Die Schweiz treibt ihre Endlagersuche mit Hochdruck voran. Hier Untersuchungen im Felslabor Grimsel, Bild nagra
Die Schweiz treibt ihre Endlagersuche mit Hochdruck voran. Hier Untersuchungen im Felslabor Grimsel, Bild nagra

Die Schweiz treibt ihre Suche nach einem Endlager für den hoch- und mittelradioaktiven Atom-„Müll“, mit Hochdruck voran. Die Suche könnte im kleinen Schweizer Dorf Benken, direkt am Rheinfall und an der Grenze zu Deutschland gelegen, enden.

Benken ist wohl neben Bözberg der bisher beste aller geologisch untersuchten Standorte in der Schweiz. Das wurde bei einem Pressegespräch in Zürich im Walhalla Hotel mit dem Leiter Sektion Entsorgung Radioaktive Abfälle, Bundesamt für Energie, Michael Michael Aebersold und Meinert Rahn, dem Leiter Sektion Geologie des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats, ENSI , deutlich. Vier ebenfalls untersuchte Gebiete – Jura Südfuss (SO/AG), Nördlich Lägern (ZH/AG), Südranden (SH) und Wellenberg (NW/OW) – wurden inzwischen fallen gelassen.

Die Karte des BUND gibt einen Überblick über die Lage der Schweiozer Atomkraftwerke und die geplanten Standorte  für den Schweizer Atom-"Mülle" nahe der deutschen grenze
Die Karte des BUND gibt einen Überblick über die Lage der Schweizer Atomkraftwerke und die geplanten Standorte für den Schweizer Atom-“Müll” nahe der deutschen Grenze

Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) muss aber noch weitere Untersuchungen nachreichen. Das fordert das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI). Die Entscheidungen könnten sich dadurch um etwa ein Jahr verzögern. Die definitive Standortentscheidung soll 2030 fallen. In Betrieb gehen soll das Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Jahr 2050 und dasjenige für hoch radioaktive Abfälle im Jahr 2060.

An dem Pressetreffen im Züricher Walhalle-Hotel nahm auch Marianne Zünd, Leiterin Abteilung Medien und Politik und Mitglied der Geschäftsleitung des Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie, Bundesamt für Energie BFE. teil die nach Abschluss des Pressegesprächs unsere Fragen beantwortete:

Frage: In Deutschland wird ein Endlager für hoch radioaktiven atomaren „Abfall“ nicht vor 2050 zur Verfügung stehen, ist sich die Bundesumweltministerin ziemlich sicher. Experten gehen sogar von einem wesentlich späteren Zeitpunkt aus. Ist die Schweiz da mit ihren Prognosen weiter?

BFE-Pressechefin Marianne Zünd
Marianne Zünd Leiterin der Abtielung Politik und medien des Schweizer Bundesamtes für Energie

Antworten M. Zünd:Die Suche nach geeigneten Standorten läuft in der Schweiz seit 2008 nach einem klar definierten Verfahren, das im so genannten „Sachplan geologische Tiefenlager“ festgehalten ist. Die Standortsuche läuft in drei Etappen, in deren Verlauf der Wissensstand durch immer eingehendere Untersuchungen erhöht und damit die potentiellen Standortgebiete immer weiter eingeengt werden. Momentan befinden wir uns in Etappe 2. Nach heutiger Planung wird das schweizerische Parlament ca. 2030 über die definitiven Standorte entscheiden (Genehmigung der Rahmenbewilligung), wobei gegen diesen Entscheid auf nationaler Ebene ein Referendum ergriffen werden kann. Wenn sich in einer allfälligen Volksabstimmung auch die Stimmbürger/innen dafür aussprechen folgen danach der Bau von Zugangsstollen inklusive der Exploration Untertage, der Bau und Betrieb eines Felslabors am Standort sowie das Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren. In Betrieb gehen soll das Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Jahr 2050 und dasjenige für hochradioaktive Abfälle im Jahr 2060.

Frage: Bisher sind etwa zwei Standorte für die Endlagerung von hoch radioaktivem Abfall bekannt geworden. Der bei der Gemeinde Benken liegt etwa 90 Kilometer südlich von Konstanz und der andere,Jura Ost Nahe Bözberg, liegt etwa 50 Kilometer östlich von Lörrach, ist es bei der bisherigen Suche bei diesen beiden geblieben?

Antwort: Dass nur die beiden Standortgebiete Jura Ost und Zürich Nordost in der dritten Etappe der Standortsuche weiter verfolgt werden sollen, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr als ein Vorschlag der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra). Diesen Vorschlag musste die Nagra mit umfassenden technischen Berichten unterlegen. Diese Berichte befinden sich derzeit in der Detailprüfung durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI).
Grundsätzlich gilt, dass sämtliche sechs potentiellen Standortgebiete solange im Auswahlverfahren verbleiben, bis das ENSI die Detailprüfung abgeschlossen hat und der Bundesrat voraussichtlich 2018, in Kenntnis aller relevanten Fakten darüber entscheiden wird, welche Standortgebiete in Etappe 3 tatsächlich vertieft untersucht werden sollen.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Nagra nun zusätzliche technisch-wissenschaftliche Berichte zur Frage der maximalen Tiefenlage nachliefern muss. Die Frage der maximalen Tiefenlage ist insbesondere relevant für die Beurteilung, ob das Standortgebiet Nördlich Lägern in Etappe 3 ebenfalls weiter untersucht werden sollte.

Frage: Es gibt auch Hinweise, dass der leicht- und mittelaktive Atommüll auch am Standort Benken eingelagert werden könnte. Das Mitglied der Nagra Geschäftsführung, Markus Fritschi soll auf eine entsprechende Frage erklärt haben: „Technisch wäre es in geeigneten Gebieten möglich, am selben Ort in unterschiedlichen Tiefen stark wie auch schwach radioaktive Abfälle unterzubringen. Auch organisatorisch und wirtschaftlich hätte eine solche Lösung Vorteile.“ Werden solche Lösungen noch weiter diskutiert?

Antwort: Beide von der Nagra vorgeschlagenen Standortgebiete Jura Ost und Zürich Nordost sowie auch das Standortgebiet Nördlich Lägern eignen sich für ein Kombi-Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sowie hochradioaktive Abfälle. Ein Entscheid über zwei Lagerstandorte oder einen Standort für alle Abfälle ist in Etappe 3 zu fällen.

Frage: Die beiden bekannt gewordenen und wohl bisher vorgesehenen Standortregionen liegen in direkter Grenznähe zu Deutschland. „Die Aussicht, vielleicht eines Tages in Grenznähe ein atomares Endlager der Schweiz zu haben, ist keine, nach der sich irgendwer sehnt“, hatte bereits ein Sprecher des Baden-Württembergischen Umweltministeriums erklärt. Und die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, kommentierte auf demselben Hintergrund die Bundesregierung erwarte: „…dass die Schweiz nun endlich eine grenzüberschreitende Umweltprüfung einleitet.“ Ist das denn inzwischen geschehen. Und inwieweit ist die Bundesregierung über die Schweizer-Endlager-Pläne unterrichtet?

Antwort: Aufgrund der grenznahen Standorte findet bereits im heutigen Auswahlverfahren eine enge Zusammenarbeit mit Deutschland statt. Zudem beschränkt sich die Beurteilung der radiologischen Auswirkungen nicht auf die Schweiz und die Standortregionen. Die Schweiz hat sich mit Unterzeichnung des «Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle» verpflichtet, allgemeine Daten über eine geplante Anlage an Vertragsparteien in der Nachbarschaft zu übermitteln, damit diese die mutmasslichen Auswirkungen der Anlage auf die Sicherheit ihres Hoheitsgebiets selber beurteilen können. Mit Schreiben vom 17. Juni 2015 hat das BFE dem BMUB zudem einen Bericht in Aussicht gestellt, welcher dem deutschen Anliegen nach einem «Umweltbericht» soweit dies zum heutigen Projektstand möglich ist, entgegen kommt.

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