Türkischer Ministerpräsident Erdogan und kreml-Chef Wladimir Putin: Gemeinsame Gas-Projekte?, Bild Sputnik news
Türkischer Ministerpräsident Erdogan und Kreml-Chef Wladimir Putin: Gemeinsame Gas-Projekte?, Bild Sputnik news

Der russische Energiekonzern Gazprom bereitet sich auf den Bau der Pipeline Turkish Stream vor, obwohl ein ent- sprechendes Regierungsabkommen noch nicht unterzeichnet worden ist. 

Die russische Nachrichten-Agentur Sputnik news* zitiert aus einem Beitrag der Zeitung** “RBC Daily” am Dienstag. (Hintergründe zu den medien s. unten, d. Red.)

Der Bau des Meeresabschnitts der Gasleitung werde bereits im Juni beginnen, kündigte laut Sputnik news ein Gazprom-Sprecher in der vorigen Woche an. Umwelt und Energie-Report hat bereits berichtet.(Bau von Türkischer Strom beginnt) Die Experten seien sich jedoch einig, so die russische Agentur, dass der Konzern ein großes Risiko eingehe.
Der türkische Botschafter in Moskau, Ümit Yardim, bestätigte gegenüber der privaten russischen Nachrichtenagentur Interfax, dass die Gespräche über den Pipelinebau bislang erfolglos geblieben seien. Nach seinen Worten wäre es „falsch, zu behaupten, die Gasleitung würde konkret 2016 oder 2017 gestartet.“
Gazprom ist aber offensichtlich ganz sicher, dass das Projekt tatsächlich umgesetzt wird. „Jegliche Sprüche, es würde kein Turkish Stream geben, sind Spekulationen“, zitiert Sputnik news eine Quelle aus dem staatlichen Konzern.

Gazprom-Chef Alexeij Miller : Türkischer Strom wird 2016 fließen
Gazprom-Chef Alexeij Miller : Türkischer Strom wird 2016 fließen

Noch am Donnerstag, 07. Mai, hatten sich, laut Agentur, der Vorstandschef des russischen Konzerns Gazprom, Alexej Miller, und der türkische Minister für Energetik und Naturressourcen, Taner Yildiz, bei ihrem Treffen am darauf geeinigt, die Gaspipeline „Türkischer Strom“ im Dezember 2016 in Betrieb zu setzen. Das habe wie die Presseabteilung von Gazprom mitgeteilt. In der Erklärung habe es geheißen: „Am heutigen Donnerstag haben sehr konstruktive und wichtige Verhandlungen stattgefunden. Es wurde vereinbart, den Türkischen Strom im Dezember 2016 in Betrieb zu setzen und die Gaslieferungen aufzunehmen.“ Miller zufolge wird Gazprom im Rahmen des Projektes Türkischer Strom von den am heutigen Tag erzielten Vereinbarungen ausgehen“, so Sputnik news.

South-Stream-Träume  geplatzt
Moskau hatte den Bau der Gasleitung durch die Türkei nach Europa ins Spiel gebracht gleich nachdem im Januar das Projekt South Stream geplatzt war. Mit South Stream sollte die Abhängigkeit Russlands von den derzeit domi- nierenden Transitstaaten Ukraine und Weißrussland beim Transport russischen Erdgases nach Europa redu- ziert werden.

Mit Bekanntwerden des neuen Projektes Türkischer Strom wurde auch suggeriert , dass die Russen eine Gasleitung durch das Schwarze Meer auf eigene Kosten finanzieren würden. Auf dem türkischen Territorium würde dann ein Joint Venture die Pipeline kontrollieren.
Die Kosten für den Pipelinebau durch das Schwarze Meer wurden offiziell nicht veröffentlicht, aber der Bau der South-Stream-Leitung war früher auf 17 Milliarden Euro geschätzt worden. Wie die Bauarbeiten finanziert werden, bleibt bisher unbekannt. Gazprom gab bis jetzt keine Kommentare dazu ab.
„Vorerst verlegt Gazprom die für die South-Stream-Pipeline zuvor mobilisierte Bautechnik ins neue Baugebiet“, teilte der Chefanalyst des russischen Kreditinstituts Uralsib, Alexej Kokin, mit. Uralsib befindet sich im Besitz des Milliardärs Zwetkow, schreibt Wikipedia. Laut Alexej Kokin hätte „… die Hälfte des South-Stream-Projekts Gazproms Partner finanziert. Zudem war der Bau dieser Leitung bei anderen Ölpreisen und in einer anderen wirtschaftlichen Situation geplant worden.“

Anfangs eine minimale Konfgiguration?
Bezüglich Turkish Stream vermutete Experte Kokin, so berichtet die russische Agentur weiter, dass sich Gazprom für den Anfang „auf eine minimale Konfiguration“ beschränken werde, wobei die Kapazität vorerst 16 Milliarden Kubikmeter pro Jahr betragen könnte.
Derzeit erhalte die Türkei russisches Gas über die Transbalkan-Pipeline, die durch die Ukraine, Rumänien und Bulgarien führt. Ihre Kapazität werde auf 14 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Außerdem seien Russland und die Türkei durch die Pipeline Blue Stream direkt verbunden, durch die bis zu 16 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich gepumpt werden können. 2014 hat die Türkei 47,6 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland importiert. In diesem Jahr gehe es um etwa 30 Milliarden Kubikmeter.
Da der türkische Absatzmarkt relativ klein sei, so berichtet Sputnik news weiter, müsse Gazprom nach anderen Abnehmern suchen. Dabei handele es sich vor allem um süd- und mitteleuropäische Länder, für die auch das gescheiterte Projekt South Stream vorgesehen gewesen sei. Der Anschluss des europäischen Gastransportsystems an Turkish Stream müsse aber noch mit der EU-Kommission abgestimmt werden. Das könne jedoch eine unüberwindbare Hürde für Gazprom werden.

Maros Sefkovic: Der EU-Kommissar für die Energieunion, Maroš Šefčovič, hat den Beschluss Russlands zum Bau der Gaspipeline Türkischer Strom als einen schweren Schlag auf das Ansehen des Gazprom-Konzerns bezeichnet.
Der EU-Kommissar für die europäische Energieunion, Maroš Šefčovič, hat den Beschluss Russlands zum Bau der Gaspipeline Türkischer Strom Anfang Mai noch als einen schweren Schlag auf das Ansehen des Gazprom-Konzerns bezeichnet.

Sputnik news spekuliert weiter , die Russen könnten versuchen, die Europäer unter Druck zu setzen: Gazprom-Chef Alexej Miller erklärte im Januar, die türkische Pipeline würde mit der Zeit den Gastransit durch die Ukraine ersetzen. Im April präzisierte er, dass es sich um das Jahr 2019 handle. Dann hätten die Europäer nach seiner Auffassung keine andere Wahl außer dem Anschluss an Turkish Stream.
Vorerst sehe es aber danach aus, dass diese Pipeline hauptsächlich der Gasversorgung der Türkei diene, vermutete Valeri Nesterow von Sberbank CIB (Russische Bank, Marktführer in Russland, d. Redaktion). „Der erste Strang für 16 Milliarden Kubikmeter wird den Bedarf dieses Landes decken. Dadurch wird Gazprom die Lieferungen über die Transbalkan-Pipeline ersetzen, die wahrscheinlich außer Betrieb genommen wird“, so der Experte. Dieser Meinung stimme auch Volkan Özdemir vom türkischen Institut für Energiemärkte und Politik EPPEN zu.

Auch Konkurrenz auf dem türkischen Markt
Aber auch auf dem türkischen Markt müsste sich Gazprom der Konkurrenz stellen, schlussfolgert Sputnik news.

Ankara wolle die Transadriatische Pipeline (TAP) mit der TANAP-Leitung zusammenlegen, die mit aserbaidschanischem Gas gefüllt werden. Die Kapazität beider Leitungen werde bei 16 Milliarden Kubikmeter (TANAP) bzw. zehn Milliarden Kubikmeter (TAP) liegen. Der TAP-Bau solle 2016 beginnen. Die TANAP-Pipeline sei bereits im Bau.
Laut früheren Berichten, schließt Sputnik news, soll ein zwischen- staatliches Abkommen über die neue Pipeline im zweiten Quartal 2015 unterzeichnet werden und das erste Gas ab Dezember 2016 fließen.
Wie Sputnik news weiter berichtet plant Gazprom parallel den Bau von zwei Gasleitungen nach China. Zum Bau der Pipeline „Sila Sibiri“ („Kraft Sibiriens“) wurde bereits ein auf 60 bis 70 Milliarden Dollar geschätzter Vertrag abgeschlossen. Lesen Sie dazu auch: Gas-Poker-Kommentar; und Das Spiel ums Gas hat begonnen

*Sputnik news ist laut Wikipedia ein Nachrichtenportal, das 2014 vom staatlichen russischen Medienunternehmen Rossija Sewodnja gegründet wurde. Der Name des Unternehmens sei der russisch-internationalen Zeitschrift Sputnik entlehnt, die sich als publizistisches Sprachrohr der Sowjetunion verstanden habe.
**Die Zeitung „RBC Dauly“gehört zum 1993 gegründeten führenden Medien- und Internetunterneh- men Russlands. Es ist laut Wikipedia an der Moskauer Börse gelistet, und betreibt den russischen Wirtschafts-Fernsehsender RBC TV.