Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit seiner am vergangenen Donnerstag, 29. April, veröffentlichten heftigen Kritik an dem Klimaschutzgesetz für mächtig viel Wirbel und Ärger in der Politik gesorgt. Auch während der Regierungspressekonferenz in Berlin, am 05. Mai, spielte die Kritik eine zentrale Rolle, gleich nach Corona.  Erstmals wurde nun Regierungssprecher Steffen Seibert

"....künftig könnten selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas ...gerechtfertigt sein...?" Steffen Seibert
“….künftig könnten selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas …gerechtfertigt sein…?” Steffen Seibert

gefragt: „…unter anderem hat das Gericht ausgeführt, künftig könnten selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsmäßig gerechtfertigt sein. Können beziehungsweise müssen wir uns darauf einstellen?“

Seiberts Antwort geben wir auch hier wieder, aber weiter unten, denn zunächst möchten wir uns mit

Nikolai Fichtner, Sprecher von Bundesumweltministerin Svenja Schulze, dem heftigen Hin- und Her zuvor zuwenden und damit das Entstehen der frage nach „ gravierenden Freiheitseinbußen“ wiedergeben. Nikolai Fichtner hatte  nach einer entsprechenden Frage eines Journalistenkollegen zuvor   erklärt:
„Wir haben …  letzte Woche angekündigt, sehr kurzfristig einen Vorschlag für ein überarbeitetes Klimaschutzgesetz vorzulegen. Der ist so gut wie fertig. Die wesentlichen Punkte wurden heute auch innerhalb der Regierung besprochen. Wir sind sehr optimistisch, dass es gelingen wird, damit nächste Woche schon im Kabinett zu sein.
Wir beobachten ja gerade eine große Vielfalt unterschiedlicher Vorschläge für den Klimaschutz. Das begrüßen wir auch; denn wir brauchen genau diesen Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte dafür, wie man den Klimaschutz am besten umsetzt. Unsere Aufgabe jetzt: das in gutes, zielführendes Regierungshandeln zu übersetzen. Darum konzentrieren wir uns darauf, jetzt einen fundierten Rahmen vorzulegen, ein neues Zielgerüst für die nächsten Jahrzehnte. Es ist sehr sinnvoll, das als Priorität zu behandeln; denn wenn uns das gelingt, haben wir darauf aufbauend danach zum ersten Mal die Chance, eine politische und gesellschaftliche Debatte zu führen, und zwar nicht mehr über das Ob und das Wie

"... wir brauchen genau diesen Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte .....; " Nikolai Fichtner
“… wir brauchen genau diesen Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte …..; ” Nikolai Fichtner

viel von Klimaschutz, sondern über den besten und fairsten Weg zum gegebenen Ziel.
Das Instrument des Klimaschutzgesetzes – das wissen Sie hoffentlich – enthält keine Maßnahmen, sondern es enthält einen Rahmen. Es ist keine kleine Aufgabe, diesen Rahmen zu setzen; denn dabei geht es nicht um Mathematik, sondern es geht um die Art, wie wir alle leben, produzieren, heizen und uns fortbewegen. Es geht um die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft. Unsere Aufgabe ist es daher, Ziele zu setzen, die zugleich ambitioniert und erreichbar sind. Wir orientieren uns dabei an der (akustisch unverständlich) verfügbaren Wissenschaft.
Die Leitplanken hat die Ministerin auch letzte Woche schon genannt. Das sind mehr Generationengerechtigkeit, mehr Planungssicherheit und ein Vorgehen, das die Wirtschaft nicht abwürgt, sondern sie umbaut und modernisiert. Konkret schlagen wir eine Minderung von 65 Prozent statt von 55 Prozent bis 2030, eine Minderung von 88 Prozent bis 2040 und Klimaneutralität bis 2045 vor.
Wir haben, was den Klimaschutz angeht, in den letzten 30 Jahren mit einer Minderung in Höhe von 40 Prozent gegenüber 1990 nach jetzigem Stand 40 Prozent des Weges geschafft. In den 20er-Jahren wollen wir nun 25 Prozentpunkte schaffen. Dann bleiben in den 30er-Jahren noch 23 Prozentpunkte und 12 Prozentpunkte für die 40er-Jahre übrig. Das ist aus unserer Sicht ein faires Angebot auch an die junge Generation; denn anders, als es früher einmal beim Klimaschutz war, wird diesmal nicht die größte Minderungslast in die Zukunft geschoben. Wir reden hierbei von einer Verdoppelung des Tempos beim Klimaschutz, einer gigantischen politischen Aufgabe. Der wird sich die Bundesregierung stellen.
Eine Journalistenkollegin wollte dann gleich wissen: Frage: Sie haben gesagt, Sie wollen einen Dialog auch mit der jungen Generation führen. Haben Sie denn Fridays for Future oder andere Bewegungen berücksichtigt, schon jetzt, weil es tatsächlich praktisch um deren Beschwerden ging? Sind die schon in diese frühen Prozesse eingebunden? Wenn nicht, haben Sie Pläne, die dann später einzubinden?“
Fichtner daraufhin : „… das Bundesverfassungsgericht hat ja darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Freiheitsgrade der jungen Generation zu respektieren, und im Grunde gesagt: Man darf den Klimaschutz jetzt nicht auf die lange Bank schieben. Man muss jetzt einen großen Schritt gehen, damit die Schritte, die in den 30er- und 40er-Jahren kommen werden, dann auch noch zu schaffen sind. – Genau das haben wir jetzt mit dem Zielgerüst berücksichtigt, das wir heute vorgeschlagen haben.“
Gleich  kommt die nächste Zusatzfrage: „Aber haben Sie nicht vor, sozusagen einen runden Tisch entweder mit den jungen Menschen, die das vor Gericht gebracht haben, oder mit anderen jungen Klimaschützern zu organisieren, bevor Sie tatsächlich mit diesem Vorschlag vor den Bundestag treten?“
Nikolai Fichtner versucht zu sedieren: „Wir sprechen viel mit jungen Menschen und werden es auch in Kürze wieder in unserem Aktionsbündnis Klimaschutz tun, das die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen umfasst. Darin ist auch die Stimme der Jugend vertreten. Wir haben uns jetzt auch im Grunde auf die besten verfügbaren Studien gestützt, weil wir ja wollen, dass das Ziel zugleich sowohl ambitioniert als aber auch erreichbar ist. Dabei sind bestimmt auch Argumente von jungen Leuten eingeflossen.“
Und dann kommt zum ersten Mal wohl die Frage nach möglichen Freiheitseinbußen, gerichtet an Regierungssprecher Steffen Seibert: : „Herr Seibert, Karlsruhe hat in dem Urteil, auf das Sie sich beziehen, unter anderem ausgeführt, künftig könnten selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsmäßig gerechtfertigt sein. Können beziehungsweise müssen wir uns darauf einstellen?“

Seibert weicht ein wenig aus: Ich habe hier das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht auszulegen, sondern wir haben es zu respektieren. Wir haben es natürlich genau studiert, und wir haben als Bundesregierung den Willen, jetzt sehr schnell – schon bis zur nächsten Woche( also diese Woche 09.05. …, d. Redakt.)  – im Kabinett zu handeln, gesetzgeberisch etwas vorzuschlagen und es dann in den Bundestag einzubringen, was die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts aufgreift und erfüllt.“
Seibert schließlich: …„Es ist doch einmal ganz grundsätzlich zur Kenntnis zu nehmen, dass das

" Ich habe hier das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht auszulegen, ...!"; Steffen Seibert, bild bundesreg. Marvin Ibo Güngör
” Ich habe hier das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht auszulegen, …!”; Steffen Seibert, bild bundesreg. Marvin Ibo Güngör

Bundesverfassungsgericht die Freiheitsrechte junger Menschen folgender Generationen beeinträchtigt sieht, wenn die Politik heute nicht so handelt, dass wirklich auch die Ziele erreicht werden können, zu denen uns auch das Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Es ist ganz wichtig, dass wir eben so zeitig handeln, dass nicht nach 2030 unverhältnismäßig hohe Einschränkungen der Freiheitsgrundrechte der heute jüngeren Menschen notwendig sind!“

Es hagelt die nächste Zusatzfrage: „Aber noch einmal ganz konkret: Halten Sie es für möglich, dass die Regierung jetzt beziehungsweise in absehbarer Zeit gravierende Freiheitseinbußen einführt?“

Seibert: Ihre Interpretation von Freiheitseinbuße mag nicht jedermanns Interpretation sein. Wir arbeiten für einen Klimaschutz, der erstens dazu führt, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens auch wirklich erreicht werden können.“ Und weiter erklärte Seibert: „ ..
Ich kann mit Ihrer pauschalen Frage ehrlich gesagt nichts anfangen. Warten Sie ab, was wir in der nächsten Woche als Gesetzentwurf einbringen. Schauen Sie sich – was Sie sicherlich getan haben – das Klimaschutzgesetz – das ja im Kern auch vom Gericht bestätigt worden ist – an, das ja ganz konkret über bestimmte Lebensbereiche spricht, vom Verkehr bis zum Wohnen, Heizen usw., und ziehen Sie Ihre Schlüsse daraus.“

Bereits am 30. April spielte das Thema Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz eine wichtige Rolle. Umwelt- und Energie-Report hatte berichtet. Lesen Sie dazu auch unseren Bericht: “Damit  bestätigt das gericht auch unser Ziel: Klimaneutralität!”