ländern?
Frage: Anlässlich der Ukraine-Krise hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsfor- schung . (DIW) zwei Szenarien untersucht: Einmal einen teilweisen Lieferstopp bei Erdgas, bei dem kein Gas mehr durch die Ukraine in die EU-Staaten fließen würde, und zweitens einen totalen Lieferstopp bei russischem Erdgas. Bleiben wir beim ersten Fall, dem Ukraine-Szenario ,dann wäre ungefähr die Hälfte des für die EU-Staaten bestimmten russischen Erdgases blockiert, manche der ost- und südosteuropäischen zu fast hundert Prozent. Ein Szenario bei dem es einem schon heute kalt über den Rücken laufen muss oder haben Sie bereits Abhilfemöglichkeiten mit der Politik in Berlin und Brüssel besprochen?
Frage:Der Bau einer Pipeline , um das russische Erdgas ab 2019 aus der Türkei abholen zu können, kostete auch viel Geld. Das muss vermutlich der Verbraucher mit seiner Gasrechnung bezahlen. Ist also damit zu rechnen, dass in dem Fall die Gaspreise ansteigen?

Frage: Zwei Tage berieten die G7-Energieminister kürzlich in Hamburg auch über das Bestreben Europas die sehr große

Gazprom-Vizevorstandschef Alexander Medwedew: Ab 2019 kein gas mehr durch die Ukraine
Gazprom-Vizevorstandschef Alexander Medwedew: Ab 2019 kein gas mehr durch die Ukraine

Abhängigkeit von russischen Gaslie- ferungen zu verringern. Die USA haben inzwischen die Nöte erkannt und reagiert. Sie, die bisher noch LNG importierten, wollen nicht nur aufgrund ihrer Fracking- ‚Erfolge‘ zum weltgrößten Exporteur von verflüssigtem Erdgas (LNG) werden, wie US-Energieminister Ernest Moniz erklärte, sie wollen auch Europa mit LNG versorgen um so die EU-Staaten, die bisher noch an den Gaspipelines aus Moskau hängen, unabhängiger vom Putin-Land machen. Ist das die neue Energie- Zukunft?
Hier nun die Darstellung, die uns die Spitze des  Bundes- verbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) als Antwort auf die Fragen übermittelte und aus der deutlich wird wie er die Lage sieht:
“Erdgas ist und bleibt ein sicherer Energieträger. Seit vielen Jahrzehnten haben wir in Deutschland eine sichere und leistungsfähige Gasversorgung.

Auch für den kommenden Winter sind wir sehr gut gerüstet. Neben Erdgasspeichern stehen weitere wichtige und leistungsfähige Instrumente der Gasversorgung zur Verfügung:
Deutschland bezieht Erdgas auch während der Wintermonate kontinuierlich aus zahlreichen unterschiedlichen Lieferländern und aus eigener deutscher Förderung. Zum Teil könnten solche Lieferungen im Rahmen bestehender Verträge im Bedarfsfall erhöht werden.
Darüber hinaus verfügt Deutschland über eine leistungsfähige Transportinfrastruktur aus Ferngasleitungen und Gasverteiler- netzen mit einer Gesamtlänge von 477.000 Kilometern. Ein signifikanter Ausbau in 2012 (z. B. die Ostsee-Pipeline, oder innerdeutsche Verbindungen wie beispielsweise die Nord-Süd-Verbindung Sannerz-Rimpar) trägt dazu bei, die Leistungsfähigkeit zu erhalten und weiter zu steigern.

An Erdgas herrscht kein Mangel
An Erdgas herrscht derzeit auch aufgrund der stark zunehmenden Erdgasförderung in den USA kein Mangel auf den Energiemärkten. Erdgas kann kurzfristig an den europäischen Energie-Handelsplätzen beschafft und in Europa über das eng vermaschte europäische Gasnetz verteilt werden.
Es gibt drei Verbindungen zwischen Deutschland und Russland: Neben der Transitroute durch die Ukraine fließt russisches Gas auch über die neue Ostsee-Pipeline Nord-Stream und durch Transportleitungen über Weißrussland nach Deutschland. Mit der Fertigstellung des zweiten Strangs der Nord-Stream-Leitung hat alleine diese Pipeline eine mögliche Jahreskapazität von 55 Mrd. m³.
Vielfältige Infrastrukturmaßnahmen zur besseren Vermaschung des europäischen Erdgasnetzes wurden realisiert oder sind in Planung. Eine Reihe von Projekten für neue Netzverbindungen zwischen den europäischen Staaten sind geplant.

Die Erdgas-Infrastruktur wird umgebaut
Die Erdgas-Infrastruktur wird nach Möglichkeit so umgebaut, dass Gas in beide Richtungen fließen kann, also auch von West nach Ost – dies ist besonders wichtig für einige Länder in Mittel-und Osteuropa.

Zusätzliche „Reverse Flows“ für den Gastransport entgegen der vorherrschenden Gasflussrichtung sind entlang der bestehenden grenzüberschreitenden Transportnetze eingerichtet worden. Weitere „Reverse Flows“ sind in Bau und Planung.
Deutschland ist zudem eine Drehscheibe für den Erdgastransport und Erdgashandelsströme in Europa. Zugleich trägt ein zunehmen- der Handel von verflüssigtem Erdgas ( Liquefied Natural Gas – LNG), dass in großen Tankern transportiert werden kann, dazu bei, die Erdgasmärkte weltweit stärker zu verbinden. Deutschland verfügt zwar über keinen eigenen LNG-Terminal, ist jedoch u. a. an die Terminals in Rotterdam Dünkirchen (über Belgien) und Zeebrügge sowie mittelbar an die Terminals in UK angebunden.

Massive Veränderungen auf dem Erdgasmarkt
Die massiven Veränderungen auf dem Erdgasmarkt erhöhen die Flexibilität und Vielfalt in der Erdgasbe- schaffung und eröffnen den Erdgasunternehmen vielfältige Optionen zur Umsetzung individueller Beschaffungsstrategien.

An den zentralen Handelsplätzen (Hubs) entstehen heute die wesentlichen Preissignale für die europäischen Märkte, die immer stärker die Angebots- und Nachfrage-Situationen für Erdgas widerspiegeln.
Rund 70 Prozent der weltweiten und nach derzeitigem Stand wirtschaftlich förderbaren Reserven liegen in geographischer und wirtschaftlicher Reichweite Deutsch- lands.
Die zunehmende Integration des europäischen Erdgas-Versorgungsnetzes vereinfacht den innereuropäischen Gastransport und damit den grenzüberschreitenden Erdgashandel erheblich und erhöht so die Liquidität der Märkte und damit die Versorgungssicherheit in Europa.”