Während der Regierungspressekonferenz in Berlin am vergangenen Mittwoch, 01. November, ging es wieder heftig  um den von Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner in Frage gestellten Kohleausstieg. Solange nicht klar sei, dass Energie verfügbar und bezahlbar sei, sollte man die Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030 beenden, hatte der FDP-Vorsitzende dem “Kölner Stadt-Anzeiger”erklärt. Für das Klima bringe diese Vorgabe ohnehin nichts, da die in Deutschland eingesparten CO2-Emissionen aufgrund der europäischen Regeln zum Beispiel in Polen zusätzlich anfallen dürften.

"Herr Hebestreit, weiß Herr Scholz denn darüber Bescheid, was Herr Lindner darüber gesagt hat? “  Steffen Hebestreit, bild bundesfinanzm.
Herr Hebestreit, weiß Herr Scholz denn darüber Bescheid, was Herr Lindner darüber gesagt hat? “ Steffen Hebestreit, bild bundesfinanzm.

Während der Regierungspressekonferenz  wollte eine Journalistenkollegin von Steffen Keller, dem Sprecher von Bundesfinanzminister Christan Linder wissen:

Frage: „Herr Keller, der Bundesfinanzminister stellt den Kohleausstieg infrage und spricht quasi von „Träumen“ seiner Koalitionspartner. Wird der Ausstieg innerhalb der Ampelkoalition noch einmal infrage gestellt und zum Thema gemacht? Was hat Herr Lindner damit gemeint?“ Und an Regierungssprecher Steffen Hebstreit gewandt wollte sie im zweiten Teil ihrer Frage wissen:  „Herr Hebestreit, der Kohleausstieg ist eigentlich beschlossene Sache. Weiß Herr Scholz denn darüber Bescheid, was Herr Lindner darüber gesagt hat? Wurde das schon thematisiert oder muss Herr Scholz das ähnlich wie beim Thema Atomkraft in die eigene Hand nehmen?“

Steffen Keller (BMF) schränkte in seiner Antwort zunächst ein: „Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich nur auf die gestrigen Interviewäußerungen verweisen kann!“

Und Staatssekretär und Regierungssprecher Steffen Hebestreit pochte darauf: „

Geltende Rechtslage ist, dass die Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen wird. Wenn man das ändern will, müsste man ein Gesetz ändern!“

Nun wollte ein Journalistenkollege von Steffen Keller wissen: „Frage: Herr Keller, der Kohleausstieg im Westen 2030 ist ja bereits beschlossen worden. Das ist geltende Rechtslage. Es geht jetzt um den Kohleausstieg im Osten. Was meint denn der Finanzminister?“ Und an Korbinian Wagner , den Sprecher von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, gewandt wollte er wissen:

„Herr Wagner, wie bewertet das BMWK die Aussagen des Finanzministers?“

Steffen Keller (BMF) schaltete sich zunächst einfach und erklärte: „Ich habe, wie gesagt, den Äußerungen des Bundesfinanzministers nichts hinzuzufügen !“

Und auch Korbinian Wagner  breitete die Hände aus und erklärte: „Ich kann von dieser Stelle die Aussagen des Bundesfinanzministers auch nicht bewerten. Das steht mir auch nicht zu!“ Dann aber holte er aus und erklärte: „Ich kann nur ganz allgemein zur Einordnung ergänzend zu dem, was der Regierungssprecher gesagt hat, sagen, dass der aktuelle Koalitionsvertrag vorsieht, dass der Kohleausstieg idealerweise bis auf das Jahr 2030 vorgezogen werden soll. Daran arbeitet die

"Herr Wagner, wie bewertet das BMWK die Aussagen des Finanzministers?“ Korbinian Wagner
“Herr Wagner, wie bewertet das BMWK die Aussagen des Finanzministers?“ Korbinian Wagner

Bundesregierung, insbesondere natürlich das federführende Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium. Der ganze Prozess eines vorgezogenen Kohleausstiegs – das galt schon nach dem Kohlverstromungsbeendigungsgesetz und gilt auch für den Kohleausstieg 2038 – ist natürlich in regelmäßig vorgesehene Überprüfungen eingebettet, die die Versorgungssicherheit und Realisierbarkeit in den Blick nehmen. Dieses dauernde Monitoring findet statt und stellt auch sicher, dass unsere Ziele am Schluss erreicht werden können!“

Dann kam gleich die nächste Frage einer Journalistenkollegin, die in bisschen tiefer zielte: „Eine Frage an Herrn Wagner, gegebenenfalls an das Bundesumweltministerium: Waren denn dem Ministerium die Gedanken, die im Kopf des Bundesfinanzministers Raum gewonnen haben, im Vorfeld bekannt, oder hat Sie das jetzt überrascht?“

Doch Korbinian Wagner  wiederholte: „Ich weiß nicht, ob die Kollegin dazu noch etwas sagen möchte. Ich habe schon zu Anfang gesagt, dass ich an dieser Stelle die Äußerungen des Bundesfinanzministers nicht kommentieren will. Ich habe auch auf den Koalitionsvertrag Bezug genommen. Mehr kann ich an dieser Stelle dazu nicht sagen!“

Iris Throm Sprecherin von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (BMUV) ergänzte kurz: „Dem schließe ich mich an!“

Die Journalistenkollegin ließ aber nicht locker und wollte nun von Steffen Hebestreit wissen: „Frage , Herr Hebestreit, Sie haben darauf hingewiesen, dass der Ausstieg 2038 Gesetz sei. Die Wortwahl des Finanzministers Ministers, war, glaube ich, dass man sich von solchen Träumen verabschieden müsse. Das ist eine ungewöhnliche Bezeichnung für geltendes Recht. Das ist ja im Grunde eine Diskreditierung der Bedeutung geltenden Rechts. Akzeptiert der Bundeskanzler das?“

Steffen  Hebestreit wiegelte gleich ab und erklärte: „Ich würde mir Ihre Wertung nicht zu eigen machen. Ich halte es genau wie die Kollegen, die eben schon zu diesem Thema gefragt wurden, dass wir uns nicht zu den  „Träumereien“ äußern.  Sie müssen mit dem Bundesfinanzminister oder dem FDP-Parteivorsitzenden direkt sprechen und ihn dazu befragen. Wir haben dazu von dieser Stelle nichts beizutragen!“

Zusatzfrage der Kollegin: „Dann darf ich das Wirtschaftsministerium fragen: Zur Begründung seiner Position hatte der Bundesfinanzminister gesagt, selbst eine Einsparung von Kohle-Co2 in Deutschland

  „Frage: Und, wie passt dieses neue Konfliktthema zum angekündigten Schalldämpfer der Koalition....  ?" ,Regierungspressekonferenz..., Bild Christian Plambeck
„Frage: Und, wie passt dieses neue Konfliktthema zum angekündigten Schalldämpfer der Koalition…. ?” ,Regierungspressekonferenz…, Bild Christian Plambeck

würde nichts bringen, weil das ja dann durch vermehrten Ausstoß zum Beispiel in Polen sozusagen negativ kompensiert würde. Stimmen Sie dieser Einschätzung fachlich-sachlich zu?“

Korbinian Wagner  darauf: „Mir liegen die Aussagen des Bundesfinanzministers im Wortlaut nicht vor. Deswegen muss ich noch einmal darauf verweisen, dass ich sie gar nicht kommentieren kann. Was ich aber machen kann, ist ein Hinweis darauf, wie im europäischen Emissionshandel insbesondere mit Emissionen umgegangen wird, die teilweise stillgelegt werden. Das ist natürlich ein Teil des Kohleausstiegs. Dort gibt es einen Mechanismus – das ist die sogenannte Marktstabilitätsreserve ‑, der dafür sorgt, dass sozusagen überschüssige Zertifikate automatisch vom Markt genommen werden. Diese haben einen dämpfenden Effekt und sollen genau das verhindern, dass also in einem Land freigewordene Zertifikate in anderen Ländern klimawirksam sind. Den Mechanismus gibt es bisher schon. Er soll jetzt noch wirksamer werden, und damit soll genau diesem Effekt entgegengewirkt werden.“

Dann die Schluss-Frage und die Schlussantwort  darauf vom Regierungssprecher:

Frage: Ich wollte einfach nur fragen ‑ es gab heute eine Kabinettssitzung ‑, ob sich der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister überhaupt zu dieser Thematik ausgetauscht haben. Es gab ja eine entsprechende Vorrunde ! Und, wie passt dieses neue Konfliktthema zum angekündigten Schalldämpfer der Koalition?“

Steffen Hebestreit erklärte jedoch:   „Das hat heute im Kabinett keinerlei Rolle gespielt. Ich habe auch zu den Äußerungen das gesagt, was ich zu sagen hatte. Das sind Äußerungen im politischen Raum. Wenn es dazu Initiativen gibt, muss man darüber diskutieren. Bisher gibt es eine Interviewäußerung. Wenn man sich die Wortwahl genau anguckt, hat er, glaube ich, gesagt, 2030, das seien Träume. Vielleicht hilft das ein bisschen auf die Spur. Aber wie gesagt: Das sind bisher Interviewäußerungen. Man muss auch sehen, wie das geht.

Sie wissen, dass wir intensiv dabei sind, die Energieversorgung in Deutschland umzustellen und so schnell wie möglich klimaneutral zu werden. Das ist nicht ganz einfach. Wir haben auf die Kohle aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine und der Unterbrechung der russischen Gaslieferungen nach Deutschland zurückgreifen müssen. Wir haben versucht, das mit LNG-Terminals und dem Einkauf von Liquefied Natural Gas zu kompensieren. Streckenweise sind auch wieder Kohlekraftwerke ans Netz gegangen, die eigentlich schon abgeschaltet waren und sich in der strategischen Reserve befunden haben. Insofern sehen Sie, dass wir da einerseits ganz pragmatisch herangehen. Andererseits – das hat der Kollege Wagner deutlich gemacht – ist das alles im Rahmen der europäischen Emissionsrichtlinie bzw. des ETS. Auch da gilt: Wenn man mehr verschmutzt – in Anführungszeichen –, muss man mehr Verschmutzungsrechte erwerben. Das ist deutlich teurer. Insofern haben wir alle ein großes Interesse daran, möglichst schnell unseren Umstieg auf erneuerbare Energien zu schaffen. Beim Strom ist das Ziel, bis 2030 bei einer höheren Grundstrommenge 80 Prozent aus erneuerbaren Energien zu schaffen. Daran arbeiten wir alle, auch der Bundesfinanzminister, mit Hochdruck !“