Der schwedische Energiekonzern Vattenfall klagt bekanntlich vor einem Schiedsgericht in Washington wegen des Atomausstiegs gegen die Bundesregierung.

Zur gleichen Zeit wie die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks in Japan ihre Erschütterung über die Zerstörungen durch den atomaren Gau zeigt, werden in Brüssel die atomaren Ausbauziele der EU bekannt haben wir bereits am 17. Mai geschrieben...
Können europäische Atom-Unternehmen nur vor einem europäischen gericht klagen?

Darüber  berichtet heute, Dienstag  18.Oktober, sehr ausführlich auch die von Moskau gesteuerte Nachrichten-Agentur Sputnik news.

Es geht um fast fünf Milliarden Euro, heißt es in dem Bericht. Und:  „Was würde ein Schuldspruch für Deutschland und den Atomausstieg bedeuten? Und ist dieses Verfahren eine Blaupause für TTIP?“, wird von Sputnik weiter gefragt.

Die Bundesregierung hatte 2011 den Atomausstieg beschlossen. Vattenfall sehe sich dadurch in seinen Investitionsmöglichkeiten eingeschränkt. Der Atomausstieg sei zu dem Zeitpunkt, als die Firma in neue Atomkraftwerke investiert haben, nicht abzusehen gewesen, argumentiere der Konzern. Deswegen klage Vattenfall auf Schadensersatz in Höhe von 4,7 Milliarden Euro.

25.03.16 Pfeil für TextVattenfall ist ein schwedischer Konzern und hat somit auf Basis der EU-Energie-Charta die Möglichkeit, vor internationalen Schiedsgerichten zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zu klagen, berichtet die Agentur.

Deren internationales Zentrum habe seinen Sitz in Washington. Dort würden Schiedsverfahren zwischen ausländischen Konzernen und ihrem Gaststaat verhandelt.

Solche internationalen Schiedsgerichte sollen auch nach dem Zustandekommen von TTIP eingesetzt werden.

Dann wird Hubertus Zdebel, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, zitiert. Er befürchte, dass diese Verhandlung somit zu einem Präzedenzfall für die Zeit nach TTIP werden könnte: „Meiner Meinung nach ist dies ein Vorbild für die in den Verträgen von TTIP und Ceta vorgesehenen Schiedsstellen. Da wird quasi eine

Hubertus Zdebel, DIE LINKE im Deutschen Bundestag:
Hubertus Zdebel, DIE LINKE im Deutschen Bundestag: Es wird eine Paralleljustiz geschaffen …

Paralleljustiz geschaffen, die Konzerne vor nachteiligen Auswirkungen nationaler Gesetze schützen soll. Vor diesem Hintergrund sollte dieses Verfahren eine Warnung sein vor TTIP & Co.“

25.03.16 Pfeil für TextDie damalige Bundesregierung unter Angela Merkel und Philipp Rössler habe noch kurz vor dem beschlossenen Atomausstieg nach Fukushima die Laufzeiten für die Atomkraftwerke verlängert, heißt es in dem Sputnik-Bericht weiter.

 In Deutschland hätten daraufhin E.ON und EnBW wegen des Atomausstiegs gegen den Bund geklagt. Diese Verfahren seien bisher wegen Aussichtslosigkeit gescheitert.

Rechtsprofessor Hans-Georg Dederer von der Universität Passau begründe dies folgendermaßen: „Diese Klagen sind gescheitert, weil die Unternehmen direkt auf Schadensersatz geklagt haben.

… Das vorausgehende rechtswidrige Handeln des Staates, das Betriebsmoratorium nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima, haben sie jedoch klaglos hingenommen. Dann gilt im deutschen Recht der Vorrang des primären Rechtsschutzes. Wer also rechtswidriges Handeln erst duldet, kann den durch das rechtswidrige Handeln entstandenen Schaden nicht später liquidieren.“

Die drei anderen Kernkraftwerksbetreiber E.ON, RWE und EnBW sind Unternehmen, denen der Rechtsschutz vor internationalen Schiedsgerichten versagt bleibe. Vattenfall dagegen sei überzeugt,

RWE-Vorstandschef Peter TeriumJetzt weiß ich wie es weiter gehen kann ... Karik. U&E
RWE-Vorstandschef Peter Terium: Soll er , kann er doch noch klagen …? J … Karik. U&E

das Verfahren in Washington zu gewinnen. Die Verhandlung vor dem Schiedsgericht in Washington hat vergangene Woche begonnen. Mit einem Urteil wird nicht vor Mitte 2017 gerechnet. Schon jetzt seien etwa acht Millionen Euro Anwaltskosten entstanden,  wird in dem Bericht geschildert.  Manche Experten rechneten Vattenfall gute Chancen aus, den Prozess zu gewinnen. Vor allem das Argument, dass die nachträgliche Begrenzung der AKW-Laufzeiten Zweifel an der Verlässlichkeit des deutschen Rechtsraums aufkommen lasse, könnte die amerikanischen Richter überzeugen.

25.03.16 Pfeil für TextÄhnlich sehe dies auch Professor Dederer: „Die Chancen für Vattenfall stehen nach meiner Einschätzung gut. Das Schiedsgericht könnte eben argumentieren, dass ein treuwidriger Vertrauensbruch vorläge.

Es gab ja den Konsens zwischen den Bertreibern und der Bundesregierung, die Laufzeiten zu verlängern, wofür die Konzerne tief in die Tasche greifen mussten. Und dann wird nach Fukushima plötzlich die Sicherheitsphilosophie in Bezug auf Atomkraftwerke geändert und die Kraftwerke sind nutzlos geworden, weil die Betriebsgenehmigungen per Gesetz erloschen sind. Damit könnte Vattenfall eine De-Facto-Enteignung geltend machen.“

Es ist allerdings noch umstritten und nicht geklärt, ob die Klage in Washington überhaupt mit EU-Recht konform ist, schreibt Sputnik.  Die EU-Kommission sei der Meinung, dass Klagen zwischen einem

Angela Merkel: I
Angela Merkel: Die Kanzlerin und ihr damaliger Wirtschaftsminister Philipp Rössler hatten die Laufzeiten für Atomeiler gerade verlängert …

EU-Unternehmen und einem EU-Mitgliedsstaat nicht vor einem außereuropäischen Schiedsgericht entschieden werden dürften. Dies hat die Kommission auch dem Schiedsgericht in Washington mitgeteilt. Sollte sich die EU mit ihrer Eingabe nicht durchsetzen können, wäre die Bundesregierung im Falle eines Schuldspruchs verpflichtet zu zahlen, heißt es im Sputnik-Bericht.  Der Schiedsspruch wäre international bindend.

 Die Bundesregierung könne sich wohl auch nicht auf einen Vergleich einlassen, da der politische Druck der Öffentlichkeit in Deutschland solche Kompromisse kaum zulassen würde.

Hubertus Zdebel von der Linkspartei befürchtet trotzdem, dass man sich am Ende einigen wird und der Steuerzahler die Rechnung begleicht: „Im Moment laufen Verhandlungen der Bundesregierung mit den Atomkonzernen über die Kosten. Es ist wohl schon so, dass die Klagen von den Konzernen als Verhandlungsmasse eingesetzt werden. Nach meiner Einschätzung läuft es auf das Motto hinaus: Gewinne werden privatisiert, Verluste werden sozialisiert.

… Die Konzerne werden wohl weitgehend entlastet werden von den eigentlich, gesetzlich festgelegt, von ihnen zu tragenden Kosten. Quasi wie eine Bad Bank fürs Atom. Entsprechende Vorschläge der Regierung zur Entlastung der Konzerne werden bestimmt bald im Parlament eingebracht werden. Wir rechnen eigentlich schon seit Monaten damit.“