Kleinere Anlagen sollen unbesteuert bleiben
Kleinere Anlagen sollen unbesteuert bleiben

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wird aktuell vorgeworfen er bremse die von der Bundesregierung gewollte Energiewende aus. Grund der Vorwürfe der jetzt bekannt gewordene Diskussionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes in dem die Süddeutsche Zeitung bereits einen „Angriff auf die Selbstversorger“ sieht.  Der Minister will mit  dem neuen Gesetz den aus Erneuerbaren Energien erzeugten Strom mit einer weiteren Steuer belasten. Von vielen Seiten hagelte es bereits Proteste,

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: ...
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: …

haben wir bereits am Mittwoch, 25. Mai geschrieben. (Behindert Schäuble den Ausbau der Erneuerbaren, s. unten) Wir hatten da aber noch ein paar Unklarheiten  im Verständnis von Schäubles Absichten und haben beim Bundesfinanzminister am Mittwoch, 25. Mai,  nachgefragt.

 

Hier unsere Fragen: Wie sieht das aus, wenn ein  Eigenheimbesitzer  oder  ein Handwerker auf sein Haus- oder sein Firmendach eine große Solaranlage platziert und mit dem selbst erzeugten Strom …

-seine Familie oder seine Mitarbeiter

-aber auch seine Familie für die angeschafften Elektroautomobile tanken lässt?

-Wie wird an den öffentlichen Tankstellen verfahren?

25.03.16 Pfeil für TextEin Sprecher Schäubles ließ uns inzwischen die Antworten zukommen:

„Aus Ihren Fragen ergeben sich zwei Fallkonstellationen“, heißt es da:

 Zur Frage : Eigenverbrauch von Strom bis zu 20 Megawattstunden pro Kalenderjahr und Anlagenbetreiber:
Dieser bleibt stromsteuerfrei, wenn er  in Anlagen aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt, in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Anlage entnommen und nicht in ein öffentliches Netz eingespeist wird. Die Verwendung des Stroms (z. B. Verbrauch im Haushalt oder Aufladen eines Elektrofahrzeugs) ist dabei unbeachtlich. Hinsichtlich der geplanten steuerlichen Förderung der Elektromobilität weise ich auf unsere Pressemitteilung hin, die Sie hier http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2016/05/2016-05-18-PM13.html finden.

25.03.16 Pfeil für TextEigenverbrauch über 20 Megawattstunden pro Kalenderjahr und Anlagenbetreiber:
Die Stromsteuer in Höhe von 20,50 Euro je Megawattstunde (bzw. 2,05 Cent je Kilowattstunde) entsteht für die gesamte eigenverbrauchte Strommenge, unabhängig vom Verwendungszweck.

 Strom, der an öffentlichen Tankstellen

… abgegeben wird, ist zum genannten Regelsteuersatz versteuert. Das bedeutet laut Angaben des BMF konkret:

Bei einer öffentlichen Tankstelle, die Strom von mehr als 20 MWh erzeugt und verbraucht, würde laut BMF-Entwurf ab der ersten verbrauchten KWh Stromsteuer von 2,05 Cent  erhoben. Es handelt sich um eine Freigrenze, nicht um einen Freibetrag.

 

 

25.03.16 Pfeil für Text“Zum besseren Verständnis des Gesetzentwurfs” erhielten wir von Schäubles Sprecher noch: “… hier zudem die Hintergründe sowie die mit den geplanten Änderungen beabsichtigten Ziele”:

-Das Stromsteuergesetz ist so zu modernisieren, dass die Befreiungstatbestände künftig mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar sind. Insbesondere geht es um die Energiesteuerrichtlinie und das EU-Beihilferecht. Die Europäischen Kommission kann rechtswidrig gewährte Beihilfen bis zu 10 Jahre rückwirkend von den Beihilfeempfängern zurückfordern. Die Novellierung dient daher auch dem Ziel, Anlagenbetreiber vor Rückforderungen zu schützen.

 

  • Die neuen Stromsteuerbefreiungstatbestände … sind so konzipiert, dass sie unterhalb der Schwelle einer Beihilfe im unionsrechtlichen Sinn liegen. Hintergrund ist einerseits die deutliche Verschärfung des EU-Beihilferechts aus dem Jahr 2014 sowie die Komplexität der unterschiedlichen Fördersysteme von Bund und Ländern. Als Folge der Novellierung dürfen die neuen Befreiungssachverhalte dauerhaft mit bestehenden oder künftigen anderweitigen Förderungen in anderen Bereichen kumuliert werden. Durch diese Trennung der Fördersysteme werden aufwändige Einzelfallprüfungen zu unzulässigen Überförderungen entbehrlich; die Stromsteuerbefreiung bleibt bei der Betrachtung einer eventuellen EU-rechtswidrigen Überförderung  unberücksichtigt. Das schafft Rechtssicherheit für die Wirtschaft und für die Verwaltung.

 

  • Für den Bereich Kleinanlagen bedeutet dies nach der Energiesteuerrichtlinie (2003), dass eine Steuerfreiheit von Strom aus kleinen Stromerzeugungsanlagen nur zum Eigenverbrauch und nur bis zu einer elektrischen Nennleistung von weniger als 1 MW als beihilferechtlich unbeachtlich gelten kann. Zudem kommt die Steuerfreiheit nur noch in Betracht, wenn der erzeugte Strom in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage und ohne Nutzung des Netzes für die allgemeine Versorgung mit Strom zum Verbrauch entnommen bzw. an Dritte geleistet wird. Eine Stromerzeugungsanlage mit einer Nennleistung von knapp 1 MW ist ausreichend, um ca. 1500 Haushalte mit Strom zu versorgen. Räumliche begrenzte Mieterstrommodelle, der Eigenverbrauch von kleinen bis mittelgroßen Unternehmen bzw. die Versorgung eines Unternehmens auf dem Gelände des Stromerzeugers werden daher weiterhin möglich sein.

 

  • Hintergrund der geplanten Änderungen bei Anlagen der Erneuerbaren Energien ist,… dass das EU-Beihilferecht neben dem EEG grundsätzlich keine weitere Förderung (z. B. Stromsteuerbefreiung) zulässt, da das EEG schon eine Vollkostenförderung enthält und die beihilferechtlich zulässigen Möglichkeiten ausschöpft. Eine weitere Förderung neben dem EEG würde zu einer Überförderung führen. Maßgeblich für Förderung von EE-Anlagen ist demnach  das EEG. (Die EU-Beihilferegelungen sind 2014 verschärft worden. Im Zuge der beihilferechtlichen Genehmigung der EEG-Novelle (EEG 2014) hat die KOM klargestellt, dass daneben keine weiteren Betriebsbeihilfen, wie die Stromsteuerbefreiung, gewährt werden.)

 

  • Kleinere Anlagen der erneuerbaren Energien sind von der Änderung nicht betroffen, etwa die private Solaranlage auf dem Hausdach. Für bis zu 20 Megawattstunden Eigenverbrauch pro Kalenderjahr und Anlagenbetreiber sieht der Entwurf eine „Bagatellgrenze“ vor. Diese ist beihilferechtlich unbedenklich und soll der Europäischen Kommission lediglich zur Bestätigung des Charakters als Nicht-Beihilfe vorgelegt werden. Wird die Grenze überschritten, ist die gesamte produzierte Strommenge zu versteuern. (Hintergrund: Die Bagatellgrenze liegt unterhalb der Schwelle zur Beihilfe im unionsrechtlichen Sinn und ist daher mit anderen Förderungen, u.a. nach dem EEG kumulierbar.)

 

  • Die geplanten Neufassung für Kleinanlagen und Anlagen der Erneuerbaren Energien steht im Einklang mit dem 2014 reformierten EEG. Dieses verfolgt das Ziel, durch die grundsätzliche Beteiligung der Eigenversorgung mit Strom an der EEG-Umlage die Ausbaukosten der erneuerbaren Energien angemessen auf alle energiewirtschaftlichen Akteure zu verteilen. Hierdurch wird zugleich die Finanzierungsbasis der EEG-Umlage gesichert und die Höhe der EEG-Umlage für alle Stromverbraucher begrenzt. Mit der künftig geplanten Erhebung der Stromsteuer beim Eigenverbrauch in den Fällen, in denen dieser nicht unter die neuen Ausnahmen fällt, trägt das BMF diesem Grundgedanken Rechnung – ohne die Wirtschaftlichkeit des Eigenverbrauchs insgesamt zu gefährden.

 

  • Ein vom BMF beim FÖS (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft) in Auftrag gegebenes Gutachten aus 2015
  • …zeigt, dass die Wirtschaftlichkeit von Stromerzeugungsanlagen im privaten, industriellen und gewerblichen Bereich auch ohne Stromsteuerbefreiung weitgehend gewährleistet werden kann, ohne dass es einer zusätzlichen Förderung über eine Stromsteuerbefreiung bedarf (vgl. hierzu Punkt 4, Seiten 57 ff. des Gutachtens, http://www.foes.de/pdf/2015-07-Forschungsprojekt-Stromsteuerbefreiung-AREPO-IZES-FOES.pdf). Strom aus EE-Anlagen und KWK-Anlagen wird vorrangig und unabhängig vom Stromsteuerrecht durch andere Instrumente gefördert (v. a. EEG und KWKG, Beihilfen der Länder). Beim Eigenverbrauch durch gewerbliche EE-Anlagen fällt zudem eine verminderte EEG-Umlage an, gleichzeitig entfallen auch sonstige Abgaben auf den Strompreis, wie beispielsweise Netzentgelte. Beispiele für das komplexe Nebeneinander der bestehenden Förderungen sind unter Punkt 1.4, Seiten 14 ff. des zuvor genannten Gutachtens aufgeführt.

 

  • Unternehmen des Produzierenden Gewerbes haben zudem andere Möglichkeiten der Steuerentlastung, über die sie sich einen Großteil bzw. die komplette in ihrem Namen entstandene oder entrichtete Stromsteuer erstatten lassen können (§§ 9a, 9b und 10 StromStG). Zudem besteht die Möglichkeit, dass die eingesetzten Energieerzeugnisse bei Kleinanlagen – welche prinzipiell der Versteuerung nach dem EnergieStG – obliegen, teilweise oder vollständig von der Energiesteuer befreit werden können (§§ 28, 53a EnergieStG).

 

  • “Ressortabstimmung und Auswertung der Stellungnahmen der Verbände und der Länder dauern an”, heißt es am Schluss der Stellungnahme.