„Aus den internen Vermerken, Schriftwechseln und Genehmigungsunterlagen geht hervor, dass die Nord-Stream 2 AG offenbar auf Entscheidungen des  Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH)  Einfluss nimmt und insgesamt mindestens erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit der Entscheidungen der Genehmigungsbehörde bestehen“, berichtete gestern, Mittwoch 23. Dezember, die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Und Umwelt- und Energie-Report berichtet heute ausführlich darüber, s. dazu auch unsere heutige Titelgeschichte. Hier aber die DUH-Beispiele für die Dunkelarbeit bei Nord-Stream 2:

"...dass die Nord-Stream 2 AG offenbar auf Entscheidungen des BSH Einfluss nimmt ...; Constantin Zerger, bild duh
“…dass die Nord-Stream 2 AG offenbar auf Entscheidungen des BSH Einfluss nimmt …”; Constantin Zerger, bild duh

„Ein Beispiel dafür ist die Zustimmung des BSH zu den Bauarbeiten an der Pipeline in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), die am 11. Dezember 2020 aufgenommen wurden. Dafür hatte die Nord-Stream 2 AG am 10. Juli 2020 die Erteilung einer Zustimmung durch das BSH beantragt. Nach knapp dreimonatiger und offenbar ausführlicher Prüfung hatte das BSH dann den Arbeiten mit einer „Änderungsgenehmigung“ am 2. Oktober 2020 zugestimmt. Eine solche Zustimmung in Form einer Änderungsgenehmigung hätte bewirkt, dass Dritte – wie die DUH dies am 4. Dezember 2020 getan hatte – gegen die Bauarbeiten Widerspruch hätten einlegen können. Ein Anwalt der Nord Stream 2 AG hatte ausweislich der Akten jedoch am 7. Oktober 2020 per E-Mail und Anruf beim BSH interveniert und um eine Änderung „gebeten“.

Diese hat das BSH dann nach nur zwei Tagen Prüfung am 9. Oktober 2020 vollzogen: Die bereits erteilte und rechtsmittelfähige „Änderungsgenehmigung“ wurde in eine formlose „Zustimmung“ umgewandelt, gegen die ein Widerspruch nach Rechtsauffassung von Nord Stream 2 AG und BSH nicht möglich sei. Entsprechend wurde auch der Widerspruch der DUH gegen eine Wiederaufnahme der Arbeiten am 11. Dezember 2020 abgelehnt. Der Vorgang macht deutlich: Die Nord Stream 2 AG konnte hier durch die Intervention beim BSH gegen mögliche Überprüfungen durch Umweltverbände wie der DUH „vorsorgen“ – und einen effektiven Rechtsschutz weitgehend ausschließen, wirft die DUH den Behörden, zum Beispiel dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH),  vor.

Weiterer Beleg für das zweifelhafte Vorgehen des BSH ist das offiziell noch offene Verfahren zur Erteilung einer weiteren neuen Baugenehmigung ab Januar 2021. Die bisherige sogenannte „Zustimmung“ des BSH erlaubt der Nord-Stream 2 AG in der deutschen AWZ nur einen Bau bis einschließlich Dezember. In der dann folgenden besonders sensiblen Vogelrastzeit sind Bauarbeiten bisher nicht zulässig – dafür hat die Nord Stream 2 AG jedoch ebenfalls im Juli 2020 eine neue Genehmigung beantragt. Die DUH hat dagegen aus Umwelt- und Klimaschutzgründen Einwendungen erhoben. Obwohl das Verfahren noch anhängig und offiziell offen ist, hat das BSH in einer internen E-Mail an das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) am 3. Dezember 2020 angekündigt, dass die „Genehmigungserteilung noch für Dezember vorgesehen“ sei.

Offenbar hält das BSH für die Nord Stream 2 AG ein Weihnachtsgeschenk bereit“, schlussfolgert Constantin Zerger, DUH- Bereichsleiter Energie und Klimaschutz. Und er konstatiert weiter: Überrascht werden soll damit aber wohl nur die Öffentlichkeit und die beteiligten Umweltverbände, denn in internen E-Mails an die Bundesregierung wird das Ergebnis des Verfahrens schon vorweggenommen. Werden unsere begründeten Einwendungen zu Klima- und Umweltschutz durch das BSH nur pro forma geprüft? Das wäre ein gravierender Vorgang: Die Unabhängigkeit von Genehmigungsverfahren ist in Frage gestellt, wenn die zuständigen Behörden nicht ergebnisoffen prüfen, sondern sich schon vor Abschluss des Verfahrens auf ein Ergebnis festlegen. Wir werden weitere rechtliche Schritte in diesem Verfahren und gegen das BSH prüfen – wir werden für ein unabhängiges Verfahren und die Gewährleistung des Gebots effektiven Rechtsschutzes streiten“, kündigt Zerger an.
Die DUH wertet die Akten des BSH weiter aus. Schon jetzt ist- nach ihrer Darstelkung –  jedoch klar: Selbst die verspätet übersandten Unterlagen dürften nicht vollständig sein. So sind zum Beispiel E-Mails an verschiedene Bundesministerien enthalten, jedoch fehlen die Antworten dieser Häuser. Auch gibt es große zeitliche Lücken von mehreren Monaten, in denen es angeblich keine Korrespondenz und keine Vorgänge gab. Zudem sind die Unterlagen nicht paginiert, d.h. durchnummeriert, wie dies für Verwaltungsakten eigentlich üblich ist. So liegt der Verdacht nahe, dass die Unterlagen unvollständig sind.

Lesen Sie dazu vor allem auch unsere heutige Titelgeschichte: “Die Nord-Stream 2 AG hat die Genehmigungsbehördeanscheinend fest im Griff…!”