Wegen der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima hatte die Bundesregierung 2011 für die 17 deutschen Kraftwerke eine nur wenige Monate zuvor beschlossene Laufzeit-Verlängerung zurückgenommen. Vattenfall hatte wegen des beschleunigten Atomausstiegs keine Möglichkeit mehr, die seinen beiden deutschen Kraftwerken Krümmel und Brunsbüttel ursprünglich zugeteilten Strommengen konzernintern zu produzieren und auf Schadenersatz geklagt.

Die Bundesregierung respektiert selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts." ... Svenja Schulze, bild Steffen Kugler
“… Die Bundesregierung respektiert selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.” … Svenja Schulze, bild Steffen Kugler

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2016 nach Klagen von Eon, RWE und Vattenfall geurteilt, dass die Gesetzesnovelle, die diese Kehrtwende besiegelte, zwar im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar war. Bis 2023 soll der Konzern dafür Ausgleichszahlungen in Millionenhöhe erhalten können, entschied gestern Donnerstag, 12. November, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Das Bundesumweltministerium (BMU) bestätigte gestern,  das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe seinen Beschluss zu der Verfassungsbeschwerde des Energieversorgungsunternehmens Vattenfall gegen die mit dem Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (16. AtG-Novelle) geschaffenen Paragraf 7f Absatz 1 und 2, Paragraf 7g Absatz 2 Satz 1 des Atomgesetzes (AtG) verkündet. „Es hat entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde Vattenfalls zulässig und begründet ist.“

“Die Bundesregierung respektiert selbstverständlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“, erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze und wies auch darauf hin man werde  das Urteil gründlich analysieren „…und zügig eine Gesetzesregelung auf den Weg bringen, die den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes gerecht wird. Klar ist, dass das heutige Urteil nicht den Atomausstieg bis 2022 an sich betrifft, der vom Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen schon 2016 bestätigt wurde. Es geht um einen Randbereich: Regelungen für gewisse etwaige Ausgleichsansprüche der AKW-Betreiber.”

Mit der 16. AtG-Novelle hatte der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016 umzusetzen. Paragraf 7f Absatz 1 und 2, Paragraf 7g Absatz 2 Satz 1 AtG regeln einen Ausgleichsanspruch für die Genehmigungsinhaber der Atomkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Mülheim-Kärlich, soweit die diesen Atomkraftwerken im Jahre 2002 zugewiesenen Elektrizitätsmengen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 trotz ernsthaften Bemühens nicht auf ein anderes Atomkraftwerk übertragen werden.

Das BVerfG hat entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde Vattenfalls zulässig und begründet ist. Die 16. AtG-Novelle sei nicht wirksam in Kraft getreten, da keine der beiden von der Novelle selbst vorgesehenen Inkrafttretensvoraussetzungen erfüllt seien. Zum Einen handele es sich bei dem von der EU-Kommission diesbezüglich übermittelten Schreiben (“Comfort Letter”), in welchem sie mitgeteilt hatte, eine beihilferechtliche Prüfung sei nicht erforderlich, lediglich um eine unverbindliche Stellungnahme, welche entgegen der Auffassung der Bundesregierung die Bedingungen der Inkrafttretensvorschrift nicht erfülle.

Zum Anderen hat das BVerfG festgestellt, dass das Gesetz auch materiell nicht ausreiche, die bestehenden verfassungsrechtlichen Defizite zu beseitigen. Insbesondere sei die oben genannte „Bemühensobliegenheit“ zu unbestimmt. Zwar könne der Ausgleichsanspruch grundsätzlich an die Bedingung geknüpft werden, dass der Antragsteller versuche, die noch vorhandenen Strommengen zu verwerten. Hierfür müsse die entsprechende Regelung allerdings Bedingungen vorsehen, die es dem Antragsteller ermöglichen, klar zu erkennen, zu welchen Bedingungen eine solche Übertragung erfolgen müsse. So weit die  gestrige Stellungnahme  des BMU, die sicherlich noch weitere heftige Diskussionen auslösen wird.

Lesen Sie dazu auch unseren Bericht: Geld zu erstreiten, wirkt im Falle Vattenfalls moralisch fragwürdig

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