Ob die Brennelementefabrik in Lingen den aus Sicherheitsgründen heftig umstrittenen Pannenreaktoren Tihange 2 an der Grenze zu Aachen  und Doel in Belgien mit Brennstäbe liefern kann war bereits im Juli vergangenen Jahres Thema in einer Bundespressekonferenz in Berlin. Hierzu berichten wir weiter unten. Jetzt ist allerdings bekannt geworden, dass das Atom-Werk Lingen    mit Billigung des 30.03.17 BundespressekonferenzBundesumwelt-ministeriums seit Anfang März erstmals die belgischen  Pannenreaktoren mit Brennelementen beliefert  hat. Das hat hohe Wellen geschlagen.(Wir berichteten bereits mehrfach , s. unten) Die Lieferungen sind durch Hinweise auf die aktuelle Transportliste des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), und durch  Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken sowie Recherchen des WDR hervorgegangen.

Die Bundesregierung hatte die Lieferung von 68 Brennstäben  im Juni letzten Jahres genehmigt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits Zweifel an der Sicherheit des Kraftwerks hatte.  Das Bekanntwerden  führte zu heftiger Kritik in der Öffentlichkeit. Zugleich wurde die Bundesumweltministerin, die zuvor die belgische Regierung aufgefordert hatte, Tihange 2 stillzulegen, des heftigen Widerspruchs bezichtigt. Bekannt war auch, dass die Bundesregierung rechtlich prüfen lassen will, ob die Urananreicherungsanlage  in Gronau still gelegt werden kann. (auch darüber hatten wir berichtet, s. unten)

25.03.16 Pfeil für TextNun will die Bundesregierung rechtlich auch prüfen lassen, ob auch die Brennelementefertigung in Lingen still gelegt werden kann. Die Prüfungen würden jedoch noch Monate in Anspruch nehmen.

Doch bereits am 22. Juli vergangenen Jahres nahm eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums, Frauke Stamer, in der Bundespressekonferenz zu Fragen Stellung, ob die Bundesregierung dem französischen Betreiber der     Brennelementefertigung in Lingen den Transport, die Lieferung der Brennstäbe an die heftig umstrittenen, unsicheren belgischen Pannenreaktoren untersagen kann. Wir geben hier die Fragen der Journalisten und  umfassenden  Antworten der Sprecherin wieder.

Aus dem Protokoll der Bundespressekonferenz vom 22. Juli 16:

„Frage: Ich habe eine Frage an das Umweltministerium. Aus Deutschland werden laufend Kernbrennstoffe aus Atommeilern nach Cattenom in Frankreich und in andere Kraftwerke gebracht, und zwar mit einer Ausfuhrgenehmigung aus Deutschland. Seit heute liegt ein Rechtsgutachten des IPPNW dazu vor, das das für unzulässig erklärt, weil diese Betriebsstätten in Frankreich und in Belgien nicht sicher oder nicht zuverlässig arbeiten würden. Können Sie etwas dazu sagen, warum diese Exporte weiterhin stattfinden?

Antwort Stamer (BMUB) : …  Zunächst einmal ein kurzer Hinweis zur rechtlichen Lage: Es ist so geregelt, dass der Antragsteller, der Kernbrennstoffe ins Ausland – auch in das europäische Ausland – exportieren und transportieren will, dafür eine Ausfuhrgenehmigung – die erteilt das BAFA – und eine

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in Brüssel: Deutsche Nicht nur die deutschen Bürger machen sich große Sorgen um die belgischen Atommeiler ...
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in Brüssel:  Nicht nur die deutschen Bürger machen sich große Sorgen um die belgischen Atommeiler …

Transportgenehmigung braucht. Im Atomgesetz ist das so geregelt, dass, wenn der Antragsteller alle Voraussetzungen für eine Genehmigung erfüllt, die Behörden nach dem Gesetz dann eine Genehmigung erteilen müssen. Die Juristen nennen das eine gebundene Genehmigung. Das BAFA hat in diesem Fall keinen Ermessensspielraum.

Sie wissen: Es stehen die Urananlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen in der Diskussion. Sie wissen, dass diese beiden Anlagen beim politischen Konsens zum Atomausstieg 2011 ausgenommen worden sind. Das mag man bedauern, aber derzeit ist die rechtliche Grundlage so. Die beiden Anlagen haben eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Im Übrigen sind die zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden für Gronau das Wirtschaftsministerium in NRW und für Lingen das Umweltministerium in Niedersachsen.

Ihre zweite Frage bezieht sich auf das Gutachten, das heute vorgestellt worden ist. Wir kennen den Termin. Wir werden uns dieses Gutachten natürlich sehr genau und gründlich anschauen. Wir werden die Frage prüfen, ob sich für das BAFA rechtlich tragfähige Gründe dafür ergeben, Sicherheitsbedenken gegen ausländische Atomkraftwerke bei der Prüfung von Ausfuhranträgen zu berücksichtigen.

Zusatzfrage: Nun werden aus Sicht der Bundesregierung, wenn ich das richtig verstanden habe, auch noch die Atomkraftwerke Fessenheim, Cattenom und Doel in Belgien als nicht betriebssicher eingestuft. Warum kann dann trotzdem dorthin exportiert werden?

Stamer: Also noch einmal: Ich habe Ihnen die rechtliche Grundlage erläutert und gesagt, wie die rechtliche Grundlage hier ist. Durch die Behörde muss, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, eine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden. Da gibt es keinen Ermessensspielraum. Ich habe das ja, wie gesagt, ausgeführt.

Was die Fragen angeht, die das Gutachten aufwirft, das heute vorgestellt worden ist, habe ich Ihnen ja gesagt, welcher Frage wir nachgehen werden.

Im Übrigen kann ich hier noch einmal darauf verweisen, dass gerade Bundesumweltministerin Hendricks in Gesprächen zum Beispiel mit dem zuständigen Minister in Belgien ja die Bedenken thematisiert

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks : Erst kürzlich hatte sie dem belgischen Innenminister Jambon ihre Befürchtungen mitgeteilt. Jamobon hatte nach den Anschlägen seinen Rücktritt angeboten ...
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks : Erst kürzlich hatte sie dem belgischen Innenminister Jambon ihre Befürchtungen mitgeteilt. Jamobon hatte nach den Anschlägen seinen Rücktritt angeboten …

hat, die es vor allen Dingen in der grenznahen Region gibt. Wir haben dem belgischen Minister einen Katalog mit 15 aus unserer Sicht offenen Sicherheitsfragen übergeben. Das sind Fragen, die Experten aufgelistet haben. Wir stehen im fachlichen Gespräch mit den Belgiern. Sie wissen, dass die Ministerin die Bitte – wie gesagt: die Bitte – geäußert hat, dass die hier in Rede stehenden belgischen Anlagen so lange vom Netz genommen werden, bis diese Fragen geklärt sind.“