Bereits auf der Sanktionsliste der USA: Der weltgrößte, börsennotierte russische Ölkonzern Rosneft
Bereits auf der Sanktionsliste der USA: Der weltgrößte, börsennotierte russische Ölkonzern Rosneft

Rosneft, Russlands größter staatlicher Ölkonzern, hat bereits vor einigen Wochen Staatshilfen in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro beantragt, um Schulden begleichen zu können. Die russische Zeitung “Wedomosti” berichtete darüber. An anderer Stelle wird ein Börsenanalyst mit dem Hinweis zitiert Schweizer Rohstoff-Handelsriesen schuldete Rosneft  etwa zehn Milliarden Dollar die für kommendes Jahr fällig gestellt sein sollen.

Banken, über die diese Gelder weiter abgesichert oder zurückgezahlt werden könnten, halten sich weltweit wegen der verhängten US-Sanktionen zurück. Mitte Juli hatte das US-Finanzministerium  amerikanischen Firmen, Banken und Bürgern untersagt Anleihen von Rosneft zu erwerben oder dem Unternehmen Darlehen mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen zu gewähren. Dies betrifft auch  Wertpapierkredite. Experten zufolge soll sich die wirtschaftliche Situation des größten börsennotierten Ölproduzenten der Welt  auch daraufhin in den vergangenen Wochen,  dramatisch verschlechtert  haben.
Auf den ersten Blick besteht zwischen der Bedrouille in der Rosneft gegenwärtig steckt und der folgenden Nachricht kein Zusammenhang: Gestern wurde bekannt, dass der russische Milliardär Wladimir Jewtu-schenkow, Gründer und Mehrheitseigentümer des Mischkonzerns Sistema, der Anteile am Ölkonzern Baschneft hält, wegen Verdachts auf Geldwäsche unter Hausarrest gestellt worden ist. Außerdem,so berichtet die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti,  sollen Wertpapiere der Ölgesellschaft Bashneft gestohlen und” legalisiert” worden sein. Dahinter steckt der Verdachtteilten die Ermittler mit,  Wladimir Jewtuschenkow sei womöglich an der nachträglichen Legalisierung von widerrechtlich angeeignetem Besitz beteiligt gewesen.   Die staatliche Nachrichtenagentur Itar-Tass zitierte einen Gerichtssprecher mit der Aussage  Jewtuschenkow drohten  bis zu sieben Jahre Haft.

Die Festnahme des Gründers und Aufsichtsratschefs von Sistema habe am Dienstagabend für großes Aufsehen in Russland und im Ausland gesorgt, schreibt die “Nesawissimaja Gaseta” in ihrer Donnerstagausgabe, berichtet heute die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti in ihrer Internet-Ausgabe weiter. Jewtuschenkos Vermögen wird, so berichtet die Agentur ergänzend,  auf neun Milliarden Dollar geschätzt und bezieht sich ganz offensichtlich dabei auf die  Liste des in New York herausgegebenen „Forbes“-Magazins  der reichsten Russen wo der Oligarch an 15. Stelle geführt wird.

Alexander Bastrykin, Chef des russischen Ermittlungskomitees, einer Art FBI
Alexander Bastrykin, Chef des russischen Ermittlungskomitees, einer Art FBI

Jewtuschenkow soll laut dem russischen Ermitt-lungskomitee in illegale Machenschaften um Ölanlagen in der Provinz Baschkiria verwickelt sein. Er wurde bereits am Dienstag festge-nommen und unter Hausarrest gestellt. Bei dem Ermittlungskomitee handelt es sich um eine Behörde, eine Art russischem FBI, die Präsident Putin 2007 als Gegengewicht zur General-staatsanwaltschaft neu eingeführt hat. Chefermittler ist Alexander Bastrykin.

Am Freitag telefonierte der Chef des russischen Industrieverbandes Alexander Schochin per Mobiltelefon mit Jewtuschenkow. Anschließend erklärte Schochin Jewtuschenkow  befindet sich jetzt offenbar in seiner Landresidenz.   Dass Jewtuschenkow das Mobiltelefon benutzen dürfe, deute darauf hin, dass das Ermittlungskomitee im Berufungsverfahren nicht auf weiterem Hausarrest bestehen würde, mutmaßte Schochin. Nach seinen Angaben wird das Gericht am 24. September die Berufung der Anwälte Jewtuschenkows gegen den Hausarrest prüfen. Dagegen erklärte die Sprecherin des Moskauer Basmanny-Gerichts, Anna Fadejewa, gegenüber RIA Novosti, dass  Jewtuschenkow unter dem Hausarrest weder Telefon noch Internet benutzen dürfe. Wenn der Milliardär diese Auflage verletzen würde, wäre die Ermittlungsbehörde berechtigt, seine Inhaftierung zu fordern.

Schochin, einflussreicher Chef des Industriellen- und Unternehmer-verbandes und früherer Vizepreimier, hat inzwischen  in einem Brief an Kremlchef Wladimir Putin gegen die Festnahme Jewtuschenkows protestiert. Niemand wolle beweisen, dass Jewtuschenkow ein «Engel» sei. Aber der Hausarrest sei überzogen, so Schochins-Brieftenor.

Die Festnahme habe die russische Wirtschaft in Aufruhr versetzt. Dies war der einhellige Tenor wie Unternehmer und Politiker auf einem Investi-tionsforum am Freitag in der Schwarzmeerstadt Sotschi bestätigten.  Der Chef der russischen Sparkasse Sberbank, German Gref warnte ebenso vor schweren Imageschäden für die ohnehin gebeutelte russische Wirtschaft wie der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Alexej Uljukajew. «Zweifellos färbt der Fall auf das Investitionsklima ab», erklärte der und wies zugleich auf die Gefahr hin,dass noch mehr Kapital aus Russland abgezogen werden könne. Der Minister gestand ein, dass die Stimmung in der russischen Wirtschaft  ohnehin wegen der Sanktionen der EU und der USA im Ukraine-Konflikt getrübt sei.

Der große staatliche Ölkonzern Rosneft steht nun im Mittelpunkt der Kritik. Sein Chef, Igor Setschin, versuchte zuvor Jewtuschenkows Ölgesellschaft Baschneft aufzukaufen. Worum es bei diesem Unternehmen geht machte der jetzt verhaftete Oligarch Jewtuschenkow in einem länger zurückliegenden Interview mit dem Spiegel deutlich. Noch bevor er 2009 Bashneft selbst übernommen hatte, pries er das Unternehmen im Interview in den höchsten Tönen: „Es geht um ein vertikales Unternehmen, das von der Ölförderung über erstklassige Raffinierung in den besten Fabriken Russlands bis zum Tankstellennetz alles macht.

Der Deal zwischen Rosneft und Jewtuschenkow kam jedoch nicht zustande, da der mit dem Kaufpreis nicht einverstanden gewesen sein soll. Rosneft-Chef Igor Setschin gilt als einflussreicher Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin. Deshalb, so folgern Moskauer Experten, bleibe Jewtuschenko kaum noch eine Wahl außer bereit zu sein, sein Unternehmen unter Marktpreis zu verkaufen oder in der Zelle zu schmoren wie der ehemaligge Chef und Inhaber des Ölgiganten Yukos, Michail Chodorkowski.

Präsident Wladimir Putin: "Staatshilfe" für Rosneft?
Präsident Wladimir Putin: “Staatshilfe” für Rosneft?

Wer will kann in dem gesamten Vorgehen der gegen Jewtuschenkow ermittelnden Behörden ein System entdecken: Im April 2001 , Putin war kaum im Amt, wurde der Medien-konzern Media-Most des Oligarchen Wladimir Gussinkij zerschlagen und vom staatlichen Gaskonzern und Energie-Riesen Gazprom geschluckt. Gussinskij war in Moskau für seine kremlkritischen Berichte bekannt. Er landete im Gefängnis. Boris Reitschuster berichtet in seinem 2008 erschienen Buch mit dem Titel „Der neue Herr im Kreml“ der Oligarch habe später berichtet, er sei im Gefängnis vor die Wahl gestellt worden „entweder seine Unternehmen zu verkaufen oder in der Zelle zu schmoren.“

Der Präsident Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes (russ. Abk.: RSPP) Alexander Schochin, hält das Vorgehen gegen den Sistema-Chef, der im Vorstand des Verbandes sitzt, für „politisch motiviert“ und bezeichnete die Situation um den Konzern AFK Sistema in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Interfax als den „zweiten Yukos-Fall“. Nach seiner Meinung verschlechtern die Aktivitäten des Ermittlungskomitees auch das Investitionsklima in Russland.
Dem ehemaligen Chef des Energie-Konzerns Yukos, Michail Chodorkowskij, der sich vor Jahren der Kreml-Führung entgegengestellt und sie kritisiert hatte, war es ähnlich wie Jewtuschenkow ergangen. Er hatte öffentlich die unfairen Taktiken des staatlichen Ölkonzerns und Konkurrenten Rosneft beklagt und auch die Opposition unterstützt. Ohne Haftbefehl sei er Monate nach seinen öffentlichen Aktionen verhaftet worden, heißt es. Später landete er im Arbeitslager. Der staatliche Konkurrent Rosneft, geführt von Kreml-Intimus Igor Setschin, verleibte sich die besten Stücke des Konzerns, wie in Moskau kolportiert wird, unter Marktpreis, ein.

„Unser armer Premierminister Wladimir Putin muss endlos wiederholen, dass der Staat nichts wegnehmen wird.“

Es lohnt sich einige Antworten, die Jewtuschenkow auf Fragen im Spiegel-Interview gegeben hat, auf der Zunge zergehen zu lassen. So hatte er auf eine ketzerische Frage des Nachrichtenmagazins, ob sich die Oligarchen der zurückhaltenden Rolle des Staates sicher sein könnten, erklärt: „Unser armer Premierminister Wladimir Putin muss endlos wiederholen, dass der Staat nichts wegnehmen wird.“
Auf die weitere Frage des Spiegel was denn aus den Oligarchen werde, erklärte er:
„… einige werden noch stärker, einige verschwinden, und natürlich tauchen einige neue auf.” Der Spiegel kommentierte zunächst die Antwort mit dem Hinweis, das klinge nicht dramatisch und fragte weiter: „Dabei sei schon vom Herbst der Oligarchen die Rede?“ Die Antwort, die der Oligarch darauf gegeben hat, wird ihm möglicherweise während seiner Festsetzung per Fußfessel im eigenen Haus, immer mal wieder im Kopf herumgehen. “Bekanntermaßen“, hat er geantwortet „folgt auf den Herbst der Winter. Diesmal wohl ein harter und langer. Dann aber kommt unweigerlich der Frühling. 60 bis 70 Prozent der sogenannten Oligarchen werden die Krise nicht nur überstehen, sondern gestärkt aus ihr hervorgehen. 30 bis 40 Prozent sind dann leider Geschichte. So ist es in jeder Krise. Bei dem einen halten die Nerven nicht durch, beim nächsten sind die Schulden zu hoch. Das ist eine Tragödie für den konkret Betroffenen, volkswirtschaftlich gesehen aber eine Gesundung.“
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