Haftung beim Atom-Gau: EU macht sich lächerlich …
Die Europäische Kommission ist zu dem Schluss gekommen, dass die Bürgschaft des belgischen Staates für Betreiber von Atomanlagen, die auf dem privaten Versicherungsmarkt keine ausreichende Haftpflichtversicherung abschließen können, nicht als staatliche Beihilfe anzusehen ist. Potenzielle Opfer
könnten durch die Bürgschaft besser entschädigt werden, den Betreibern würde jedoch kein Vorteil eingeräumt. Die EU-Kommission gesteht mit diesem Beschluss erneut ein, dass die atomaren Haftungsrisiken durch normale Versicherungen nicht abzudecken sind. Die Kommission nimmt diesen aktuellen Fall aber auch nicht zum Anlass die staatlichen Absicherungen in der viel zitierten Energie-Union auf gleichem hohen Niveau festzusetzen. Hier gibt es nach wie vor gravierende Unterschiede. Umwelt- und Energie-Report hat immer wieder berichtet.(s. unten)
Belgien nahm im Dezember 2016 ein Gesetz an, mit dem die Entschädigung möglicher Opfer eines nuklearen Ereignisses verbessert werden soll, berichtet die Kommission am vergangenen Freitag, 14. Juli.
Mit dem Gesetz soll gewährleistet werden, dass Belgien seinen Verpflichtungen aus dem Pariser Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Atomenergie in der zuletzt geänderten Fassung vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an nachkommt.
Zur Orientierung ist darauf hinzuweisen : Das Gesetz besteht schon lange und die wenigsten Mitglieder der Union haben das Gesetz ratifiziert. Auch darüber hat U+E immer wieder hingewiesen. Der zuständige Kommissar Canete hat auf unsere Fragen dazu erklären lassen, er wolle sich zunächst um die Realisierung der Energie-Union bemühen. Offensichtlich gehören solche „Kleinigkeiten“ wie die Angleichung der gravierenden Haftungsunterschiede nicht dazu.
Nach belgischem Recht muss der haftpflichtige Betreiber eines Atomreaktors Opfern eines nuklearen Ereignisses bis zu 30 Jahre lang Schadensersatz in Höhe von bis zu 1,2 Mrd. Euro leisten. Dieser Schadensersatz umfasst
sowohl Personen- und Sachschäden als auch Umweltschäden, wirtschaftliche Verluste und die Kosten für Vorsorgemaßnahmen des belgischen Staates im Anschluss an ein solches Ereignis.
Betreiber von Atom-Anlagen sind verpflichtet, ihre Haftpflicht gegenüber Opfern finanziell abzusichern, heißt es in der EU-Mitteilung dazu. Dieser Verpflichtung kommen sie meist nach, indem sie eine private Versicherung abschließen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bestimmte nukleare Schäden, die in den Geltungsbereich des geänderten Pariser Übereinkommens fallen, von Versicherungen für den Kernenergiebereich nicht abgedeckt werden.
Belgien wird daher eine staatliche Bürgschaftsregelung einführen, so die EU, um solche von privaten Versicherungen nicht erfasste Schäden zu versichern. Die Schäden werden demnach in erster Linie wieder vom Steuerzahler und nicht vom Betreiber der Atom-Anlagen bezahlt. Dies steht so allerdings nicht in der Mitteilung der EU-Kommission.
Um die Bürgschaftsregelung in Anspruch zu nehmen, müssen Betreiber von Atom-Kraftwerken eine jährliche Prämie entrichten. Wenn ein nukleares Ereignis eintritt und auf die Bürgschaftsregelung zurückgegriffen wird, wäre der Betreiber jedoch weiterhin für nukleare Schäden haftbar. Der Staat könnte die im Rahmen der Bürgschaft gezahlten Beträge von dem Betreiber zurückfordern.
Die Kommission hat festgestellt, dass die Bürgschaft des belgischen Staates zum Ziel hat, Opfer eines nuklearen Ereignisses besser zu entschädigen und Betreibern von Kernanlagen dabei keinen wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Aus diesem Grund stellt die Kommission fest, dass die Bürgschaft des belgischen Staates keine staatliche Beihilfe im Sinne der EU-Vorschriften beinhaltet.
Hintergrund
Belgien hat ebenso wie zwölf weitere Mitgliedstaaten das Pariser Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Atomenergie unterzeichnet. Dieses Übereinkommen wurde im Jahr 2004 geändert, um die Schadensersatzbeträge heraufzusetzen und die Arten der Schäden, für die Schadensersatz fällig wird, auszuweiten. Das Änderungsprotokoll aus dem Jahr 2004 ist noch nicht in Kraft getreten.
Die Kommission ist, trotz der unermesslichen Schäden die bei einem atomaren Gau entstehen, offensichtlich der kaum zu glaubenden Auffassung:
„Es wird jedoch erwartet, dass der private Versicherungsmarkt durch das Inkrafttreten des Protokolls in die Lage versetzt wird, auch für solche Schäden Angebote zu entwickeln. Es bestehen ausreichende Anreize für private Marktteilnehmer, wettbewerbsfähige Angebote zu entwickeln, aufgrund derer die staatliche Bürgschaft nicht mehr nötig sein wird, sodass Betreiber von Kernkraftwerken schließlich ihre gesamte Haftpflicht auf dem Privatmarkt versichern können.“
Schreibe einen Kommentar