Die dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager:
Die dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager: Verhindern, dass Verbraucher überhöhte Strompreise zahlen …

 „Blackout sollte für die europäischen Unternehmen und Verbraucher ein Fremdwort sein“, erklärte gestern, Mittwoch 13 April,  die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager. Nach ihrer Darstellung können Kapazitätsmechanismen dabei helfen, Stromausfälle zu vermeiden und verhindern, dass Verbraucher  überhöhte Strompreise zahlen müssten.

Zugleich dürfe es auch  nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Wie der heute veröffentlichte Zwischenbericht zur Sektoruntersuchung der europäischen Wettbewerbsaufsicht in Bezug auf die nationalen Maßnahmen zur Sicherung einer ausreichenden Stromversorgung (sogenannte Kapazitätsmechanismen) zeige, so die Kommissarin, besteht in den Mitgliedstaaten erheblicher Verbesserungsspielraum bei der Bedarfsprüfung und der genauen Ausgestaltung von Kapazitätsmechanismen. Gut ausgestaltete Kapazitätsmechanismen zeichneten sich durch Offenheit und dadurch aus, dass die Möglichkeit, Strom aus dem Ausland zu beziehen, berücksichtigt werde. „Auf diese Weise tragen sie auch zum Aufbau einer Energieunion in Europa bei,” stellte Vestager fest.

Im  April vergangenen Jahres…

…  hat die Kommission eine beihilferechtliche Sektoruntersuchung in Bezug auf die nationalen Maßnahmen eingeleitet, mit denen sichergestellt werden sollte, dass jederzeit angemessene Stromerzeugungskapazitäten zur Verfügung stehen und die Stromversorgung gesichert ist (sogenannte Kapazitätsmechanismen).

Vernetzter sicherer Energiemarkt, hier Nachtspeicher
Vernetzter sicherer Energiemarkt, hier Nachtspeicher

Die Untersuchung ergänzt die  die Strategie der EU-Kommission für die Energie Union mit der ein vernetzter, integrierter und sicherer Energiemarkt in Europa geschaffen werden soll.

Im Laufe des seither vergangenen Jahres sind bei der Kommission umfangreiche Informationen von mehr als 120 Marktteilnehmern und öffentlichen Stellen über die ehemaligen, bestehenden und geplanten Kapazitätsmechanismen in folgenden 11 Mitgliedstaaten eingegangen:

Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, Polen, Portugal, Spanien und Schweden.

In diesen Mitgliedstaaten bestehen 28 Kapazitätsmechanismen, die sechs Kategorien zugewiesen werden können. Der gängigste Mechanismus sind strategische Reserven, bei denen der Staat bestimmte Kraftwerke dafür bezahlt, dass sie im Bedarfsfall wieder ans Netz gehen.

In der jüngeren Vergangenheit getroffene Maßnahmen der Mitgliedstaaten lassen darauf schließen, dass es ferner eine Tendenz zur Einführung offenerer und inklusiver Mechanismen gibt, an denen sich Kapazitätsanbieter sämtlicher Kategorien beteiligen können. Dies ist eine positive Entwicklung: Wenn eine echte Energieunion geschaffen und die Kosten für Verbraucher und Unternehmen möglichst gering gehalten werden sollen, müssen diese Kapazitätsmechanismen allen in- und ausländischen Versorgern unabhängig von der verwendeten Technik offenstehen.

Aus dem heute veröffentlichten Zwischenbericht…

… geht jedoch hervor, dass die Mitgliedstaaten in vielen Fällen nicht hinreichend und belastbar analysieren, ob sie Kapazitätsmechanismen wirklich benötigen.

Außerdem lässt die Untersuchung erkennen, dass manche der bestehenden Mechanismen zielgerichteter und kosteneffizienter ausgestaltet werden könnten. Diese Erkenntnisse greifen der Beurteilung der Vereinbarkeit der einzelnen Kapazitätsmechanismen mit den EU-Beihilfevorschriften nicht vor, die einer Einzelfallprüfung unterliegt.

Kapazitätsmechanismen sind in bestimmten Fällen erforderlich,…

Einige Mitgliedstaaten bringen, so die Kommission, ihre Sorge darüber zum Ausdruck, dass das Stromangebot den Bedarf bald möglicherweise nicht mehr decken kann, da wegen Unsicherheiten am Markt und regulatorischen Eingriffen nicht ausreichend in die Stromversorgung investiert werde.

Mit flexibler Stromnutzung Geld verdienen, bild bmwi
Auch beiflexibler Stromnutzung …bild bmwi

Zudem müsse der Bedarf auch dann vollständig gedeckt werden, wenn die Stromerzeugung aus den schwankungsanfälligen erneuerbaren Energiequellen nicht ausreiche (etwa weil gerade weniger Wind- oder Sonnenenergie zur Verfügung steht).

Nach den vorläufigen Untersuchungsergebnissen würde der Markt in bestimmten Regionen aus eigener Kraft derzeit keine angemessene Versorgungssicherheit gewährleisten.

Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass in mehreren Ländern eher niedrige Preisobergrenzen bestehen oder die Investoren offenbar davon ausgehen, dass die Strompreise in Zeiten von Strommangel nicht so stark steigen, als dass sich Investitionen in Erzeugungskapazitäten lohnen würden.

Die aktuellen Reformpläne zur Umgestaltung des Strommarktes – eines der Hauptziele der EU im Bereich der  Energieunion– zielen deshalb auf eine erhebliche Verbesserung des Funktionierens der Märkte ab. Kapazitätsmechanismen können jedoch in bestimmten Fällen erforderlich sein, beispielsweise um in Übergangszeiträumen auftretende Engpässe zu überbrücken, stellt die Kommission in ihrem Zwischenbericht fest.

… es muss jedoch ein tatsächlicher Bedarf bestehen…

Aus den vorläufigen Untersuchungsergebnissen der Kommission geht hervor, dass viele Kapazitätsmechanismen entworfen wurden, ohne dass vorher geprüft worden wäre, ob die Versorgungssicherheit auf dem betreffenden Markt überhaupt gefährdet ist.

Strom: Welches Versorgungsniveau ist gesichert ...?
Strom: Welches Versorgungsniveau ist gesichert …?

Fast die Hälfte der untersuchten Mitgliedstaaten hat nicht angemessen ermittelt, welches Versorgungsniveau in ihrem Hoheitsgebiet sichergestellt werden muss, bevor der Kapazitätsmechanismus eingerichtet wurde. Zudem sind die Methoden zur Bewertung der Versorgungssicherheit von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich, was den Vergleich und die Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg erschwert. Viele Bedarfsprüfungen erfolgen aus rein nationaler Perspektive und lassen die Möglichkeit, dass Strom auch aus dem Ausland bezogen werden kann, unberücksichtigt. Solange kein detaillierter und einheitlicher Ansatz zur Feststellung von Problemen und Bewertung von Risiken vorliegt, besteht die Gefahr, dass öffentliche Mittel zur Finanzierung teurer, nicht erforderlicher Kapazitäten verwendet werden und höhere Preise für die Verbraucher und Unternehmen in der EU zur Folge haben.

… und die Ausgestaltung muss verbessert werden

Die Kommission stellte auch fest, dass viele Mitgliedstaaten nicht angemessen geprüft hätten, auf welchem Weg die Versorgungssicherheit am besten gewährleistet werden kann.

Zweitens werde der Preis für Stromkapazitäten in den meisten Mitgliedstaaten nicht durch ein wettbewerbliches Verfahren ermittelt, sondern entweder vom Mitgliedstaat festgesetzt oder bilateral zwischen dem Mitgliedstaat und dem Kapazitätsanbieter ausgehandelt. Dies berge eine erhebliche Gefahr von Überkompensation und damit einhergehender Subventionierung des Stromanbieters. Drittens seien viele Kapazitätsmechanismen nicht für alle potenziellen Kapazitätsanbieter bzw. Technologien offen. Dies könne dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den Anbietern unnötig eingeschränkt werde oder der für die Kapazitäten gezahlte Preis zu hoch ausfalle. Schließlich habe die Untersuchung ergeben, heißt es, dass Kraftwerke aus anderen Mitgliedstaaten meistens von der direkten oder indirekten Beteiligung an nationalen Regelungen ausgeschlossen seien.

Wenn sich diese Bedenken bestätigten, könnten die Kapazitätsmechanismen den Wettbewerb verzerren und zu höheren Energiepreisen führen, weil bestimmte Stromerzeuger bzw. Technologien übermäßig begünstigt würden, und sie zudem den grenzüberschreitenden Stromhandel beeinträchtigten.

Nächste Schritte …

Der gestern, Mittwoch, 13 April,  veröffentlichte Zwischenbericht wird nun, laut Kommissions-Ankündigung,  einer öffentlichen Konsultation unterzogen.

Die Kommission bittet die Mitgliedstaaten, Interessenträger im Stromsektor und andere Beteiligte, bis zum 6. Juli 2016 zu dem Zwischenbericht und dem beigefügten Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen Stellung zu nehmen. Unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen werde die Kommission noch in diesem Jahr einen Abschlussbericht über die Ergebnisse der Sektoruntersuchung veröffentlichen. Bis dahin werde die Kommission prüfen, inwieweit die Kapazitätsmechanismen mit den EU-Beihilfevorschriften und insbesondere den  Leitlinien für staatlichen Umweltschutz und   Energiebeihilfen 2014 – 2020 vereinbar sind.

Außerdem werden die Ergebnisse der Untersuchung in die Legislativvorschläge zur Umgestaltung der Strommärkte einfließen, die im Laufe dieses Jahres vorgelegt werden sollen.