EU prüft deutsche Strom-Beihilfen
Die Europäische Kommission hat am vergangenen Freitag, den 7. April, eine eingehende Prüfung eingeleitet, um zu untersuchen, ob die von Deutschland geplante
Kapazitätsreserve , bei denen deutsche Netzbetreiber Strom-Erzeugungskapazitäten von insgesamt 2 Gigawatt (GW) für eine außerhalb des Marktes vorgehaltene Reserve bereitstellen müssen, mit den EU‑Beihilfevorschriften im Einklang steht. Die Kommission hat offensichtlich Bedenken, dass die Maßnahme den Wettbewerb verfälschen und Kraftwerksbetreiber gegenüber Lastmanagern begünstigen könnte, geht aus einer Mitteilung aus Brüssel hervor.
„Eine zuverlässige Stromversorgung ist für eine funktionierende Wirtschaft von entscheidender Bedeutung“ , erklärte die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager . Deutschland habe daher ein berechtigtes Interesse die Versorgungssicherheit seiner Unternehmen und Bürger zu gewährleisten. „Unsere Aufgabe besteht darin
sicherzustellen“, so Vestager weiter, „dass die Unternehmen nur dann staatliche Beihilfen erhalten, wenn dies wirklich erforderlich ist, und dass die Beihilfen den Wettbewerb nicht verfälschen. Wir haben derzeit Zweifel an der Erforderlichkeit dieser Maßnahme und Bedenken bezüglich ihrer Ausgestaltung. Daher werden wir die von Deutschland geplante strategische Reserve jetzt genauer unter die Lupe nehmen und bitten interessierte Parteien um Stellungnahmen zu dieser Maßnahme“.
Deutsche Netzbetreiber müssen Kapazitäten von insgesamt 2 Gigawatt (GW) für eine außerhalb des Marktes vorgehaltene Reserve bereitstellen um Vorkehrungen gegen unvorhergesehene Entwicklungen zu treffen, die im Zuge des derzeitigen Übergangs zu einer umweltverträglichen Energieversorgung mit geringen CO2‑Emissionen unter Umständen eintreten könnten. Die zusätzlichen Kapazitäten würden in unvorhergesehenen Extremsituationen eingesetzt, in denen der Markt nicht die gesamte Stromnachfrage decken kann.
Die Kommission kann, laut eigener Definition, einen Kapazitätsmechanismus nur dann nach den EU‑Beihilfevorschriften, in diesem Fall ihren 2014 erlassenen Leitlinien für Umweltschutz- und Energiebeihilfen, genehmigen, wenn der Mitgliedstaat nachgewiesen hat, dass eine solche Maßnahme erforderlich und zur Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet ist. Zudem muss der Mechanismus allen Kapazitätsanbietern offenstehen.
Derzeit hat die Kommission Zweifel an der Bewertung, die Deutschland in Bezug auf die Erforderlichkeit der
Maßnahme vorgenommen hat.
Sie wird sich nun detailliert mit den Annahmen und Szenarien auseinandersetzen, die Deutschland bei der Berechnung der Entwicklung von Angebot und Nachfrage im Stromsektor zugrunde gelegt hat. Zu diesem Zweck holt sie auch Stellungnahmen zu der geplanten Maßnahme ein.
Die Kommission hat momentan offensichtlich auch den Eindruck, heißt es in der Mitteilung aus Brüssel, dass Deutschland gar nicht plant die Kapazitätsreserve aufzulösen nachdem sämtliche Reformen auf dem deutschen Strommarkt bereits greifen. So wie die EU das darstellt soll die deutsche Regelung soll ab Winter 2018/2019 zunächst zwei Jahre lang gelten. Danach könnte die ursprüngliche Reserve von 2 GW verlängert und aufgestockt werden. „Selbst wenn sich die Auffassung Deutschlands, dass die Kapazitätsreserve erforderlich ist, bestätigen sollte, könnte die Maßnahme also auch dann noch durchgeführt werden, wenn sie nicht länger benötigt wird“, heißt es in der Mitteilung der Brüsseler Wettbewerbskommission.
Die Kommission stellte ferner fest, dass Voraussetzungen für die Teilnahme an der Kapazitätsreserve für regelbare Lasten (d. h. Kunden, die zur Einstellung oder Verringerung ihres Stromverbrauchs bereit sind, um
Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen) möglicherweise nicht offen genug für andere Anbieter seien. Darüber hinaus seien auch noch ausländische Kapazitätsanbieter von der Teilnahme ausgeschlossen.
Die Kommission ist schließlich zu dem Schluss gelangt, so heißt es in der Mitteilung Deutschland habe möglicherweise nicht alle Marktreformen durchgeführt, die den Markt dazu in die Lage versetzen würden, die Versorgungssicherheit zu möglichst geringen Kosten und ohne staatliche Eingriffe zu gewährleisten. „Selbst gut konzipierte Kapazitätsmechanismen können jedoch entscheidende Reformen des Strommarkts nicht ersetzen“, schreibt Brüssel.
Die Kommission kündigt an sie werde nun prüfen, ob ihre anfänglichen Bedenken gerechtfertigt sind. Die Einleitung eines eingehenden Prüfverfahrens gibt Deutschland und allen am Verfahren Beteiligten damit Gelegenheit zur Stellungnahme.
Hintergrund
Strategische Reserven wie die Kapazitätsreserve sind Kapazitätsmechanismen. Die Kommission hat von April 2015 bis November 2016 eine Sektoruntersuchung über Kapazitätsmechanismen durchgeführt, die zu dem Ergebnis kam, dass strategische Reserven geeignete Maßnahmen darstellen können, wenn die Mitgliedstaaten vorübergehende Risiken feststellen. Strategische Reserven sollten aber nur in Notfällen eingesetzt werden. Sie sollten vom Markt getrennt sein, um das tägliche Marktgeschehen so wenig wie möglich zu verfälschen. Strategische Maßnahmen müssen Übergangsmaßnahmen sein, die Marktreformen begleiten und auslaufen, sobald die Reformen greifen.
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