Aufbruch-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Köhler: Wir hoffen mit Titisee-Neustadt
Aufbruch-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Köhler: Wir hoffen mit Titisee-Neustadt

Die Fraktion Aufbruch! sagt vorbehaltlos JA zu eigenen Stadtwerken für Sankt Augustin, und diese Stadtwerke sollen zu 100 % in kommunaler Hand sein.

Andere Fraktionen im Stadtrat sprechen von “kommunal beherrschten Stadtwerken”. Das kann aber auch bedeuten: 51 % hält die Stadt, 49 % hält ein Energiekonzern. Das will der Aufbruch! nicht.

Was haben nun die Stadt, die EVG (Energieversorgungs-gesellschaft Sankt Augustin), die Bevölkerung von 100 % kommunalen Stadtwerken?

Die Gewinne der kommunalen Stadtwerke fließen in die Stadt, Energiekonzerne schütten ihre Gewinne in die Taschen der Aktionäre. Neben der Konzessionsabgabe, die von Energiekonzernen und von Stadtwerken in gleichem Maße zu zahlen ist, ist die Gewinnausschüttung aus kommunalen Stadtwerken an die Stadt ein wichtiger Beitrag zur Deckung der notwendigen städtischen Ausgaben.

Außerdem: Wie wir wissen, zahlen viele Großkonzerne ihre Steuern gar nicht da, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften, sondern in Luxemburg oder Irland. Ganz anders kommunale Stadtwerke. Und noch einen besonderen Dreh haben sich die Energiekonzerne einfallen lassen: Sie bieten ihren Kunden an, ihren Liefervertrag von „Normal-Kunde“ auf „Sondervertrags-Kunde“ umstellen zu lassen. Für den Sondertarif wird damit geworben, dass er passgenau für den Kunden ist und dadurch zu Ersparnissen führt.
Das ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Auch auf die kommunalen Haushalte hat der Vertragsstatus der Kunden gravierende Auswirkungen, denn von diesem Status ist laut Gesetz die an die Stadt zu zahlende Konzessionsabgabe abhängig. Hier das Beispiel Gas:
• Bei Sondervertragskunden zahlen Gasversorger pro kWh maximal 0,03 Cent an die Konzessionsgeberin, also die Kommune (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 Konzessionsabgabenverordnung).
• Bei normalen Tarifkunden müssen die Gasversorger zwischen 0,22 und 0,61 Cent pro kWh an die konzessionsvergebende Kommune zahlen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr.2 KAV).
Das bedeutet: Was die Gasversorger den Kunden als individuelles “Bonbon” anbieten, indem sie sie also zu Sondervertragskunden machen, die niedrigere Tarife gewährt bekommen, das holen sie sich von den Kommunen durch eingesparte Konzessionsabgabe wieder zurück. Da den Kommunen das Geld aus der Konzessionsabgabe aber im Haushalt fehlt, muss dafür ein Ausgleich durch Einnahmen an anderer Stelle geschaffen werden – z. B. bei den kommunalen Steuern (Grundsteuer, Gewerbesteuer, Hundesteuer, Vergnügungssteuer). Davon sind dann alle Haushalte betroffen – auch die, die als Normalkunden einen teureren Tarif zahlen – diese zahlen sogar doppelt.

Derzeit machen die Rechtsprechung des BGH und die Kartellbehörden es den Kommunen allerdings mit immer neuen rechtlichen Wendungen extrem schwer, die Energienetze wieder in ihr Eigentum zurückzuholen, und noch schwerer in rechtlich einwandfreier Weise die Konzession an ihre eigenen Stadtwerke zu vergeben. Alle Hoffnung auf Besserstellung der Kommunen richtet sich jetzt auf den Ausgang der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Musterklage der Stadt Titisee-Neustadt, die sich mit den neu aufgerichteten Hürden nicht abfinden will. Wir hoffen mit.