Bei Fahrverboten auf bestimmten Strecken würden Dieselfahrer nicht nur in Bonn Umwege über andere Straßen suchen und dort nicht nur die Luft belasten, sondern auch zusätzlichen Verkehrslärm erzeugen. ..Kann das die Lösung sein?  Bild U +E

Die Bundesstadt Bonn ist vom Bund als Modellstadt („Lead City“). für Luftreinhaltung ausersehen worden. (Wir haben mehrfachberichtet, s. unten) In diesem Rahmen werden Maßnahmen gefördert, die dazu beitragen sollen, die Luftqualität zu verbessern und Diesel-Fahrverbote zu vermeiden. Bevor die Maßnahmen überhaupt eingeleitet werden konnten erwischte es die Bundesstadt kalt: Am 08.November hat das Verwaltungsgericht Köln in einem Verfahren entschieden, dass in Köln und Bonn ab April kommenden Jahres Fahrverbote eingeführt werden müssen. Wir befragten dazu und auch dazu wie es nun weitergeht den Oberbürgermeister der  „Lead City“ Ashok Sridharan.

60 Vorschläge für bessere Luft ...Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan bei der Weltklimakonferenz in Bonn ...Bild U + E
60 Vorschläge für bessere Luft …Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan bei der Weltklimakonferenz in Bonn …Bild U + E

 Frage: Nach der Verhandlung vor dem Kölner Verwaltungsgericht bei deren Abschluss der Vorsitzende Richter Michael Huschens Fahrverbote auf den Straßen Belderberg und Reuterstraße differenzierte Fahrverbote verhängt hatte, zeigten Sie sich, Herr Oberbürgermeister, verärgert und bezeichneten das Urteil als “harten Schlag für die Bevölkerung und den Wirtschaftsstandort”. Lenken Sie damit nicht vom tieferen Hintergrund der Maßnahme ab? Experten berechnen zum einen seit Langem die zahlreichen Todesfälle und Erkrankungen durch Treibgasemissionen die an so befahrenen Straßen wie der Reuterstraße passieren können.

 Antwort: Oberbürgermeister Ashok Sridharan: Wenn die Grenzwerte bei Stickstoffdioxid überschritten werden, dann ist das ohne Wenn und Aber schlecht. Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung ist ein sehr hohes Gut. Deshalb war ich auch nicht verärgert, hatte aber für Bonn mit einer anderen Entscheidung gerechnet. Dass Fahrverbote das richtige Mittel für Verbesserungen sind, bezweifele ich wegen Ausweichverkehren und längeren gefahrenen Strecken jedoch stark. Hinzu kommen die negativen Wirkungen auf die Mobilität in der Stadt auch aus Sicht der Pendler, der Gewerbetreibenden und der Unternehmen. Die beste Maßnahme wäre, wenn die Diesel-Autos nur noch das ausstoßen, was erlaubt ist. Und dafür müssen die Automobilhersteller und der Bund sorgen. Damit wäre der Luftqualität und der Mobilität gedient.

Frage:Zum anderen wies der Richter darauf hin, dass er den Grad der Luftverschmutzung für inakzeptabel hält und die EU-Grenzwerte seit 2010 gälten und würden seither gerissen. Hat Bonn diese Erkenntnisse alle ungerührt beiseite geschoben?

 Antwort: Zuständig für die Luftreinhalteplanung sind das Land Nordrhein-Westfalen und die Bezirksregierung Köln. Und die Automobilhersteller haben das Problem der Abgase auch nach Bekanntwerden der Manipulationen zu lange ignoriert. Für die Stadt wurden sowohl 2009, wie auch 2012 Luftreinhaltepläne aufgestellt. Die wesentliche Maßnahme war die Einführung einer Umweltzone. Die damaligen Prognosen gingen davon aus, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Dass die Werte zwar gesunken sind, aber immer noch über dem Grenzwert liegen, liegt auch daran, dass die

Hilft da noch die blaue Plakette...? cop. U+E
Wer überwacht Polizei oder ……? cop. U+E

zugrundeliegenden Abgaswerte leider herstellerseitig weit überschritten wurden.  Ungeachtet dessen: Wir treiben ja nicht erst seit gestern Projekte für saubere Mobilität voran. Es gibt mehr E-Ladesäulen, wir haben viele Fahrradstraßen ausgewiesen und ein Fahrradmietsystem. Die SWB werden ihre Busse nachrüsten, um Abgase zu verringern, und langfristig komplett auf E-Busse umstellen. Wir planen schon länger an Projekten wie Seilbahn und Radschnellrouten sowie Mobilstationen. Und bald wird die erste Stufe „Lead City“ umgesetzt. Das ist gut für saubere Luft und die Verkehrslage. Wir als Stadt wollen hier viel erreichen. Nur: Alles das geht nicht von heute auf morgen und echte finanzielle Unterstützung gibt es noch nicht oder noch nicht lange. Alle Kommunen brauchen eine solide Finanzbasis von Land und Bund, um die Verkehrswende anschieben zu können.

Frage: Die Folge des Urteils, würde es rechtskräftig, wäre naturgemäß, dass die „gesperrten“ Dieselfahrer Umwege über andere Straßen Bonns suchen und dort nicht nur die Luft belasten, sondern auch zusätzlichen Verkehrslärm erzeugen. Kann das die Lösung sein?

Antwort:Ihre Einschätzung teile ich, es würde zu Ausweichverkehren kommen. Das betrifft im Übrigen andere innerstädtische Straßen vermutlich genauso wie die Autobahnen rund um Bonn. Und ausgerechnet da wird jetzt und in Zukunft viel gebaut. Wir werden zu den Ausweichverkehren Analysen in Auftrag geben, daraus mögliche Maßnahmen ableiten und mit der Behörde Straßen.NRW dazu in Kontakt treten.

Frage: Müssten dann nicht auch die Straßen, die sich als neue „Umwege“ herauskristallisieren, mit neuen Mess- Stellen ausgestattet werden?

Antwort: Wir als Stadt haben in Bonn keine offiziellen Messstellen. Die amtlichen Messungen werden durch das Land durchgeführt, das ja auch für die Luftreinhalteplanung verantwortlich ist. Ob das Land bestehende Messstellen verschiebt oder sogar neue Messstellen installiert, kann ich nicht sagen. Ich denke allerdings nicht, dass die Zahl der Messstellen jetzt stark steigen wird.

Wir fahren nun mit Bus und Bahn oder gehen einfach zu Fuß in der Modellstadt Bonn ... ; Ashok Sridharan
Das ist gut für saubere Luft… ; Ashok Sridharan

Ich meine auch, dass es wenig zielführend ist, die Diskussion nur um einzelne Straßen und Messstellen zu führen. Es geht um eine Fortentwicklung unserer Mobilitätskonzepte, die die Gesamtsituation in der Stadt verbessern.

Frage: Die Bundesstadt Bonn ist vom Bund als Modellstadt für Luftreinhaltung ausgewählt. Bis die Förderbescheide des Bundes erteilt sind und die geplanten Luftreinhalte- Maßnahmen Bonns greifen, vergeht noch eine längere Zeit. Ist das Kölner Urteil rechtskräftig müssen sie Maßnahmen ergreifen. Wie wollen Sie überwachen, dass die für die beiden Straßen „gesperrten“ Dieselfahrzeuge die Sperre einhalten? Per Kamera, wie der Bund in einem neuen Gesetzentwurf vorschlägt?

Antwort: Zunächst: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wir werden unsere Argumente für die Berufungsverhandlung, bei der wir als Beigeladene auch dabei sein werden, noch einmal schärfen. Aber wenn es wirklich zu Fahrverboten ab dem 01.04.2019 kommt, ist die Kontrolle natürlich eine Herausforderung.

Derzeit könnte praktisch nur die Polizei kontrollieren, die ist für den fließenden Verkehr zuständig. Dazu werden ja jetzt Kameraüberwachungen diskutiert. Aber: Der flächendeckenden Aufnahme von Fotos von Fahrer und Fahrzeug mit Kennzeichen stehen gewichtige Grundrechte und der Datenschutz generell entgegen. Demnach muss immer erst ein konkreter Anfangsverdacht festgestellt werden, bevor Fotos gemacht werden können. Pauschale, verdachtsunabhängige Fotos und Kennzeichenerfassungen sind aus Sicht der Stadtverwaltung hochproblematisch. Die seit Jahren durch die Städte vom Bund geforderte Blaue Plakette für den „worst case“ wäre hier deutlich passender.

Übrigens, ganz so lange ist es nicht mehr bis zum Start von „Lead City“: Am 09.12. startet die erste Stufe der Angebotsverbesserungen und nach derzeitigen Plänen soll es ab Jahresbeginn die günstigen Ticket-Angebote geben.

Lesen Sie dazu auch unseren Bericht: Fahrverbote: Bonn schiebt die Schuld auch auf den Bundesverkehrsminister  und auch: Bessere Luft mit dem “Klima-Ticket”  und auch: Luftqualität: Weiß die Bundesumweltministerin wirklich was ihre fünf Modellstädte dazu tun?

und auch das Interview mit DUH-Anwalt Prof. Dr. Remo Klinger:

Dieselgate-Todesfälle: Ist die Autoindustrie verantwortlich?- Sie muss das Gegenteil beweisen!!!