Der Händedruck zwischen Kreml-Chef Wladimir Putin und EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker besagt noch nichts darüber wie es mit dem geplanten Bau der Gaspipeline Nord-Stream 2 weiter geht ...d Bild Michail Klementjew, Sputnik
Der Händedruck zwischen Kreml-Chef Wladimir Putin und EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker besagt noch nichts darüber wie es mit dem geplanten Bau der Gaspipeline Nord-Stream 2 weiter geht …d Bild Michail Klementjew, Sputnik

Der geplante Bau der Gas- Pipeline Nord Stream 2, die zusätzliches Erdgas von der russischen Ostseeküste bis direkt an die deutsche Küste transportieren soll,  ist in der  EU heftig umstritten. Der Kommunikationschef der Nord-Stream 2 AG, Ulrich Lissek, begründet hier für Umwelt- und Energie-Report warum es die Pipeline geben muss.

Nord Stream 2: Warum 6 % des EU-Energieverbrauchs 90 % Aufmerksamkeit in Brüssel erfahren

Von Ulrich Lissek, Head of Communications and Governmental Relations Nord Stream 2 AG
Ulrich Lissek Communications Director, Nord-Stream 2 AG:
Ulrich Lissek Communications Director, Nord-Stream 2 AG:

Die politische Debatte um eine Pipeline beschäftigen ganze Arbeitsstäbe in der EU, ihren Mitgliedsstaaten und in Washington. Vor dem Erklärungsversuch des „Warum“ zunächst einige Fakten, deren Berücksichtigung zur Versachlichung beitragen können.

Ein ökonomisches Muss

 Alle Experten sind sich darüber einig, dass die Eigenproduktion von Erdgas in Europa sinken wird.

Das werden in den nächsten 20 Jahren knapp 100 Milliarden Kubikmeter pro Jahr sein (Niederlande 40, Großbritannien und Norwegen jeweils mehr als 25 Mrd. Kubikmeter). Die Auffassungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zum darüber hinaus gehenden wachsenden Bedarf unterscheiden sich hinsichtlich der Mengen. Unstrittig aber ist: Zusätzliches Erdgas muss importiert werden und dafür werden neue Infrastruktur-Projekte benötigt. Hier sehen die Experten russisches Erdgas und LNG als Pfeiler der zukünftigen Versorgungssicherheit. Nord Stream 2 ist also ein Teil der Lösung (vgl. dazu IHS Energy European Gas Long-Term Supply and Demand Outlook to 2040, July 2015).

 Aus diesen wirtschaftlichen Gründen

Aktueller Routenverlauf von Nord-Stream und alternative Anlandungen usw
Aktueller Routenverlauf von Nord-Stream und alternative Anlandungen usw

haben sich namhafte Unternehmen aus Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Deutschland und Russland dazu entschieden, in neue Infrastruktur für die Versorgungssicherheit zu investieren.

Hinsichtlich des Einflusses neuer Transportkapazitäten aus Russland auf die Versorgung der EU ist zu konstatieren, dass die Diversifizierung der EU-Gasversorgung auf sehr gutem Weg ist. LNG-Kapazitäten, Interkonnektoren und Reverse Flows haben die Optionen der Länder bereits grundlegend verbessert. Zum Beispiel kann sich Polen nach Angaben der polnischen Netzbetreiber bereits zu 90 % aus nicht-russischen Quellen versorgen (rund 20 %

Eigenproduktion, 40 % LNG-Hafen in Swinemünde, 30 % Reverse Flow aus Deutschland oder Tschechien). Diese Entwicklung vollzieht sich auch in anderen Ländern wie Litauen, Estland usw. Und selbst die Ukraine bezieht zwei Drittel des eigenen Gasverbrauchs aus dem Westen.

25.03.16 Pfeil für TextDer Anteil russischen Erdgases am Gasverbrauch in der EU

beträgt zurzeit rund 30 %. Daran wird auch Nord Stream 2 nichts grundlegend ändern, weil bei unbestreitbar wachsendem Importbedarf russisches Erdgas erneut nur ein Teil der Lösung ist.

Der Anteil von Erdgas aus Russland am gesamten Energieprimärverbrauch der EU beträgt 6 %. Andererseits braucht Russland die EU als wichtigsten Absatzmarkt, wohin rund 60 % des Exports fließen.

 Neue Leitungskapazitäten schaffen keine Abhängigkeiten und keinen Kaufzwang. Vielmehr wird der bereits vorhandene Wettbewerb weiter gestärkt. Sobald das Gas in der EU landet, wird es im Binnenmarkt gehandelt. Die Preise werden von Angebot, an Konkurrenzprodukten wie Kohle aber auch an Gas aus anderen Ländern, und Nachfrage bestimmt.

Die Abnehmer entscheiden, welche Quelle und welchen Transportweg sie zu welchen Kosten wählen. Mehr Angebot an den Handelsplätzen – auch von anderen Lieferländern – wird das Gas als Brennstoff wettbewerbsfähiger machen – zum Nutzen von Konsumenten, Industrie und Klimaschutz.

25.03.16 Pfeil für Text Der schnellste Weg zum Klimaschutz

 Wer darüber hinaus wirklich am Klimaschutz interessiert ist, kommt am Gas als Brückenlösung nicht vorbei. Als flexible Ergänzung zu erneuerbaren Energien liegt die CO2-Emission bei der Stromerzeugung aus Gas bei der Hälfte der Kohleverstromung.

G 7-Sitzung Schloss Elmau:  Hier war man sich in Sachen Dekarbonisierung  einig und auch ...; Bild Bundesregierung Kugler
G 7-Sitzung Schloss Elmau: Hier war man sich in Sachen Dekarbonisierung einig und auch …; Bild Bundesregierung Kugler

Eine Dekarbonisie-rungsstrategie sollte sich daher primär darauf konzentrieren, zuallererst in den Anteil von Kohle am EU-Energiemix von 26 % (2014) durch Gas zu ersetzen, das nur einen Anteil von 15 % hat.

 Großbritannien hat gezeigt wie es geht…

Trotz des zwischen 1990 und 2013 um 11 % gestiegenen Energieverbrauchs wurden im gleichen Zeitraum die CO2-Emissionen in der Stromerzeugung um 29 % gesenkt. Diese beeindruckende Bilanz ist vorrangig auf den Ersatz von Kohle durch Gas zurückzuführen.

Die EU kommt selbst zu dem Schluss, dass nach aktuellem Stand das Ziel einer Reduktion der CO2-Emissionen um 40 % bis 2030 nicht zu erreichen ist. Würde der in der EU aus Kohle erzeugte Strom auf der Basis von Gas erzeugt, könnte die EU rund 500 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Die Branchenexperten von IHS Energy gehen davon aus, dass Ersatz von Kohle allein durch bereits vorhandene Anlagen zur Stromerzeugung aus Gas zu einem zusätzlichen Gasbedarf von 30 Mrd. Kubikmetern führen würde. Fazit: Ohne mehr Gas im Energiemix bleiben gesetzte

in Paris, nach Unterzeichnung des Klimaabkommens. Nach gelungenem Klima-Vertrag posiert eine fröhliche Verhandluingsrunde: Alle Staaten müssen noch ratifizieren ...
in Paris, nach Unterzeichnung des Klimaabkommens. Nach gelungenem Klima-Vertrag posiert eine fröhliche Verhandluingsrunde: Alle Staaten müssen noch ratifizieren …

Klimaschutzziele eine Illusion. Mehr Gas muss die russischen Quellen in strategischer Nachbarschaft einschließen, wozu neue Transportkapazitäten unumgänglich sind.

 Plädoyer für eine ehrliche Debatte

Woher rührt nun der Eindruck, dass sich die öffentliche Debatte gegen ein Projekt wendet, das ökonomisch und ökologisch absolut sinnvoll ist?

25.03.16 Pfeil für TextDie heutige Diskussion ist zweifelsohne auch Ausdruck des sich im Sinne der Gaskunden verstärkenden Wettbewerbs. Russisches Gas, effizient durch moderne Pipelines transportiert, hat Wettbewerbsvorteile insbesondere gegenüber dem LNG. Diesen Wettbewerber schon heute mit politischen Debatten zu limitieren, scheint Teil des Konkurrenzkampfes. So kann man die verstärkten Aktivitäten aus den USA so werten, dass geeignete Rahmenbedingungen für LNG aus dem eigenen Land geschaffen werden sollen.

 Der diversifizierte Binnenmarkt

wird ebenfalls den Wettbewerb von Transportkapazitäten fördern. Polen z.B. kann mit Gas aus verschiedenen Quellen und dem Ausbau des eigenen Gasnetzes in Nord-Süd-Richtung zu einem nordosteuropäischen Gashub werden, muss sich dabei aber im Wettbewerb behaupten.

Ein weiteres nachvollziehbares Interesse verschiedener Länder ist die Sicherung von umfassenden Einnahmen aus Transitgebühren. Aber auch dabei müssen sich Leitungssysteme hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit und ihres Preises den neuen Anforderungen flexibler Gasflüsse in verschiedenen Richtungen sowie wachsendem Wettbewerb stellen.

25.03.16 Pfeil für Text Letztendlich haben viele Gesprächspartner bestätigt, dass rational vieles für Nord Stream 2 spricht, der Widerstand aber ein politisches Signal an Moskau sein soll.

Insofern wäre es aus Projektsicht wünschenswert, eine ehrliche Debatte zu führen. Wirtschaftliche und politische Interessen sollten nicht hinter Schlagworten aus früheren Zeiten wie „Abhängigkeit“, „Monopol“ oder „die Pipeline als politische Waffe“ versteckt werden. Die Frage nach der Auswahl von Lieferrouten ist eine gaswirtschaftliche Frage, von Kosteneffizienz, Emissionseinsparung und Konsumentenfokus getrieben, nicht von politischen Erwägungen. Fakt bleibt, dass eine neue Pipeline aus Russland ein Beitrag für Versorgungssicherheit, Wettbewerb im Sinne des Verbrauchers und den Klimaschutz in der gesamten EU ist.

Lesen Sie dazu auch unseren Bericht: Nord-Stream 2: Bauen oder nicht? Juncker hat Vorbehalte     und auch:

Empfehlen USA Pause beim Bau von Nord-Stream 2? 

und auch:Nord-Stream 2: Berlin gibt sich gelassen gegenüber Protesten