Ein Jahr nach dem gerichtlichen Ortstermin in Huaraz (Peru) „…wird in diesem Sommer endlich das Gutachten der Sachverständigen vorliegen. Mit einer mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamm ist noch in diesem Jahr zu rechnen“, berichtete am vergangenen Freitag, 21. April, Stefan Küper, Pressesprecher von Germanwatch an Umwelt- und Energie-Report.

„Es ist schwer verständlich, dass bald ein Jahr nach dem Ortstermin noch kein Gutachten vorliegt....!" ;Anwältin Roda Verheyen, bild germanwatch
Es ist schwer verständlich, dass bald ein Jahr nach dem Ortstermin noch kein Gutachten vorliegt….!” ;Anwältin Roda Verheyen, bild germanwatch

Der Kleinbauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya aus der Region in Peru führt seit 2015 eine Zivilklage gegen RWE, in der er vom Energiekonzern die Finanzierung von Schutzmaßnahmen an dem wachsenden Gletschersee fordert – und zwar gemäß dessen Anteil an der menschgemachten Erderhitzung, das wären ca. 0,5 Prozent. Nachdem Richter am Oberlandesgericht Hamm Ende 2017 die Klage für juristisch schlüssig befunden hatten, ist der Prozess seither in der Beweisführung. Der zuständige Senat plant gemeinsam mit Gutachtern einen Ortstermin am Gletschersee durchzuführen. Umwelt- und Energie-Report hatte immer wieder berichtet, s. unten.

Nun berichtet Germanwatch, dass bereits Ende 2017 das Oberlandesgericht (OLG) Hamm beschlossen hatte , in die Beweisaufnahme im Fall gegen RWE einzutreten. Im Mai 2022 reisten Richter:innen des OLG Hamm, Rechtsbeistände und vom Gericht bestellte Gutachter nach Peru, um zu untersuchen, ob das Haus des Klägers und seiner Familie tatsächlich von einer möglichen Flutwelle des 4.500 Meter oberhalb der Stadt gelegenen Gletschersees Palcacocha bedroht ist. Die gesamte Gefahrenzone in Huaraz umfasst ein Gebiet, in dem rund 50.000 Menschen leben.

Das Gutachten über die Gefahrenlage wird – laut Germanwatch – voraussichtlich in diesem  Sommer vorliegen. Dr. Roda Verheyen, Rechtsanwältin des Klägers: „Es ist schwer verständlich, dass bald ein Jahr nach dem Ortstermin noch kein Gutachten vorliegt. Leider können wir als Klägervertreter da nichts beschleunigen – das ist allein Sache des Gerichts.“

Die Verzögerung des Gerichtsverfahrens ist angesichts der Gefahrenlage vor Ort besorgniserregend. Doch Kläger Saúl Luciano Lliuya ist erleichtert, dass es nun bald weitergeht. Er klagt: „Die Gefahr einer Flut nimmt ständig zu. Es gibt bereits Warnungen von benachbarten Bergseen. Außer mir sind mehr als 50.000 Menschen von einer möglichen Flut bedroht.“

Sobald das Gutachten vorliegt, können die Prozessbeteiligten wahrscheinlich innerhalb von sechs Wochen schriftlich dazu Stellung nehmen. Danach wird das OLG Hamm einen Termin zur mündlichen Verhandlung ansetzen, um das Gutachten zu erörtern – voraussichtlich noch für dieses Jahr. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die vom Kläger behauptete Flutgefahr für ihn tatsächlich existiert, muss in der zweiten Beweisfrage geklärt werden, inwieweit der menschgemachte Klimawandel und die von RWE freigesetzten CO2-Emissionen mitverantwortlich sind für die Gefahr eines Gletscherseeausbruchs.

"Außer mir sind mehr als 50.000 Menschen von einer möglichen Flut bedroht ...!"Saúl Luciano Lliuya ...
“Außer mir sind mehr als 50.000 Menschen von einer möglichen Flut bedroht …!”Saúl Luciano Lliuya …

Saúl Luciano Lliuya fordert in seiner Klage, dass sich RWE an den Kosten für die dringend notwendigen Schutzmaßnahmen am See Palcacocha beteiligt. RWE ist laut Studien für 0,47 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich und trägt damit nach Ansicht der Klägerseite zum Abschmelzen der Gletscher in den Anden und zur Überschwemmungsgefahr in Huaraz bei. Die Klage wurde 2015 eingereicht und ist bisher weltweit die einzige ihrer Art, die es bis in die Beweisaufnahme vor einem höheren Gericht geschafft hat. Das Oberlandesgericht Hamm schrieb bereits 2017 mit diesem Fall Rechtsgeschichte. Denn mit dem Eintritt in die Beweisaufnahme hat das Gericht bestätigt, dass auf der Grundlage des deutschen Zivilrechts ein privates Unternehmen grundsätzlich für seinen Anteil an der Verursachung klimabedingter Schäden und Risiken zur Verantwortung gezogen werden kann.

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch unterstützt die Klage wegen ihres Präzedenzcharakters schon seit der Klageeinreichung am Landgericht Essen. Die deutsche Stiftung Zukunftsfähigkeit hat sich verpflichtet, alle dem Kläger in diesem Verfahren entstehenden Kosten zu übernehmen und ruft dafür regelmäßig zu Spenden auf.

Lesen Sie dazu auch unseren Bericht: RWE – Peru: Heute einer der weltweit meistbeachteten Präzedenzfälle

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