Immer schon so: Nix hören, nix sehen, nix sagen
Immer schon so: Nix hören, nix sehen, nix sagen

Alles im Griff, alles im Blick, so lautete bisher die Devise der deutschen Atomindustrie. Nun stellt sich heraus: Nichts ist  im Griff. Der jetzt bekannt gewordene Entwurf des nationalen Entsorgungsplans für Atom-„Müll“ belegt darüber hinaus: Die Augen blieben fest geschlossen. Laut Umweltministerium Hessen kann es das eigentlich gar nicht mehr geben. (Siehe unten Darstellung Hessen)

Nur so konnte man nicht sehen, dass von rund 85 000 Atom- „Müll“ -Fässern rund 2000 verrostet oder schwer beschädigt sind. Einen genauen Befund über den Zustand des atomaren „Mülls“ hat man noch nicht. Atomexperte Michael Sailer erklärte inzwischen bei „Panorama 3“: Ich erwarte, dass man bei genauerer Inspektion in verschiedenen Lagern weitere Korrosionen findet.“

Fässer, die zum Transport von abgereichertem Uran benutzt wurden, vor dem Firmensitz von Transnuklear in Hanau (im Dezember 1987).Fotos: Senftleben/Privat
Fässer, die zum Transport von abgereichertem Uran benutzt wurden, vor dem Firmensitz von Transnuklear in Hanau (im Dezember 1987). Fotos: Senftleben

Auch in der hessischen Landessammelstelle in Ebsdorfergrund und am Atomkraftwerk Biblis sollen sich leicht oder schwer beschädigte Fässer finden. Hatten wir dieses Problem nicht schon mal. Und dies in weit größerer Dimension. Hatten deutsche Atomunternehmen nicht in den Achtzigern zahllose Atomfässer zum belgischen Atomzentrum Mol transportiert. Über zwanzig Millionen Mark waren an Schmiergeld geflossen, um an die Transportaufträge zu kommen. Und an was noch alles? Vieles blieb damals im Dunkeln, obwohl sich drei parlamentarische Untersuchungsausschüsse in Bonn, Wiesbaden und Brüssel darum bemühten Licht ins Dunkel zu bringen. Doch in Erinnerung blieb auch die Betroffenheit der Brüsseler Parlamentarier die in dem Untersuchungsausschuss mitwirkten und in Mol vor Ort feststellen mussten, dass tausende Fässer mit atomarem Inhalt unter freiem Himmel verrotteten. In Erinnerung blieb aus dieser Zeit auch, dass tausende Fässer in Deutschland und in Mol einfach nicht wiederaufzufinden waren.
Umwelt und Energie-Report hatte deshalb schon aus einem anderen Anlass vor einem Jahr beim hessischen Umweltministerium angefragt wie denn heute die Übersicht über die Befüllung der Fässer und die Lagerung der Fässer gehandhabt wird. Wir erhielten darauf folgende Antwort:

Stellungnahme des hess. Umweltministeriums

Seit den 80iger Jahren haben sich im Umgang mit radioaktiven Abfälle und deren Überwachung zahlreiche Änderungen ergeben. Die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen (Atomgesetz, Strahlenschutzverordnung und Richtlinie zur Kontrolle radioaktive Abfälle und Reststoffe) wurden seitdem mehrfach überarbeitet.In der Richtlinie zur Kontrolle radioaktive Abfälle und Reststoffe von 1989 wurde als Zweck der Richtlinie folgendes definiert:

Atomkraftwerk Biblis/ RWE
Atomkraftwerk Biblis/ RWE

„Die Kontrolle radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung, die nicht an eine Landessammelstelle abgeliefert werden. ist so auszugestalten, dass Menge, Verbleib und Behandlungszustand dieser Abfälle im Hinblick auf eine sichere Zwischen- und Endlagerung durch Überwachung sämtlicher Entsorgungsschritte (Abfallbehandlung, Konditionierung, Zwischenlagerung und Beförderung) jederzeit festgestellt werden können.“

Demgemäß sind bezüglich der Abfallentsorgung folgende Punkte zu beachten:
• Abfallflusskontrolle, Dokumentation
• Bestimmung des Aktivitätsgehaltes
• Maßnahmen vor der Vorbehandlung und Konditionierung
• Durchführung der Vorbehandlung und Konditionierung mit Zustimmung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS)
Mit der Novelle der Strahlenschutzverordnung von 2001 wurden wesentliche Regelungsgegenstände aus der Richtlinie in die Strahlenschutzverordnung überführt und im Abschnitt 9 (radioaktive Abfälle) die Pflichten der Genehmigungsinhaber bzgl. der Erfassung, Behandlung und Verpackung, Abgabe/ Ablieferung und Zwischenlagerung neu geregelt. Zudem wurden die Genehmigungsinhaber verpflichtet, den Anfall und Verbleib der radioaktiven Abfälle zu planen. Danach sind die Genehmigungsinhaber/ Abfallverursacher verpflichtet, der zuständigen Aufsichtsbehörde den jährlichen Anfall von radioaktiven Abfällen und dessen Verbleib mitzuteilen.

Zudem werden der Aufsichtsbehörde in monatlichen Meldungen die Änderungen des Bestandes an radioaktiven Stoffen mitgeteilt, so dass der aktuelle Bestand in den Zwischenlagern bekannt ist.

Beim Umgang mit den radioaktiven Abfällen hat sich folgende grundsätzliche Vorgehensweise etabliert:

• Die Abfälle werden nach Abfallarten, z.B. Metalle, brennbare Abfälle, Bauschutt etc. getrennt in Fässern gesammelt und in den internen Lagern zwischengelagert.
• Die Daten des Abfalls wie Behältertyp, Masse, Abfallart, radiologische Messdaten, Behandlungszustand und Lagerorte werden in einem EDV – System, wie AVK (Abfallfluss- Verfolgungs- und Produktkontrollsystem), von den Abfallerzeugern dokumentiert.
Der Abfallverursacher ist gemäß der Abfallrichtlinie des Bundesumweltministeriums (BMU) gegenüber seiner Landesbehörde über Verbleib und Behandlungszustand seiner radioaktiven Abfälle und Reststoffe nachweispflichtig. Für eine Reststoff- und Abfallflussverfolgung von der Entstehung bis zum Beginn der schadlosen Verwertung bzw. bis zur Endlagerung in ein Endlager ist eine zeitnahe Datenermittlung und -erfassung der radioaktiven Reststoffe und Abfälle notwendig. Zu diesem Zweck werden die Daten der radioaktiven Reststoffe in einem EDV-System, wie AVK (Abfallfluss-Verfolgungs- und Produktkontrollsystem), von den Betreibern der Kernkraftwerke dokumentiert. Durch die flächendeckende Einführung des AVK-Systems durch die Betreiber der Kernkraftwerke sind die Anforderungen des Bundesministeriums für Umwelt (BMU) an die Dokumentation radioaktiver Abfälle realisiert worden.

Bei einer externen Konditionierung erfolgt die Dokumentation durch den Konditionierer (z. B. Fa. GNS), der dann die Daten an den Abfallverursacher wieder zur Verfügung stellt. Weiterhin ist für den Transport radioaktiver Stoffe (Verbleibnachweis) und letztlich für eine nachvollziehbare Dokumentation für die Zwischen- und/oder Endlagerung ein nachvollziehbarer Reststoffflussverfolg notwendig. Mit dem AVK können die Abfallverursacher jederzeit Auskunft über den derzeitigen Stand ihrer radioaktiven Reststoffe und Abfälle geben. Mit dem AVK ist somit eine lückenlose Abfallflussverfolgung möglich. Im AVK werden alle relevanten Daten wie:

• Abfalldaten (Behältertyp, Masse, Abfallart, …)
• Radiologische Messdaten (Dosisleistung, Nuklidvektoren, …)
• Behandlungszustand und -maßnahmen
• Lagerorte und Transportdaten

dokumentiert. Im AVK können z. B. Messdaten eines Gamma-Scanners, Dosisleistungsmessungen und Massenbestimmungen direkt übernommen werden. Eine Reststoff- und Abfallflussverfolgung ist von der Entstehung bis zur Endlagerung damit möglich.

• Jedes Abfallgebinde ist mit einer Nummer und einem Datenblatt gekennzeichnet.
• Die Aktivität der Abfälle wird nach standardisierten Verfahren wie z. B. Probenahme am Rohabfall zur Bestimmung der Aktivitätskonzentration oder Gamma-Scanning bestimmt.
• Um die Endlagerfähigkeit der radioaktiven Abfälle zu gewährleisten, wird eine Produktkontrolle durchgeführt. Hier werden alle Maßnahmen zur Herstellung von endlagerfähigen Abfallgebinden geprüft. Die Konditionierungskampagnen werden nach einem vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) freigegebenen Prüffolge- oder Ablaufplan durchgeführt. Der Prüffolge- oder Ablaufplan wird auch von der zuständigen Aufsichtsbehörde freigegeben und die Konditionierungskampagne vom zugezogenen Sachverständigen vor Ort begleitend überwacht.
Begleitende Kontrollen werden für die jeweilige Kampagne im Aufsichtsverfahren durchgeführt, d.h. es erfolgt eine kampagnenbezogene Prüfung. Vor Ort erfolgt die Kontrolle gemäß den festgelegten Arbeits- und Prüfschritten des Prüffolge- oder Ablaufplanes. Aus dem Ablaufplan geht auch hervor, an welchem Ort welche Abfälle mit welcher Konditionierungseinrichtung verarbeitet werden. Aus dem Grund werden auch Transporte im Ablaufplan aufgeführt.

atomares Zwischenlager
atomares Zwischenlager

• Nach der Konditionierung erfolgt derzeit eine Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle. Nach § 78 Strahlenschutz- verordnung ist bis zur Inbetriebnahme von Anlagen des Bundes zur Endlagerung eine Zwischenlagerung durchzuführen.
• Die oben beschriebenen Verfahren werden auch bei der Abfallbehandlung in externen Anlagen angewendet. Der externe Konditionierer hat dann die Daten dem Abfallverursacher zur Verfügung zu stellen.

In diesem Ablaufplan sind die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) freigegebenen Prüfungs- und Dokumentationsschritte festgelegt. Je nach Festschreibung werden die Prüfungen vom durch die Aufsichtsbehörde beauftragten Sachverständigen durchgeführt und dokumentiert. Bei externer Konditionierung erfolgt die begleitende Kontrolle ebenfalls im Auftrag der Aufsichtsbehörde, wobei dann örtliche Sachverständige die Aufgabe wahrnehmen.

Neben der Prüfung von Unterlagen finden somit auch Begehungen und Vor-Ort-Kontrollen durch die Aufsichtsbehörde und die zugezogenen atomrechtlichen Sachverständigen statt. Bei diesen Begehungen werden auch vom Sachverständigen ausgewählte Abfallgebinde geöffnet und deren Inhalt z.B. auf Sortierkriterien und Aktivität (Messungen am gesamten Gebinde, auch Unterseite) sowie die korrekte Kennzeichnung kontrolliert und ein Abgleich mit den „Soll-Gebindedaten“ durchgeführt. Auch die Datenerfassung im EDV System wird überprüft.

Wenn radioaktive Abfälle zu Konditionierungseinrichtungen oder externen Zwischenlagern transportiert werden, sind die Transporte der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde mindestens fünf Arbeitstage vor Beginn des Transportes mitzuteilen. Die Transportmitteilung muss bestimmte Angaben nach der Strahlenschutzverordnung enthalten. Angaben wie Materialbeschreibung, Anzahl der Abfälle, Volumen, Verpackung, Aktivität, Dosisleistung/ Transportkennzahl müssen angegeben werden. Dazu sind bei Transportcontainern die Anzahl der Einzelgebinde, gesamt Reststoffmasse und Gebindezusammenstellung nachvollziehbar. Nach Beladung des Transportcontainers wird dieser verschlossen und verplombt. Die Plomben sind mit Plombennummern gekennzeichnet und werden zusammen mit der Dokumentation mitgeführt und vom Sachverständigen bzw. der Aufsichtsbehörde kontrolliert.

Der Empfänger des Abfalls ist verpflichtet, die Angaben zu überprüfen (Eingangskontrolle) und Unstimmigkeiten der für ihn zuständigen Aufsichtsbehörde sofort mitzuteilen.

Mit diesen Maßnahmen ist gewährleistet, dass sämtliche Entsorgungsschritte (Abfallbehandlung, Zwischenlagerung, Transport) überwacht und kontrolliert werden, Menge, Verbleib und Behandlungszustand der Abfälle jederzeit festgestellt werden können.