Die Stadt Sankt Augustin ist mit knapp 57.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Rhein-Sieg-Kreis. Die abstrahierte Blüte im Logo der Stadt symbolisiert die acht Stadtteile Sankt Augustins.

Logo-Sankt Augustin
Logo-Sankt Augustin

Erst 1969 entstand die Gemeinde Sankt Augustin, die am 6. September 1977 Stadtrechte erhielt. Inzwischen wird sie von den verantwortlichen der Stadt so beschrieben: „Gute Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr, schnell erreichbare Autobahnanbindungen, die Nähe zum Flughafen Köln/Bonn machen Sankt Augustin zu einem attraktiven Wohn- und Gewerbestand-ort. Viele Freizeiteinrichtungen, kleine und große Naherholungsgebiete, die Lage im Grünen zwischen Rhein, Sieg und Siebengebirge aber auch die Nähe zu den Rheinmetropolen Köln, Düsseldorf und Bonn machen das Wohnen in Sankt Augustin lebens- und liebenswert“,
Die gesamte künftige Stadtentwicklung soll sich am Leitbild WissensStadt PLUS orientieren. Im Rahmen des Stadtentwicklungskonzeptes 2025 wurde unter Beteiligung vieler lokaler Akteure der Schwerpunkt auf Wissenschaft, Bildung und lebenslanges Lernen gelegt.

Chance  zu mehr Wissen und langem Dazulernen

Das übergeordnete Ziel des Stadtmarketing-prozesses ist neben einer noch stärkeren Profilierung der Stadt nach außen die Förderung der Identifikation der Bürger mit der eigenen Stadt. Dazu sollen künftig auch noch die im Aufbau befindlichen eigenen Stadtwerke beitragen. Ihre volle Ausgestaltung gibt sicherlich den Beteiligten in den Fraktionen und der Stadtverwaltung die Chance immer mehr Wissen zu erlangen und zu langem Dazulernen.

 

Rathaus Sankt Augustin: Hier werden ab jetzt die Entscheidungen getroffen wie die künftigen Stadtwerke ausgestaltet werden sollen/ Foto U&E
Rathaus Sankt Augustin: Hier werden ab jetzt die Entscheidungen getroffen wie die künftigen Stadtwerke ausgestaltet werden sollen/ Foto U&E

Die Stadt Sankt Augustin wird ab 2017 eigene, integrierte Stadtwer- ke aufbauen. Das hat der Rat bereits beschlossen. Hinsichtlich des „Wie“, also der Ausgestaltung der einzelnen Handlungsfelder, besteht allerdings noch Konkretisierungsbedarf.

„Etwa, wie der Vertrieb aufgebaut wird, oder, wie der Netzbetrieb konkret aussehen soll,“ erklärt der Beigeordnete der Stadt und Geschäftsführer der städtischen Energieversorgungsgesellschaft (EVG), Marcus Lübken, im Gespräch und betont: „Da gibt es sicherlich noch einiges zu prüfen.“

EVG-Geschäftsführer Marcus Lübken:
EVG-Geschäftsführer Marcus Lübken: Zu einem integrierten Stadtwerk gehören auch Netze

Und dann verweist er darauf: „Zu einem integrierten Stadtwerk gehören auch die Netze. Wir müssen es noch schaffen, die von den bisherigen Versorgern Westnetz, RWE und rhenag zu vertretbaren Bedin-gungen übernehmen zu können.“
Bei den Konzessionen dagegen sieht es anders aus. Viele Kommunen, hatten die Konzessionen für den Betrieb der Gas- und Stromnetze in den 1990er Jahren an private Unternehmen abgegeben. Lübken: „Die Stadt Sankt Augustin hat dagegen sowohl die Gas- als auch die Stromkonzession bereits in 2008 bzw. in 2012 an die eigene EVG vergeben. Deshalb sind diese Konzessionen für zwanzig Jahre vergeben, d.h. die Stromkonzession wird erst 2032 wieder vergeben werden können.“
Im Gegensatz zu fast zweitausend anderen Städten und Gemeinden in Deutschland muss sich die Stadt jetzt nicht erst die Konzessionen sichern. Das ist ein erheblicher Vorteil. Denn, inzwischen erschwert das Bundeskartellamt durch entsprechende rechtliche Vorgaben, dass die Konzessionen bei den Kommunen verbleiben oder relativ reibungslos an sie zurückgehen.(Siehe auch Artikel: Energieversorgung: Kommunen wollen es selbst machen) Die Stadt Sankt Augustin ist von diesen Problemen also befreit. Sie ist aber bestrebt, die Strom- und Gasnetze selbst in ihr Eigentum zu überführen. Dazu muss sie noch möglicherweise nicht ganz einfache Verhandlungen über den Preis mit den bisherigen Versorgern RWE, Westnetz und rhenag führen.

Das ist aber nicht das einzige Minenfeld das in den nächsten zwei Jahren zu überwinden ist. Die Parteien im Rat haben auch recht unterschiedliche Vorstellungen darüber wie die Stadtwerke ausgestaltet sein sollten. Einen Vorgeschmack darauf geben die Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden gegenüber Umwelt und Energie-Report ab.

SPD-Fraktionschef Marc Knülle: Keine Beteiligung von privaten Großversorgern an den Stadtwerken
SPD-Fraktionschef Marc Knülle: Keine Beteiligung von privaten Großversorgern an den Stadtwerken

Für die SPD erklärt deren Fraktionsvorsitzender Marc Knülle „Wir wollen 100% kommunale Stadtwerke zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Gas und Wasser als kommunale Daseinsvorsorge. Im Gegenzug zu politischen Mitbewerbern legen wir dabei besonderen Wert auf die 100% kommunale Ausrichtung der Stadtwerke. Kommunal beherrschte Stadtwerke wie andere es sich vorstellen, unter Beteiligung privater Großunternehmen lehnen wir ab.“
Für die Fraktion Aufbruch erklärt deren Fraktionsvorsitzender Wolfgang Köhler ebenfalls kategorisch: „Die Fraktion Aufbruch! sagt vorbehaltlos JA zu eigenen Stadtwerken für Sankt Augustin, und diese Stadtwerke sollen zu 100 % in kommunaler Hand sein. Andere Fraktionen im Stadtrat sprechen von ‚kommunal beherrschten Stadtwerken‘. Das kann aber auch bedeuten: 51 % hält die Stadt, 49 % hält ein Energiekonzern. Das will der Aufbruch! nicht.“

Aufbruch-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Köhler: Wir hoffen mit Titisee-Neustadt
Aufbruch-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Köhler: Wir hoffen mit Titisee-Neustadt

Die CDU dagegen kann sich auch andere Lösungen vorstellen. Deren Fraktionsvorsitzender, Georg Schell, erklärte uns: „… auch die Gas- und Stromnetze (sollen) grundsätzlich in das mehrheitliche Eigentum der Stadt überführt werden. In welcher genauen gesellschaftsrechtlichen Konstruktion und ggf. mit welchen Partnern dies umzusetzen ist, muss in den nächsten zwei Jahren intensiv geprüft werden. Für die CDU-Fraktion ist es dabei besonders wichtig, die wirtschaftlichste Lösung für die Stadt und ihre Bürger zu realisieren.“ Für die Grünen erklärte uns deren Frak- tionsvorsitzender Martin Metz: ” Es muss unbedingt verhindert werden, dass die Stadtwerke Sankt Augustin zu einer Art verlängertem Arm eines Energieriesen werden.”

CDU-Fraktionschef Georg Schell: Wir sind hür die wirtschaftslichste Lösung
CDU-Fraktionschef Georg Schell: Wir sind hür die wirtschaftslichste Lösung

Unabhängig von der Ausrichtung und Zusammensetzung der Stadtwerke, für ihre mögliche Gründung hat Marcus Lübken neben seiner Tätigkeit als Beigeordneter in Zusammenarbeit mit dem Rat und dem bisherigen Partner, Stadtwerke Bonn, bereits wichtige Vorarbeiten geleistet. Die können sich sehen lassen. Mit der Gründung der Energieversorgungsgesellschaft Sankt Augustin mbH (EVG) am 15. Januar 2008 wurde seinerzeit der erste Schritt unternommen, die Energieversorgung in die eigenen Hände zu nehmen. Dies immer mit dem großem Ziel vor Augen ab 2017 eigene, integrierte Stadtwerke aufzubauen, um die Bürger der Stadt dann selbst mit Gas, Strom und Wasser in Sankt Augustin versorgen zu können.
An der EVG ist die städtische Wasserversorgungsgesellschaft (WVG) mit 55% und die Stadtwerke Bonn-Beteiligungsgesellschaft (SWBB) sind mit 45 Prozent beteiligt. Die SWBB ist als Geschäftsbesorger „… unser Knowhow- und Ressourcenpartner“, betonte Lübken in einem Interview mit dem Bonner Generalanzeiger. Und erklärte weiter, dass die EVG sehr eng mit der SWB-Tochter EGM bei der Verwirklichung von Contractingprojekten zusammen arbeite und auch auf die Erfahrungen der SWB-Energie zurückgreife.

Grünen-Fraktionschef Martin Metz: Stadtwerke dürfen nicht verlängerte Arm eines Energieriesehn werden.
Grünen-Fraktionschef Martin Metz: Stadtwerke dürfen nicht verlängerte Arm eines Energieriesehn werden.

Aufgabe der EVG ist heute bereits: „…die sichere, wirtschaftliche sowie umwelt- und ressourcenschonende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft, öffentlicher Einrichtungen und sonstiger Kunden mit Energie, Nahwärme und energienahen Dienstleistungen,“ ist auf der website der Gesellschaft nachzulesen.
Die EVG ist seit 1. Januar 2013 Besitzerin wie auch wirtschaftliche Eigentümerin sowohl des Strom- als auch des Gasnetzes in Sankt Augustin, zudem auch Konzessionsinhaberin für die Wegenutzungsrechte im Strom- und im Gasbe-reich. Damit ist die EVG an allen Investitionsentscheidungen über die Erneuerung oder Erweiterung beider Netze beteiligt und koordiniert für die Netzbetreiber rhenag und Westnetz alle Baumaßnahmen in diesem Zusammenhang, ist dort weiter zu lesen. Diese Formulierungen verblüffen den Leser vielleicht zunächst, denn es liest sich zunächst so als gehörten der Stadt bereits wieder alle Netze. Und eingangs unseres Berichts hatten wir doch geschrieben, dass die Stadt die Netze von den Versorgern und Netzbetreibern Westnetz, RWE und rhenag erst noch erwerben will!. Das Schlüsselwort zum Verständnis der komplizierten Verhältnisse heißt: Doppelstockpachtmodell. Die Stadt hat die Netze von den bisherigen Versorgern gepachtet und zurückverpachtet, so könnte man formulieren.
Die SPD hatte dagegen bereits in der Vergangenheit immer wieder gefordert Schritte einzuleiten, um an die Netze zu kommen, wenn nötig auch Klage einzureichen. Der Rat hatte sich jedoch dagegen entschieden, dies mit der Begründung dieser Weg sei zu dem Zeitpunkt weder wirtschaftlich noch zielführend. Durch die Pachtlösung hat sich der Rat alle Optionen offen lassen wollen, in welcher Form er die Netzübernahme gestalten möchte.
Will man aber die Netze von den bisherigen Netzbetreibern und privaten Energiever-sorgern künftig übernehmen, das heißt richtig kaufen, stellen sich sicher noch viele andere Fragen, ist sich Marcus Lübken sicher. „Unabhängig vom Preis, ist die Frage zu beantworten wer denn künftig, wenn der Stadt die Netze, nach erfolgreichem Kauf, gehören sollten,die Netze pflegt?“ Dazu müsste das entsprechende Personal bereit gestellt und das Know How geschaffen werden. Weiter stellt sich die Frage: Wer liefert den Strom? Wer das Gas? Wer macht das gesamte Abrechnungswesen mit den Bürgern, die von der Stadt ihre Energie beziehen? Und möglicherweise erzeugt die Stadt künftig auch noch mehr eigenen Strom mit Photovoltaik- und Windanlagen! Wer sorgt dafür, dass dieser Strom gewinnbringend in das städtische Netz integriert wird? Inzwischen wird auch dieser Strom andernorts bereits an Strom-Börsen gehandelt, wenn man ihn zur erzeugten Zeit nicht selbst nutzen kann. Wer verkauft für die Stadt den Strom an die Börse? Umgekehrt: Wer kauft für die Stadt an der Börse den Strom ein? Inzwischen ist für diese ganze Handhabung der Aufbau von umfassenden digitalen Strukturen notwendig, verbunden mit entsprechenden Kosten. Deshalb ist der Aufbau von eigenen Stadtwerken auch von der Stadt Sankt Augustin im Detail sicher sehr sorgfältig zu prüfen.
Denn: Auch die Energie-Versorgungsgesellschaft Sankt Augustin (EVG) errichtet bereits jetzt Photovoltaik- Anlagen auf öffentlichen Gebäuden und beliefert seit Beginn des Jahres 2013 mehr als 400 Abnahmestellen der Stadt mit Ökostrom. 22.12.14 Prospekt Rebhuhnfeld
Darüber hinaus steht sie in Gesprächen über verschiedene Contracting-Projekte, die dem Auf- und dem Ausbau einer dezentralen Energiever-sorgung in Sankt Augustin mittels Kraft- Wärme-kopplung dienen werden. Die Gesellschaft ist Ende 2013 mit Zustimmung des Stadtrates und des Kreises bei der Bürger-Energie-Genossenschaft eingestiegen und hat Geschäftsanteile in Höhe von 15 000 Euro erworben. Die Zustimmung des Kreises war erforderlich, weil er über die Stadtwerke Bonn und die Beteiligungsgesellschaft Bonn/ Rhein-Sieg (BRS) an der EVG beteiligt ist.

Beitrag zur regionalen Energiewende

Mit ihrem Einstieg beabsichtigt die EVG ihr Engagement bei der Erzeugung regenerativer Energie auszubauen und damit einen Beitrag zur regionalen Energiewende zu leisten. Dazu sollen vorrangig Dachflächen auf städtischen Schulgebäuden zur Verfügung gestellt werden. Zu den mehr als 50 Mitgliedern der  Genossenschaft gehören unter anderem der Rhein-Sieg-Kreis, die Städte Siegburg, Lohmar und Hennef, die Gemeinde Much sowie zahlreiche Privat-leute.
Die EVG betreibt selbst auch ein komplettes Nahwärmenetz inklusive Block-kraftheizwerk für alle 141 Wohneinheiten im Neubaugebiet Rebhuhnfeld in Menden. Dazu wurde 2013 mit dem Bau eines kompletten Nahwärmenetzes inklusive Blockheizkraftwerk für alle 135 Wohneinheiten im Neubaugebiet Fasanenweg an der Meindorfer Straße begonnen.

Die Gesellschaft beteiligt sich auch an dem Projekt KlimaSIEDLUNG PLUS. Im Wohngebiet Spichelsfeld. Hier steht nicht nur die energetische Sanierung der Ende der 70er und Anfang der 80er gebauten Häuser in denen rund eintau- send Menschen leben, auf dem Prüfstand. Ein Blockheizkraftwerk soll womög- lich die Häuser auf dem vierhundert Grundstücke umfassenden Wohngebiet mit Energie versorgen. Was nach Einschätzung von Lübken und seinen Mitakteuren günstigere Bedingungen schafft als viele Einzelheizungen.12.12.14 Fertighaus Messe Roth Photovoltaic
Bemerkenswert ist das Solar- und Gründachpotenzialkataster der Stadt. Das gibt für alle Gebäude des Stadtgebietes Auskunft über die Möglich-keiten der Anlage eines Solar- oder Grün- daches. Ein Wirtschaftlichkeitsrechner bietet erste Anhaltspunkte ob sich eine Anlage rechnet. Die Energieversorgungs-gesellschaft Sankt Augustin hat die Erstellung des Katasters finanziell gefördert. Ein Wirtschaftlichkeitsrechner gibt einen ersten Anhaltspunk darü- bert, wie die Wirtschaftlichkeit einer Anlage wäre. Wer das Kataster  nutzen will erhält noch den Hinweis, dass die Analyseergebnisse des  auf einem auto- matisierten Verfahren (Datenbasis der Laserscandaten ist das Jahr 2010) basieren. Und: „Eine Fachberatung ersetzt das Kataster nicht. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr.“
„Wir wollen die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Energie- versorgung fördern und zugleich unseren Beitrag zu einer nachhaltigen, effi- zienten und wertschöpfenden dezentralen Energiever-sorgung leisten“, beto- nen die Geschäftsführer Marcus Lübken und Marco Westphal die Innovations- kraft der EVG, die hierbei bisher auf das Know-how ihres Ressourcenpartners Stadtwerke Bonn (SWB Energie und Wasser) zurückgreift. Im Gespräch betont Lübken, dass er sich dies umso mehr von eigenen Stadtwerken erhofft. Ihm ist aber zugleich bewusst, dass sich dies natürlich unter anderem auch an Preisen festmacht, die die eigenen Stadtwerke bei der Energielieferung an ihre Bürger gewähren können. Grüne:Energiewende geht nur mit klugen Netzen; Aufbruch: Wir hoffen mit Titisee-Neustadt; Stadtwerke: CDU für wirtschaftslichste Lösung; SPD: Keine Grossunternehmen beteiligen