Außenminister Lawrow: Das berühmte Gas-Röhrengschäft
Außenminister Lawrow: Das berühmte Gas-Röhrengschäft

Russlands Außenmini- ster Sergej Lawrow er- klärt im Interview mit der Handelsblatt-Bei- lage „Russia Beyond The Headlines“ (RBTH) die Chefs führender deutscher Unterneh- men, die sich in Russ- land engagieren, machten „keinen Hehl aus ihrer Besorgnis über die von der Europäischen Union in Gang gesetzte Sanktions- spirale und erklärten “ihre Bereitschaft, die Arbeit mit den russischen Partnern fortzusetzen“.

Anfang der fünfziger Jahre, noch vor der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland, seien es gerade deutsche Unternehmer gewesen, die eine Vorreiterrolle bei der Wiederaufnahme der gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit gespielt hätten, äußerte Lawrow in dem Interview weiter. Dokument (70)
„Dies bezieht sich in vollem Maße ebenso auf die Ära des Kalten Krieges, als das berühmte ‚Gas-Röhren-Geschäft‘ abgeschlossen wurde, das sinngemäß die Grundlagen für unsere Energiepartner- schaft geschaffen hat.“
Unser Blatt hat damals bereits darüber umfassend berichtet. Wir haben dazu den sowjetischen Wirtschaftsminister Leonid Kostandow im Kreml interviewt. Kostandow hatte in dem Interview noch ein anderes großes Thema angestoßen. Er wies darauf hin, wie viel vorteilhafter es doch sei, Autos mit Gas anzutreiben. In Westeuropa sei diese Möglichkeit noch nicht richtig erkannt worden, aber „wir“, warf er sich in die Brust „stellen bereits Autos auf Gasantrieb um. Wir wollen eine Million Autos auf Gasantrieb umstellen,“ verkündete er überzeugt weiter. Und dann kam es: Auf diese Weise könne das Land Benzin und Dieselöl einsparen. „Wir exportieren Brenn- und Treibstoffe und importieren Ausrüstungen . Ist das gegenseitig nicht vorteilhaft?“, fragte er insistierend. „Und worin besteht das Problem,?“ haben wir ihn gefragt.

Die Amerikaner schüchtern ihre Partner ein

Er antwortete: „Darin, dass die Amerikaner ihre Partner einschüchtern: Treibt keinen Handel mit den Russen, kauft nicht ihr Gas, sie können jederzeit den Hahn zudrehen.

Ehemaliger sowjetischer Wirtschaftsminister Leonid Kostandow: Die Amerikaner schüchtern ihre Partner ein
Ehemaliger sowjetischer Wirtschaftsminister Leonid Kostandow: Die Amerikaner schüchtern ihre Partner ein

Übrigens sehen in uns bundesdeutsche Firmen zuverlässige Partner, die ihr Wort nie gebrochen haben,“ betonte Kostandow mit ernster Miene. Wir haben bereits am 11. August vergangenen Jahres ausführlich darauf zurückgeblickt: Rückblick – Ausblick: Große Energieprojekte, beste Verbindungen mit Moskau.
Das Interview sowie unsere berichte landeten, wie wir dann bald erfahren haben, auf dem Schreibtisch von US-Präsident Ronald Reagan. Dies passierte just zu dem Zeitpunkt als Bundeskanzler Helmut Kohl in besuchte. Es gab Verstimmungen.
Lawrow zeigt sich in dem Handelsblatt-Interview zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass die Logik einer gleichberechtigten Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil auch heute wieder die Oberhand gewinnen wird. Gerade ein solcher Ansatz entspricht den Grundinteressen der Geschäftswelt, der Völker Russlands und Deutschlands, ja auch der gesamten Europäischen Union“, betonte der Diplomat.
Moskau stelle mit Bedauern fest, dass Berlin unter dem Vorwand der internen Ukraine-Krise die wichtigsten bilateralen Mechanismen der Zusammenarbeit zurückgefahren und eine Reihe bedeutender gemeinsamer Projekte und anderer Ausrichtungen der Zusammenarbeit eingestellt hat. „Erstmals seit vielen Jahren ist der Warenumsatz zurückgegangen – nach russischen Angaben um 6,5 Prozent auf 70,1 Milliarden US-Dollar.“

Bei diesem deutlichen Rückgang der Intensität des politischen Dialogs – zu dem es nicht auf Betreiben Russlands hin gekommen sei, argumentiert  Lawrow,   komme den Wirtschaftskreisen beider Staaten eine größere Rolle zu, und zwar vor allem, um die Atmosphäre des Vertrauens und des gegenseitigen Verständnisses zu erhalten, eine positive Agenda durchzusetzen und die Grundlagen für die zukünftigen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland zu schaffen.
Moskau führe einen regelmäßigen Dialog mit der Geschäftswelt in Deutsch- land, erörtere die Aussichten für die gemeinsame Arbeit und konkrete Projekte, betonte Lawrow. Er selbst habe sich 2014 zweimal – in Moskau und München – mit den „Kapitänen“ der deutschen Wirtschaft getroffen.