Trilog-Verhandlungen in Brüssel in entscheidender Phase
Trilog-Verhandlungen in Brüssel in entscheidender Phase

Die Europäische Kommission hat heute dem russischen Gasgi- ganten Gazprom eine formelle Beschwerde übermittelt in der sie dem Unternehmen vorwirft, mit einigen seiner Geschäftsprak- tiken auf den mittel- und osteuropäischen Gasmärkten seine marktbeherrschenden Stellung zu missbrauchen und somit gegen die EU-Kartellvorschriften zu verstoßen.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Die Wahrung eines fairen Wettbewerbs auf den europäischen Gasmärkten ist …von größter Bedeutung. Alle Unternehmen, die auf dem europäischen Markt tätig sind – unabhängig davon, ob es sich dabei um europäische Unternehmen handelt oder nicht – müssen die EU-Vorschriften einhalten.”

Die dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (46): Kartellverfahren gegen Gazprom?
Die dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (46): Kartellverfahren gegen Gazprom?

Vestager erhebt den Verdacht Gazprom könnte die EU-Kartellvorschriften verletzt haben, indem es seine beherrschende Stellung auf den EU-Gasmärkten missbraucht. „Wir haben den Eindruck, dass das Unternehmen künstliche Schranken aufgestellt haben könnte, die den Erdgastransport aus bestimmten mittel- und osteuropäischen Ländern in andere verhindern und somit den grenzübergreifenden Wettbewerb behindern. Durch die Trennung der nationalen Gasmärkte konnte Gazprom Preise verlangen, die wir derzeit als nicht angemessen betrachten. Sollten sich unsere Bedenken bestätigen, so müsste Gazprom die rechtlichen Konsequenzen seines Verhaltens tragen.“

Mit der Abschottung schränke das Unternehmen z. B. die Möglichkeit seiner Kunden ein, das erworbene Erdgas in andere Länder weiterzuverkaufen. Dies könnte Gazprom in die Lage versetzt haben, in bestimmten Mitgliedstaaten unlautere Preise zu verlangen. Darüber hinaus könnte Gazprom seine beherrschende Stellung auch dadurch missbraucht haben, dass es Gaslieferungen an Zusagen von Großhändlern bezüglich der Gastransportinfrastruktur geknüpft hat.

Gazprom hat nun 12 Wochen Zeit,

um zu den Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen und kann darüber hinaus eine mündliche Anhörung beantragen, um seinen Standpunkt darzulegen.

Die Kommission wird die Verteidigungsrechte von Gazprom in vollem Umfang achten und seine Stellungnahme sorgfältig prüfen, bevor sie einen Beschluss erlässt. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis des Verfahrens nicht vor, heißt es in der Stellungnahme der EU-Kommission.

Vorläufiger Standpunkt der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte:

Konkret wirft die Kommission Gazprom vor, in acht Mitglied- staaten (Bulgarien, Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen und Slowakei) den Wettbewerb auf den Gasversorgungsmärkten behindert zu haben und weiter zu behindern.

Im einzelnen stellt die Kommission fest, dass das Unternehmen auf diesen Gasversorgungsmärkten eine umfassende missbräuchliche Strategie verfolgt:
• So zwinge Gazprom Großhändlern und einigen gewerblichen Kunden aus den obengenannten Ländern in seinen Lieferverträgen territoriale Beschrän- kungen auf. Dazu zählten Ausfuhrverbote und Klauseln, wonach das erworbene Gas in einem bestimmten Gebiet verbraucht werden muüsse (Klauseln zum Bestimmungsort). Gazprom habe auch andere Maßnahmen ergriffen, die den grenzübergreifenden Transport von Erdgas verhinderten, so z. B. mit Verpflichtungen für Großhändler, die, bevor sie Gas exportierten, die Zustimmung von Gazprom einholen müssten, und die Weigerung, unter bestimmten Bedingungen den Ort, an den das Erdgas geliefert werden solle, zu ändern.
Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Maßnahmen den freien Handel mit Erdgas im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) behindern.
Ferner könnten, so heißt es in der EU-Stellungnahme, diese territorialen Beschränkungen zu höheren Erdgaspreisen führen und es Gazprom ermöglichen, in fünf Mitgliedstaaten (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Polen) eine unlautere Preispolitik zu betreiben, indem das Unternehmen von Großhändlern Preise verlange, die gemessen an den Kosten des Unternehmens oder an Referenzpreisen sehr hoch seien. Diese nicht angemessenen Preise seien zum Teil auf die Preisformeln von Gazprom zurückzuführen, die die Gaspreise in Lieferverträgen an einen Korb von Erdölerzeugnissen koppelten und Gazprom gegenüber seinen Kunden einen ungerechtfertigten Vorteil verschafften.
Darüber hinaus sei es möglich, dass Gazprom seine marktbeherrschende Stellung noch dadurch ausbaut, dass es Gaslieferungen an Bulgarien und Polen an Zusagen von Großhändlern zur Gastransportinfrastruktur knüpfe. Beispielsweise seien Gaslieferungen von Investitionen in ein von Gazprom durchgeführtes Pipelineprojekt oder von der Zustimmung seiner Kunden zu einer verstärkten Kontrolle von Gazprom über eine Pipeline abhängig gemacht worden.

Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung Gazproms
„Die Kommission ist zu dem vorläufigen Schluss gelangt, dass diese Praktiken einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung von Gazprom darstellen und damit gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen.

Sollte es sich bestätigen, behindert ein solches Verhalten den grenzübergreifenden Vertrieb von Erdgas im Binnenmarkt und vermindert damit die Liquidität und Effizienz der Gasmärkte. Es werden künstliche Schranken für den Handel zwischen Mitgliedstaaten geschaffen, und die Preise werden in die Höhe getrieben“, heißt es in der Verlautbarung der EU. Lesen Sie dazu auch: Harte Strafe für Gazprom?